Israel fing die meisten Boote ab und setzte die Insassen fest

Kein Boot von Gaza-Hilfsflotte erreichte Ziel

Donnerstag, 02. Oktober 2025 | 16:09 Uhr

Von: APA/dpa/Reuters

Kein Schiff der Gaza-Hilfsflotte hat den Gazastreifen erreicht. Das israelische Außenministerium teilte am Donnerstag mit, keinem der Boote sei es gelungen, Israels Seeblockade zu durchbrechen. Die israelische Marine fing im Mittelmeer nach Angaben der Organisatoren der Global Sumud Flotilla mit Hilfslieferungen für die notleidenden Palästinenser im Gazastreifen rund 40 von 45 Booten ab.

Die Abfangaktion des Militärs rund 80 Kilometer vor der Küste noch in internationalen Gewässern hatte am späten Mittwochabend begonnen. Aktivisten bezeichneten sie als illegal und warfen Israel Völkermord im Gazastreifen vor. Israel hat diese Vorwürfe bereits in der Vergangenheit zurückgewiesen.

Ein Boot, die “Mikeno”, konnte sich nach Angaben von Aktivisten dem Gazastreifen bis auf wenige Kilometer nähern. So zeigte es auch ein von der Trägerorganisation der privaten Aktion betriebener Schiffsortungsdienst im Internet an. Die israelische Armee wies diese Angaben jedoch zurück und sprach von einem Fehler bei der Schiffsortung, wie die Zeitung “Times of Israel” berichtete.

Die nach Angaben der Global Sumud Flotilla rund 500 Teilnehmer aus mehr als 40 Ländern, darunter auch die schwedische Aktivistin Greta Thunberg, ein Enkel des verstorbenen, südafrikanischen Anti-Apartheid-Kämpfers und Ex-Präsidenten Nelson Mandela, und vier Aktivisten aus Österreich, sollten von der israelischen Marine nach Israel gebracht und von dort abgeschoben werden. Die Menschen seien “in Sicherheit und bei guter Gesundheit”, schrieb das israelische Außenministerium auf der Plattform X. Auch etliche nationale Abgeordnete aus Europa und EU-Parlamentarier beteiligten sich an der Hilfs- und Polit-Mission.

Ex-Skirennläufer Schütter unter Österreichern

Unter den vier Österreichern ist auch der 27-jährige Ex-Skirennläufer Schütter. Der Steirer aus Schladming hatte im Februar 2024 nach einem Kreuzbandriss nach 60 Europacup- und elf Weltcuprennen das Ende seiner Karriere bekannt gegeben. Schütter ist auch als Umweltaktivist bekannt.

Außenministerium hilft soweit wie möglich

Das Außenministerium in Wien teilte der APA auf Anfrage mit Blick auf zahlreiche, eintreffende Anfragen zu dem Thema mit: “Wir stehen bereits in engem Kontakt mit den israelischen Behörden, um die österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger auf der Gaza-Flottille – sofern von ihnen gewünscht – bestmöglich konsularisch zu unterstützen und eine rasche Rückkehr nach Österreich zu ermöglichen.” Man möge von Massenanrufen bei der Notfallnummer absehen, so die Bitte.

Österreich habe Israel mittels diplomatischer Noten wiederholt aufgefordert, hinsichtlich der Gaza-Hilfsflotte in vollem Einklang mit seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen, mit größtmöglicher Zurückhaltung und unter Beachtung des Unterscheidungs-, des Verhältnismäßigkeits- und des Vorsichtsgrundsatzes zu handeln, wurde betont. Für dem Gazastreifen gelte eine Reisewarnung; Österreich verfüge dort nur über sehr eingeschränkte Möglichkeiten, österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern konsularische oder sonstige Hilfe zu leisten, betonte das Außenamt.

Zwiespältige Bilanz

Aktivisten bezeichneten die Aktion trotz allem als Erfolg, weil es nach ihrer Einschätzung erstmals einem zivilen Schiff gelungen sei, die israelische Seeblockade zu durchbrechen und in die zwölf Meilen breiten Hoheitsgewässer vor dem Gazastreifen einzudringen. Allerdings war das Schicksal der “Mikeno” wegen unterbrochener Kommunikation unklar. Es gab keine Angaben, dass das Boot die Küste erreicht hätte und eventuell Hilfsgüter an Land bringen konnte.

