Israel übt Kritik an UNO-Generalsekretär António Guterres

Israel ruft UN-Botschafter für Konsultationen zurück

Montag, 04. März 2024 | 22:48 Uhr

Israel ruft seinen Botschafter bei der UNO zurück. Er habe Gilad Erdan angewiesen, “für sofortige Konsultationen” nach Israel zurückzukehren, erklärte Außenminister Israel Katz am Montagabend im Onlinedienst X. Grund sei der Versuch, “Informationen über die von der Hamas und ihren Verbündeten am 7. Oktober verübten Massenvergewaltigungen totzuschweigen”. Ein am Montag veröffentlichter UN-Bericht sah sexualisierte Gewalt bei dem Terroranschlag allerdings als wahrscheinlich an.

Es gebe “berechtigten Grund zur Annahme”, dass es zu Vergewaltigungen und Gruppenvergewaltigungen an mindestens drei Orten gekommen sei, hieß es in dem Papier, das von der zuständigen UN-Vertreterin Pramila Patten nach einem Besuch in Israel angefertigt wurde. Auch von der Hamas in den Gazastreifen entführte Geiseln seien mit großer Wahrscheinlichkeit vergewaltigt worden.

Patten erhielt nach eigenen Angaben “klare und überzeugende Informationen”, wonach Geiseln in der Gewalt der Hamas vergewaltigt wurden. Diese Informationen führten auch zu der Annahme, “dass derartige Gewalt weiter andauert gegen diejenigen, die noch festgehalten werden”. Die UN-Repräsentantin hatte sich im Februar mehrere Tage in Israel aufgehalten. Dort sprach sie mit Überlebenden, Zeugen und Sicherheitskräften. Zudem traf die UN-Beauftragte aus der Hamas-Geiselhaft freigelassene Israelis. Zuvor waren die Vereinten Nationen beschuldigt worden, zu langsam auf die von Israel gegen die Hamas erhobenen Vorwürfe von Vergewaltigungen und sexueller Gewalt während des brutalen Großangriffs am 7. Oktober reagiert zu haben.

Unter diesen Orten sei das Gelände eines Musikfestivals, das von den Terroristen am 7. Oktober überfallen wurde. “Bei den meisten dieser Vorfälle wurden Opfer einer Vergewaltigung anschließend getötet, und mindestens zwei Vorfälle standen im Zusammenhang mit der Vergewaltigung von Frauenleichen”, hieß es weiter. Außerdem gebe es “klare und überzeugende Informationen darüber, dass sexuelle Gewalt, einschließlich Vergewaltigung, sexualisierte Folter, grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung, gegen Geiseln verübt wurde”. Diese könnte in der Gefangenschaft im Gazastreifen momentan weiter andauern.

Katz warf UNO-Generalsekretär Antonio Guterres jedoch vor, den Sicherheitsrat nicht einberufen zu haben, um den Bericht zu erörtern und die Hamas zu einer terroristischen Organisation zu erklären. UN-Sprecher Stephane Dujarric sagte im Gegenzug, Guterres habe die Arbeit von Patten bei ihrem Besuch in Israel “voll und ganz unterstützt”. “Der Generalsekretär hat in keiner Weise etwas getan, um den Bericht ‘geheim’ zu halten.” Tatsächlich sei der Bericht öffentlich vorgestellt worden.

Die Beziehungen zwischen Israel und der UNO haben sich bereits seit Beginn des Gaza-Kriegs verschlechtert. Ende Oktober hatte Botschafter Erdan UN-Generalsekretär António Guterres zum Rücktritt aufgefordert. Auslöser war eine Rede von Guterres, in der dieser den Hamas-Angriff auf Israel zwar scharf verurteilt, aber gleichzeitig gesagt hatte, die Angriffe der radikalislamischen Palästinenserorganisation seien “nicht im luftleeren Raum erfolgt”.

Bei ihrem Terrorüberfall Anfang Oktober töteten Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen 1200 Menschen und verschleppten weitere 250 als Geiseln in den Gazastreifen. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Nach israelischen Schätzungen befinden sich noch 134 Geiseln, unter ihnen rund 20 Frauen, in der Gewalt der Terroristen. Von den Geiseln dürften aber nach israelischen Angaben nur noch rund 100 am Leben sein.

Als Reaktion auf den Hamas-Angriff geht Israel seither massiv militärisch im Gazastreifen vor, erklärtes Ziel ist die Vernichtung der Hamas. Nach jüngsten Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden in dem Palästinensergebiet seitdem mehr als 30.500 Menschen getötet.

Vertreter der Vereinten Nationen hatten zuletzt im Weltsicherheitsrat vor dem Hungertod Tausender Zivilisten im Gazastreifen gewarnt. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu aber treibt trotz laufender Verhandlungen über eine Waffenruhe die Bodenoffensive in Gaza weiter voran.

Von: APA/AFP/dpa/Reuters