STF bekundet Solidarität

Kein Praktikumsplatz für ungeimpfte Schüler – offener Brief

Donnerstag, 04. November 2021 | 11:23 Uhr

Bozen – Schülerinnen und Schüler der Hannah-Arendt-Schule wenden sich in einem offenen Brief an Politik und Medien und verurteilen die angebliche Benachteiligung von nicht geimpften Schülern.

In der Landesfachschule „Hannah Arendt“ werden junge Menschen zu Sozialbetreuern, Pflegehelfern, Kinderbetreuern, Mitarbeitern für Integration, Mitarbeitern für Arbeitsinklusion, zu pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie zu Tagesmüttern  und -vätern ausgebildet.

Weil es sich zum großen Teil um Berufe im Pflege- und Gesundheitsbereich handelt, wird von den Schülerinnen und Schülern verlangt, sich gegen Corona impfen zu lassen, bevor man ein Praktikum absolvieren darf. Die Impfplicht im Gesundheitsbereich wurde von der Regierung in Rom eingeführt.

Hier folgt der offene Brief im Wortlaut:

Sehr geehrte Landes- und VolksvertreterInnen, sehr geehrter Landeshauptmann Arno Kompatscher, sehr geehrter SVP Obmann Philipp Achammer, sehr geehrte Direktorin Ulrike Egger, sehr geehrte Medien und sehr geehrte Bevölkerung,

wir sind SchülerInnen der Landesfachschule „Hannah Arendt“ und wir befinden uns mitten in der Ausbildung zum/r SozialbetreuerIn, PflegehelferIn; KinderbetreuerIn, MitarbeiterIn für Integration, MitarbeiterIn für Arbeitsinklusion, pädagogische MitarbeiterInnen, Tagesmutter bzw. -Vater. Wir alle haben diesen Weg gewählt, weil wir die Arbeit mit Menschen lieben, weil wir Menschen in verschiedensten Lebenssituationen begleiten und unterstützen möchten und weil wir wissen, dass einige Menschen auf uns angewiesen sind und uns brauchen. Wir sind uns sicher, dass früher oder später jeder von Ihnen oder jemand ihrer Angehörigen einmal unsere Hilfe brauchen wird.

Momentan stehen wir aber vor einer großen Herausforderung, die uns vor eine wichtige Entscheidung stellt, denn seit dem 15. Oktober 2021 wird es für uns SchülerInnen immer schwieriger in Altersheimen, Werkstätten und Wohnheimen für Menschen mit Beeinträchtigung oder psychischen Erkrankungen ohne die Impfung gegen COVID-19 einen Praktikumsplatz zu finden und dort auch ohne Impfung zu arbeiten. Genau das ist der Punkt! Wir werden dazu gezwungen uns zu entscheiden: Die Impfung oder ein Ausbildungsabbruch, denn ohne absolvierte Praktika ist ein bestandenes Schuljahr unmöglich.

