Von: APA/dpa/Reuters
Der militärische Konflikt zwischen den beiden Nachbar und Nuklearmächten Indien und Pakistan geht weiter: Pakistan attackierte am Donnerstag im indisch kontrollierten Teil Kaschmirs nach Angaben Indiens mehrere Militäreinrichtungen mit Raketen und Drohnen. Dazu kam aus Islamabad spätabends allerdings ein Dementi. Zuvor hatte Indien in der Nacht auf Donnerstag nach eigenen Angaben Flugabwehrsysteme an mehreren Orten des Nachbarlandes attackiert.
Auch eine grenznahe Militärstation im indischen Bundesstaat Punjab sei Ziel der pakistanischen Luftangriffe gewesen, teilte der integrierte Verteidigungsstab, der für die Koordination unter den Teilstreitkräften der indischen Armee zuständig ist, auf der Plattform X mit. Die Bedrohung sei “neutralisiert” worden, es habe keine Verluste gegeben. Ob die Angriffe andauerten, war zunächst unklar. Aus Pakistan gab es zunächst keine Bestätigung für die Angriffe.
Zuvor hatten Berichten indischer Medien zufolge im Unionsterritorium Jammu und Kaschmir laute Explosionen am späten Abend (Ortszeit) Panik in der Bevölkerung ausgelöst. Es habe Luftschutzalarm gegeben. Die Zeitung “India Today” berichtete, eine Drohne habe den Flughafen der Stadt Jammu getroffen, wo sich eine Einrichtung der Luftstreitkräfte befinde. Indien habe seine Flugabwehr aktiviert.
Die indische Regierung teilte mit, eines der pakistanischen Flugabwehrsysteme in der grenznahen Millionenstadt Lahore sei zerstört worden. Mit dem nächtlichen Beschuss habe das Militär auf den Versuch Pakistans reagiert, militärische Ziele im Norden und Westen Indiens, darunter in 15 Städten, mit Drohnen und Raketen zu treffen. Dies habe aber vereitelt werden können. Eine Bestätigung dafür aus Islamabad gab es zunächst nicht.
Islamabad dementiert
Pakistan wies am Abend eine Verwicklung in die von Indien gemeldeten Luftangriffe von sich. “Die pakistanische Regierung weist die von den indischen Medien verbreiteten haltlosen und unverantwortlichen Behauptungen kategorisch zurück, die Pakistan beschuldigen, Angriffe auf Pathankot, Jaisalmer und Srinagar verübt zu haben”, hieß es in einer Mitteilung des Außenministeriums. Auch der pakistanische Informationsminister Ataullah Tarar sagte, Pakistan habe bisher keine Ziele im indischen Teil von Kaschmir oder jenseits der internationalen Grenze angegriffen.
Als Auslöser der aktuellen Spannungen gilt ein Terroranschlag vom 22. April im indischen Unionsterritorium Jammu und Kaschmir, bei dem 26 Menschen – überwiegend indische Touristen – getötet wurden. Neu-Delhi wirft Pakistan eine Beteiligung vor. Islamabad weist das zurück und forderte eine unabhängige Untersuchung. Die Grenzregion Kaschmir ist zwischen Pakistan und Indien geteilt, beide Länder beanspruchen aber das ganze Gebiet für sich.
Als Reaktion auf den Anschlag hatte das indische Militär in der Nacht auf Mittwoch Angriffe auf mehrere pakistanische Ziele geflogen. Nach Angaben Indiens wurden dabei mehrere “Terroristencamps” zerstört. Indien beschuldigte die Gegenseite, Granaten in der Kaschmir-Region über die Grenze hinweg abgefeuert zu haben. Pakistan selbst meldete den Abschuss von fünf indischen Kampfjets.
Pakistan meldet Drohnenabschuss
Am Donnerstag erklärte das pakistanische Militär, 25 indische Drohnen im eigenen Luftraum abgeschossen zu haben. Mindestens drei Drohnen wurden den Angaben nach über der Millionenstadt Rawalpindi abgefangen, die nur wenige Kilometer von der Hauptstadt Islamabad entfernt ist. In Rawalpindi befindet sich das Hauptquartier der pakistanischen Armee. “Die von den Streitkräften abgeschossenen indischen Drohnen sind Pakistans Kriegstrophäen”, sagte Informationsminister Attaullah Tarar.
Beide Seite melden Tote
Durch indische Angriffe kamen auf pakistanischer Seite nach Angaben des Militärs mehr als 30 Menschen ums Leben, 57 wurden demnach verletzt. Zudem seien durch den Abschuss der indischen Drohnen in der vergangenen Nacht durch die herabstürzenden Trümmerteile eine Person getötet und fünf verletzt worden, darunter vier Soldaten. Das indische Militär meldete 13 Tote durch pakistanischen Artilleriebeschuss in der vergangenen Nacht. Unter den Toten sei ein Soldat.
Nach Angaben der zivilen Luftfahrtbehörde in Pakistan wurden am Donnerstag zudem mehrere Flughäfen vorübergehend geschlossen. Demnach sei der Betrieb an den Flughäfen in den Millionenstädten Islamabad, Karachi, Lahore sowie in der nordöstlichen Stadt Sialkot nahe der indischen Grenze bis zum Abend oder teils länger eingestellt.
Mehrere Fluglinien strichen ihre Flüge Richtung Pakistan. Auch in Indien sind mehrere Flughäfen aufgrund der Spannungen mit dem Nachbarland geschlossen. Insgesamt seien 27 Flughäfen in den Grenzregionen betroffen, berichteten indische Medien. Die Schließung solle bis zum Samstag dauern.
Iran will vermitteln
Irans Außenminister Abbas Araghchi setzte nach einem Besuch in Pakistan Vermittlungsgespräche in Neu-Delhi fort: Er traf seinen indischen Kollegen Subrahmanyam Jaishankar, wie iranische Staatsmedien berichteten. Der Besuch sei länger geplant gewesen, sagte Araghchi bei seiner Ankunft. Daher stünden auch wirtschaftliche Themen auf der Agenda. Beide Länder unterzeichneten laut der staatlichen Nachrichtenagentur Irna drei Absichtserklärungen. “Unsere Region braucht Ruhe”, fügte er hinzu. Deshalb wolle der Iran auch vermitteln.
Die Ursprünge des nun wieder aufflammenden Konflikts reichen bis in die Kolonialzeit zurück. 1947 entließen die Briten den indischen Subkontinent in die Unabhängigkeit und teilten diesen auf. Aus der Teilung entstand neben dem überwiegend hinduistischen Indien der neue Staat Pakistan für Muslime. Die gewaltvoll verlaufene Teilung nährt bis heute eine erbitterte Rivalität. Seit ihrer Unabhängigkeit führten beide Länder drei Kriege gegeneinander, zwei davon um Kaschmir.
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