Die “Times of Israel” schrieb unter Berufung auf Militärangaben, anders als von Aktivisten behauptet, habe es keines der Schiffe der Flottille geschafft, die von Israel kontrollierten Gewässer vor der Küste Gazas zu erreichen. Diese Angaben beruhten auf falschen Tracking-Informationen. Die israelische Armee und das Außenministerium in Jerusalem antworteten zunächst nicht auf Anfragen zur “Mikeno”.

Zwei weitere Boote drehten Richtung Norden ab und entgingen der Militäraktion. Ein viertes Boot, ein Nachzügler, befand sich noch weit entfernt vom Gazastreifen. Sollte es sich weiter annähern, werde es auch gestoppt, schrieb das Außenministerium.

Schon frühere Missionen gescheitert

Das offizielle Ziel der Aktion war es, Hilfsgüter vom Meer aus zu den Palästinensern in den Gazastreifen zu bringen und damit die israelische Seeblockade zu durchbrechen. Ein Angebot Israels, die Medikamente und Lebensmittel über den israelischen Hafen Ashdod in den Gazastreifen zu bringen, lehnten die Organisatoren der Flotte ab.

Bereits im Jahr 2010 wurden bei der Erstürmung einer ähnlichen Flotte durch israelische Soldaten neun Aktivisten getötet. Im Juni dieses Jahres hatten israelische Marine-Einheiten Thunberg und elf weitere Aktivisten eines Schiffes festgenommen, als sie sich dem Gazastreifen näherten.

Unabhängig vom Krieg gegen die militante Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen riegelt Israel das Palästinensergebiet vom Meer aus strikt ab. Die Sperre war 2007 nach der Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen errichtet worden und wird auch von Ägypten mitgetragen, das im Süden an den Küstenstreifen grenzt. Die Blockade dient dazu, Waffenlieferungen an die Hamas zu unterbinden.

Internationale Kritik an Israel bzw. den Aktivisten

Italien und Spanien hatten angesichts der Gefahr einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit Israel eine Marineeskorte für die Flotte entsandt. Beide Länder forderten die Aktivisten am Mittwoch vergeblich auf zu stoppen, bevor sie die von Israel errichtete Sperrzone rund 280 Kilometer vor der Küste des Gazastreifens erreichen.

Nachdem Israel die Schiffe abgefangen hatte, reagierte Spanien mit diplomatischen Protest, indem es den israelischen Geschäftsträger in Madrid ins Außenministerium zitierte. Am Donnerstag gingen in über 40 spanischen Städten, darunter Madrid und Barcelona, Zigtausende Studenten gegen das Vorgehen Israels auf die Straße.

Auch in Italien kam es nach dem Stopp der Flottille zu Protesten. Vor dem Hauptbahnhof in Rom kamen am Mittwochabend zahlreiche Demonstranten zusammen. Die Zugänge zum Bahnhof wurden in der Folge aus Sicherheitsgründen gesperrt. Die dortige U-Bahnstation wurde ebenfalls geschlossen. Auch in Neapel wurde protestiert. Die rechte, italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni übte am Donnerstag scharfe Kritik an der Global Sumud Flotilla mit italienischen Staatsbürgern an Bord sowie an einem von Gewerkschaften ausgerufenen Generalstreik in Italien.

Die deutsche Regierung forderte Israel auf, die Sicherheit aller Mitglieder der Flotte zu garantieren. Man gehe davon aus, dass dies geschehen sei, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin.

Hamas, Iran und Türkei sehen “Terrorakt”

Wegen des Abfangens der Boote kündigte der kolumbianische Präsident Gustavo Petro unterdessen an, alle verbliebenen israelischen Diplomaten aus seinem Land auszuweisen. Der linksgerichtete Politiker hatte die Beziehungen zu Israel bereits im vergangenen Jahr abgebrochen.

Der türkische Außenminister Hakan Fidan bezeichnete das Abfangen der Boote als “Terrorakt, der einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Völkerrecht darstellt und das Leben unschuldiger Zivilisten gefährdet”. Die Staatsanwaltschaft in Istanbul leitete Ermittlungen wegen der Festnahme von 24 türkischen Staatsbürgern ein.

Die palästinensische Terrororganisation Hamas, deren Großangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 den Krieg im Gazastreifen ausgelöst hatte, verurteilte den Stopp der Schiffe “in internationalen Gewässern” als “Verbrechen der Piraterie und des maritimen Terrorismus”. Auch Israels Erzfeind Iran verurteilte den israelischen Marineeinsatz gegen die Global Sumud Flotilla als “Terrorakt”, der gegen das Völkerrecht verstoße.

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