Irans Außenminister Abbas Araqchi

Irans Außenminister: USA verstehen nur Sprache der Gewalt

Sonntag, 22. Juni 2025 | 19:25 Uhr

Von: APA/dpa/Reuters/AFP

Irans Außenminister sieht nach den US-Angriffen auf iranische Atomanlagen kaum Raum für Diplomatie. Die USA hätten “eine sehr dicke rote Linie” überschritten und die Diplomatie “in die Luft gesprengt”, sagte Araqchi am Sonntag in Istanbul vor Journalisten. Sein Land werde sich “mit allen notwendigen Mitteln” wehren. Zudem kündigte der iranische Außenminister an, am Montag in Moskau Russlands Präsident Wladimir Putin zu treffen.

Russland verurteilte die US-Angriffe. Die “verantwortungslose Entscheidung” verstoße gegen das Völkerrecht und die Charta der Vereinten Nationen, teilte das russische Außenministerium in Moskau mit. Der UN-Sicherheitsrat müsse darauf reagieren. Am Montag wird der iranische Außenminister Abbas Araqchi in Moskau erwartet, um Russlands Präsident Wladimir Putin zu treffen. China warf den USA vor, mit den Angriffen den Konflikt im Nahen Osten anzuheizen.

“USA verstehen nur Sprache der Drohung und der Gewalt”

Die Tür zur Diplomatie sollte immer offen gehalten werden, doch das sei bezüglich der USA derzeit “nicht der Fall”, kritisierte Araqchi. “Sie verstehen nur die Sprache der Drohung und der Gewalt”, Der Iran müsse auf der Grundlage seines “legitimen Rechts auf Selbstverteidigung” reagieren, argumentierte Aragchi. Die USA hätten die Diplomatie verraten.

Irans Chefdiplomat übte auch Kritik an der Internationalen Atomenergiebehörde. Die IAEA habe mit ihrem Verhalten den Weg zu dieser “Aggression” geebnet, prangerte er an und forderte eine Sondersitzung des UNO-Sicherheitsrates. Die Revolutionsgarden drohten den USA unterdessen indirekt mit Angriffen gegen Militäreinrichtungen.

Der iranische Präsident Masoud Pezeshkian verurteilte die US-Angriffe auf Atomanlagen im Iran als “Aggression” und warf Washington vor, die treibende Kraft hinter den Angriffen Israels im Iran zu sein. “Diese Aggression hat gezeigt, dass Amerika der entscheidende Faktor hinter den feindseligen Handlungen des zionistischen Regimes gegen die Islamische Republik Iran ist”, erklärte Pezeskhian laut der amtlichen Nachrichtenagentur IRNA.

US-Regierung: Angriffe “überwältigender Erfolg”

Für US-Verteidigungsminister Pete Hegseth waren die Angriffe ein “unglaublicher und überwältigender Erfolg”. Sie hätten sich aber nicht gegen das iranische Volk oder die iranischen Streitkräfte gerichtet. Generalstabschef Dan Caine erklärte, im Zuge der Operation “Midnight Hammer” (Mitternachtshammer) seien sieben B-2-Bomber zum Einsatz gekommen.

Laut US-Vize-Präsident JD Vance streben die USA aber nicht nach einem Sturz der Regierung im Iran. Man wolle keinen Regimewechsel, sagt Vance dem Sender NBC. Es solle auch keine US-Bodentruppen im Land geben. Man sei im Krieg gegen das iranische Nuklearprogramm, nicht aber gegen den Iran insgesamt. “Wir wollen mit den Iranern über ein langfristiges Abkommen sprechen”, sagt er. Der Konflikt solle nicht weiter verlängert werden. “Wir wollen ihr Nuklearprogramm beenden.”

Revolutionsgarden: US-Militärbasen in der Region “Punkte der Verwundbarkeit.

Die Revolutionsgarden, die Elitestreitmacht des Landes, teilten mit, die US-Militärbasen in der Region seien kein Vorteil, sondern eher “Punkte der Verwundbarkeit.” Die USA müssten als Reaktion auf ihren Angriff mit Vergeltung rechnen. Das iranische Atomprogramm könne nicht zerstört werden. Am Sonntag feuerten die Revolutionsgarden erneut Dutzende Raketen auf Israel. Nach israelischen Angaben wurden rund 90 Personen verletzt.

