Verwaltungsgericht verbietet Abschuss von JJ4 erneut

„Koexistenz mit Wolf und Bär war ein Irrglaube“

Freitag, 14. April 2023 | 12:18 Uhr

Bozen/Caldes/Trient – Der tödliche Bärenangriff im Trentino zeigt für den Südtiroler Bauernbund auf, welche Gefahr von Großraubtieren für die Bevölkerung ausgeht. „Mit dem tragischen Tod des jungen Mannes ist das Schlimmste passiert, um vor Augen zu führen, wovor wir immer warnen“, erklärt SBB-Landesobmann Leo Tiefenthaler, „eine Koexistenz mit Wolf und Bär ist nicht möglich. Dieser Irrglaube ist mit dem tödlichen Bärenangriff endgültig überholt.“

Der Südtiroler Bauernbund hat stets vor der Gefahr durch Großraubtiere nicht nur für die Nutztiere, sondern auch für die Menschen im ländlichen Raum gewarnt. Die Region Südtirol-Trentino und die Zentralalpen überhaupt würden zu den am dichtesten besiedelten Bergregionen der Welt gehören. Dazu kämen jährlich Millionen Touristen, die sich in der Natur aufhalten. „Bär und Wolf gehören nicht mehr hierher, denn für sie fehlt schlicht der Platz“, sagt Tiefenthaler.

Das gelte umso mehr, wenn wie bisher Bestände nicht reguliert werden und nicht einmal gegen Problemtiere vorgegangen werde, die sich Menschen und Gehöften nähern oder sogar Personen angegriffen haben. „Neben den Bären bedeuten ebenso Wölfe eine Gefahr für die Sicherheit der Menschen im ländlichen Raum“, erinnert Tiefenthaler. „Auch im Zusammenhang mit Wölfen gab es in der Vergangenheit bereits brenzlige Situationen, bei denen Wanderer und Hirten zu Schaden hätten kommen können.“

Dass irgendwann ein Angriff eines Großraubtiers weniger glimpflich ausgehen würde als in den vergangenen Jahren, war zu erwarten, weil nichts gegen diese gefährlichen Tiere unternommen wurde. „Die Verantwortlichen haben auf die Warnzeichen nicht reagiert und das Bärenprojekt ohne Einschränkung weiterlaufen lassen. Leider hatte diese Untätigkeit mit dem Tod des 26-jährigen Andrea Papi die schlimmstmögliche Folge.“

Der tödliche Bärenangriff müsse eine Zäsur im Umgang mit Großraubtieren hierzulande sein, fordert der Bauernbund. Die Verantwortlichen und die Allgemeinheit, die für Bestandskontrolle und Entnahmen sind, dürften sich von einer Minderheit radikaler Tierschützer nicht mehr länger aufhalten lassen. „Gewisse extreme Tierschützer sind unverbesserlich und werden kategorisch gegen jeden Abschuss vorgehen, egal was passiert“, bedauert Tiefenthaler.

Der SBB-Landesobmann fordert die Verantwortlichen auf, gegen die unbeschränkte Zunahme der Bären- und Wolfspopulation vorzugehen. „Wir brauchen jetzt ein rigoroses Management mit Bestandsregulierung, Ausweisung von Weideschutzzonen und Entnahmen von gefährlichen Tieren, die ihre Scheu verloren haben und Menschen bedrohen oder Nutztiere reißen.“

Tun die Verantwortlichen erneut nichts, werde es weiter zu gefährlichen Begegnungen, auch mit Wölfen, kommen, bei denen irgendwann wieder ein Mensch getötet werde, so der Bauernbund.

Verwaltungsgericht verbietet Abschuss von JJ4 erneut

Nach der tödlichen Bärenattacke im Trentino gehen die Wogen erneut hoch. Das Verwaltungsgericht hat die Anordnung von Landeshauptmann Maurizio Fugatti, das Tier zu erlegen, aufgehoben – bereits zum zweiten Mal.

In der vergangenen Woche wurde der 26-jährige Jogger Andrea Papi tot an einem Forstweg in der Trentiner Gemeinde Caldes in einem bei Wanderern und Touristen beliebten Tal (Val di Sole) gefunden. Wie mittels wissenschaftlicher Analysen nachgewiesen werden konnte, hatte die bereits mehrfach auffällig gewordene Bärin JJ4 den Mann getötet.

Die Bärin ist 17 Jahre alt. Das Tier ist eine Nachkommin zweier Bären, die aus Slowenien stammen und zwischen 2000 und 2001 im Rahmen des Life Ursus-Projekts ins Trentino gebracht worden waren. Sie ist außerdem die Schwester des 2006 in Bayern erschossenen “Problembären” Bruno.

JJ4 hat bereits in der Vergangenheit Menschen attackiert: Am 22. Juni 2020 wurden auf dem auf dem Monte Peller ein Vater und sein Sohn angegriffen. Die Trientner Landesregierung hat damals den Abschuss der Bärin verlangt. Der Beschluss wurde allerdings vom Verwaltungsgericht annulliert.

Nun hat das Verwaltungsgericht dieselbe Entscheidung erneut getroffen – obwohl diesmal ein Mensch aufgrund einer Bärenattacke ums Leben gekommen ist. Dies teilt die Liga gegen Tierversuche LAV auf den eigenen Social Media-Kanälen mit. Die Vereine LAV und LAC, die bereits zuvor den Abschussbefehl scharf kritisierten, hatten bei dem Gericht Berufung eingelegt. Dem Dekret zufolge wird es am 11. Mai eine Anhörung vor dem Gericht in Trient geben.

Fugatti hatte seinen ersten Beschluss zum Abschuss der Bärin am 24. Juni 2020 erlassen. Ein weiterer Beschluss zur Gefangennahme des Tieres war am 11. August 2020 unterzeichnet worden. Wie der Landeshauptmann erklärt, habe der Staatsrat auch diesen Beschluss gekippt. Das Verwaltungsgericht von Trient hatte daraufhin das Urteil übernommen.

In Italien hat sich seit dem Tod des Trentiner Joggers die Debatte um das Zusammenleben von Bär und Mensch indes zugespitzt. Die Provinz will die Bärin töten und generell die Bärenanzahl in dem Gebiet massiv verringern. Tierschutzvereine kritisieren die Pläne. Der Tierschutzverein LAV kommentierte das Dekret des Gerichts bei Twitter so: „Die Bären und Bürger des Trentino haben das Recht, in Frieden zusammenzuleben!“

Von: mk

Bezirk: Bozen