Wir finden es weder in Ordnung noch vertretbar, dass uns jungen Menschen solche Steine in den Weg gelegt werden, zumal wir alle über die Situationen und den Personalmangel, besonders jetzt in Zeiten der Pandemie und Suspendierungen in sozialen Einrichtungen Bescheid wissen. Die Regierung ruft auf, dass mehr junge Menschen diesen Berufsweg wählen sollten, denn dieses Berufsbild ist für die Zukunft besonders wichtig. Aber warum genau sollten junge Menschen diesen Weg wählen, wenn die Entscheidungen der Regierung uns diesen Weg so erschwert. Davon abzusehen, dass die Bezahlung unserer Berufsbilder nicht unserer Leistung entspricht, soll jetzt auch noch die Impfung gegen COVID-19 Pflicht werden? Wie stellen sie sich das vor? Einigen von uns wurde kurz vor Beginn des Praktikums, wir sprechen von 1- 2 Tagen, mitgeteilt, dass ein Praktikum ohne Impfung doch nicht möglich sei, aber wie kann das sein? Uns wurde gesagt, dass wir das Praktikum mit regelmäßigem Testen antreten können und davon sind wir ausgegangen. Wie soll man sich so kurzfristig nach einem alternativen Platz umsehen, denn das alles braucht Organisation und Zeit. Wir haben uns zusammengeschlossen, weil wir uns wehren und auf unser Problem aufmerksam machen wollen. Wir wollen auch aufzeigen, dass dieser Berufsweg für einige von uns auf der Kippe steht, nur weil wir dazu gezwungen werden, uns einer Impfung zu unterziehen, die wir aus persönlichen Gründen für uns abgelehnt haben. Wir wollen zeigen, dass unter uns (minderjähriger) SchülerInnen sind, die vor einer Zukunft ohne Abschluss stehen und deshalb ihren Traumberuf nicht ausüben können, all das nur, weil wir uns dafür entschieden haben, für unser Recht einzustehen. Wir sind keine Risikogruppen und verstehen deshalb die Entscheidung unserer VolksvertreterInnen nicht. Außerdem können wir nicht verstehen, wie in einer Demokratie persönliche Meinungen und Entscheidungen nicht angehört und erst recht nicht akzeptiert werden. Wir werden vor vollendete Tatsachen gestellt, die uns zu einer Entscheidung stellt. PraktikantInnen, die sich nicht impfen möchten, werden ausgegrenzt und ihnen wird nachgesagt, dies wäre nicht der richtige Berufsweg, dass es nicht der richtige Berufsweg wäre! In unserem Beruf geht es um das Wohl der Menschen. Doch auch wir sind Menschen und warum müssen wir unser Wohl hintenanstellen? Wir werden als Personen abgestempelt, denen das Wohl unserer Betreuungspersonen egal ist und wir würden ihre Gesundheit riskieren, wenn wir uns nicht impfen lassen. Aber wurde nicht offengelegt, dass die Impfungen nicht vor Ansteckung und Übertragung schützen? Würde ein regelmäßiges Testen dann nicht viel effektiver und verantwortungsvoller sein?

Unsere Schule ist nach der bekannten Philosophin und Publizistin Hannah Arendt, benannt. Wir richten uns nach ihren Zitaten „Gewalt beginnt, wo das Reden aufhört.“ (Hannah Arendt) und „Man darf sich nicht ducken. Man muss sich wehren“ (Hannah Arendt). Wir sind nicht still und wir erheben unsere Stimme. Wir wissen: „Jemand, der weiß, dass er widersprechen kann, weiß auch, dass er gewissermaßen zustimmt, wenn er nicht widerspricht“ (Hannah Arendt). Wir folgen unserem Herzen und hören auf unseren Verstand, denn wir wissen, dass es nicht in Ordnung ist jemandem seine Meinung aufzudrängen und ihn indirekt und direkt dazu zu zwingen, sich dieser anzuschließen.

·         Wir appellieren an unsere Schule, die nach der bewundernswerten Hannah Arendt benannt ist, sie sich als Leitbild zu nehmen und nach ihr zu handeln, denn ihre Worte sind wahr, und falls das nicht geschieht, bleibt unsere SchülerInnenstimme dennoch erhoben.

Wir fordern von unserer Schule, der Direktorin und unseren gewählten VolksvertreterInnen endlich mehr Standhaftigkeit zu beweisen, mehr zu hinterfragen und nicht alles so hinzunehmen und endlich für unsere Rechte einzustehen, denn wir kennen unsere Rechte und das sollten Sie auch!

Wir wünschen uns, dass alle SchülerInnen die Ausbildung absolvieren können und keine Unterschiede gemacht werden, egal ob geimpft oder ungeimpft, denn wir gehören auch zu Ihrer Zukunft!

Die Landtagsabgeordneten der Süd-Tiroler Freiheit, Sven Knoll und Myriam Atz-Tammerle, sprechen den Schülern ihre volle Solidarität aus. Es sei verwerflich, jungen Menschen ihre Ausbildung zu verwehren und sie nicht zu Praktikumsplätzen zuzulassen, nur weil sie sich lieber regelmäßig testen lassen wollen, erklärt die Bewegung.

Von: mk

Bezirk: Bozen