Am Samstagabend hatten die USA iranische Atomanlagen angegriffen und sich damit in den Krieg zwischen Israel und dem Iran eingeschaltet. Israel hatte am 13. Juni einen Großangriff auf den Iran gestartet und bombardiert seitdem insbesondere Atomanlagen und militärische Einrichtungen in dem Land. Israel begründet sein Vorgehen mit dem fortgeschrittenen iranischen Atomprogramm. Der Iran attackiert Israel seitdem mit Raketen und Drohnen. US-Präsident Donald Trump verkündete, “entscheidende Anlagen zur Urananreicherung” des Iran seien komplett zerstört. Nach Einschätzung der in Wien ansässigen Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA) wurde keine Strahlung außerhalb der Einrichtungen freigesetzt.

Russland hatte zuletzt vor einer echten atomaren Gefahr durch Israels Angriffe auf die Kernenergie-Anlagen im Iran gedroht. Bisher galt es als unwahrscheinlich, dass Russland dem Iran mit Truppen zur Seite steht. Zwar schlossen Moskau und Teheran in diesem Jahr offiziell eine weithin beachtete strategische Partnerschaft. Diese enthält aber keine Klausel über einen militärischen Beistand – anders als das zwischen Russland und Nordkorea geschlossene Abkommen.

“Iran muss sich für den Weg des Friedens entscheiden”

Bombardiert worden seien die unterirdische Urananreicherungsanlage in Fordo sowie die Standorte Natanz und Isfahan, sagte Trump im Weißen Haus. Der Iran müsse sich jetzt für den Weg des Friedens entscheiden, sonst würden künftige Attacken viel größer. Ob und wie der Iran Vergeltung gegen die USA üben wird, bleibt abzuwarten. Auf den Stützpunkten des US-Militärs in der Region – etwa im Irak, in Katar oder in Kuwait – sind US-Medien zufolge insgesamt gut 40.000 Soldaten stationiert.

Araqchi hatte zuletzt noch mit den USA über das Atomprogramm verhandelt. Die iranische Vertretung bei den Vereinten Nationen in New York forderte eine Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrats, wie der staatliche Rundfunk berichtete. Die proiranische Huthi-Miliz im Jemen verurteilte die US-Angriffe als “brutale und feige Aggression”. Sie seien “eine eklatante Verletzung” der Souveränität des Irans sowie “ein klarer Bruch” internationalen Rechts, erklärte die Organisation.

Israel lobt Mut von US-Präsident Trump

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sprach von einer “mutigen Entscheidung” des US-Präsidenten. “Ihre mutige Entscheidung, die nuklearen Anlagen des Iran mit der gewaltigen und gerechten Macht der Vereinigten Staaten ins Visier zu nehmen, wird die Geschichte verändern”, sagte Netanyahu in einer Videobotschaft.

Verteidigungsminister Israel Katz sprach von einem historischen Schritt. Ziel sei es, “sicherzustellen, dass der Iran keine Atomwaffen besitzt – Waffen, die Israel, die Länder der Region und das nationale Sicherheitsinteresse der USA selbst gefährdet hätten”.

Israels Präsident Yitzhak Herzog sah einen “mutigen Schritt” von US-Präsident Donald Trump. Seine Entscheidung sei historisch und ziele darauf ab, “uns und die ganze Welt von der nuklearen Bedrohung zu befreien”, sagte Herzog weiter.

UNO-Generalsekretär warnt vor katastrophalen Folgen für die Welt

UNO-Generalsekretär António Guterres zeigte sich nach den US-Angriffen “zutiefst beunruhigt” und warnte vor katastrophalen Folgen für die Welt. “In dieser gefährlichen Stunde ist es von entscheidender Bedeutung, eine Spirale des Chaos zu vermeiden”, sagte Guterres in der Nacht. Die Mitgliedsstaaten seien aufgefordert, ihren Verpflichtungen aus der UNO-Charta nachzukommen. “Es gibt keine militärische Lösung. Der einzige Weg nach vorne ist die Diplomatie. Die einzige Hoffnung ist der Frieden”, sagte Guterres.

Kallas und von der Leyen rufen zu Verhandlungen auf

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas riefen auf X zu Verhandlungen auf. “Der Iran darf niemals in den Besitz der Bombe gelangen”, schrieb von der Leyen und mahnte angesichts der Spannungen in Nahost, dass Stabilität und die Wahrung des Völkerrechts Vorrang haben müssten. “Jetzt ist der Moment für den Iran gekommen, sich auf eine glaubwürdige diplomatische Lösung einzulassen.” Kallas erklärte: “Ich bitte alle Seiten dringend darum, einen Schritt zurückzutreten, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und eine weitere Eskalation zu verhindern.” Dem Iran dürfe nicht erlaubt werden, eine Atomwaffe zu entwickeln”, ergänzte auch Kallas. Die EU-Außenminister würden am Montag über die Lage beraten.

Österreich für “Rückkehr zum Verhandlungstisch”

Österreichs Außenministerin Beate Meinl-Reisinger schrieb auf X, sie werde sich bezüglich des Konfliktherds weiter für politische Lösungen stark machen. “Österreich steht weiterhin für Diplomatie statt Eskalation.” Für Meinl-Reisinger ist klar, dass der Iran keine Atomwaffen besitzen darf. Das Regime dort spreche Israel das Recht auf Existenz ab und sei für Destabilisierung und Terror in der Region und weltweit verantwortlich. “Aber das Völkerrecht darf nicht auf der Strecke bleiben.”

Zustimmung zu den Worten Meinl-Reisingers kam von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Die Region brauche weder eine nukleare Aufrüstung noch eine Eskalation der kriegerischen Auseinandersetzungen, schrieb er auf X. “Ich appelliere dringend, zum Verhandlungstisch zurückzukehren.” Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) ließ angesichts der Lage im Nahen und Mittleren Osten wissen: “Wir verfolgen die Entwicklungen (…) sehr genau. Das iranische Atomprogramm gibt Anlass zu größter Sorge.”

Wie sich der Krieg entwickelt hat

Israel greift seit Tagen Ziele im Iran an – darunter Atomanlagen, führende Militärs, Atomwissenschaftler, Verteidigungsstellungen, Ziele in Städten und Öl- und Erdgasfelder. Das erklärte Hauptziel ist es, die Islamische Republik an der Entwicklung von Atomwaffen zu hindern. Der Iran reagierte mit Gegenangriffen auf Israel.

Trump hatte am Donnerstag erklären lassen, innerhalb von zwei Wochen eine Entscheidung über eine mögliche Beteiligung der USA an dem Krieg zu treffen. Zuvor hatte er auf dem Verhandlungsweg versucht, den Iran von seinem umstrittenen Atomprogramm abzubringen. Eine weitere Runde der vom Oman vermittelten Gespräche zwischen den USA und dem Iran war ursprünglich für den vergangenen Sonntag geplant gewesen – doch Israels Angriffe machten den Plan zunichte.

Der Krieg zwischen den beiden Erzfeinden Israel und Iran ist eine bedeutende Eskalation der ohnehin dramatischen Lage im Nahen Osten. Israel führt seit dem Massaker der Hamas und anderer militanter Palästinenserorganisationen in Israel vom 7. Oktober 2023 Krieg gegen die Islamisten im Gazastreifen, die dem jüdischen Staat die Existenzberechtigung absprechen. Zwischenzeitlich bombardierte Israel auch die mit dem Iran verbündete Hisbollah-Miliz im Libanon.

Die Hamas verurteilte die US-Angriffe auf den Iran als “unverhohlene Aggression”. Die Angriffe stellten eine “gefährliche Eskalation” dar und bedrohten den Frieden und die internationale Sicherheit, hieß es in einer Mitteilung der palästinensischen Terrororganisation. Die USA folgten damit blind der Agenda Israels. Ähnlich äußerte sich die vom Iran unterstützte Houthi-Miliz im Jemen. Sie sprach von einer “brutalen und feigen Aggression”, “einer eklatante Verletzung” der Souveränität des Iran sowie einem “klaren Bruch” internationalen Rechts. Der Angriff sei ein Teil der “grenzenlosen, verbrecherischen Unterstützung” der USA für Israel.

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