Von: mk
Bozen – Heute Morgen ist im Südtiroler Landtag die Generaldebatte zu den drei Gesetzentwürfen zum Haushalt (LGE Nr. 65/20, Nr. 66/20 u. Nr. 67/20: ) wieder aufgenommen.
Um die Folgen der ersten Covidwelle aufzufangen habe man 428 Mio. Euro veranschlagt, bemerkte Paul Köllensperger (Team K), heute merke man, dass das nicht genug sei. Man merke, dass es auch Änderungen brauche, unter anderem eine Digitalisierung, aber nicht eine, die den Bürgern das Leben erschwert. Die Zukunft hänge davon ab, wie weit man in Innovation investiere und wie weit eine Neuorientierung bestimmter Wirtschaftszweige gelinge. Umso wichtiger sei eine Umschulung, um die Arbeitsplätze zu erhalten. Man hätte sich auch Gedanken machen können, was mit unserer Obstwirtschaft passiert, mit dem Tourismus usw. Auch das Sanitätswesen sei nicht auf die digitale Zukunft vorbereitet worden. Gleichzeitig leide man unter der Abwanderung von Leistungsträgern, von jungen Akademikern, die nicht mehr zurückkehrten. Im europaweiten Ranking der wettbewerbsfähigen Regionen liege Südtirol im unteren Mittelfeld, hinter dem Trentino. Das sei inakzeptabel bei einem so hohen Haushalt, das zeuge von wenig Effizienz. Die heurige Haushaltsrede des Landeshauptmanns sei inhaltlich dieselbe wie 2019, die Ermahnung zur Erneuerung finde sich im Haushalt nicht wieder. Das “Weiter so” gehe davon aus, dass die Einnahmen weiter die gleichen blieben, aber auf die Solidarität Roms dürfe man nicht dauerhaft bauen. Bei weiterhin steigenden laufenden Kosten müsse man dringend Prioritäten setzen, weil man nicht mehr alles finanzieren könne. Das Sparen sollte nicht der Logik des politischen Gewichts, sondern der Zukunftsfähigkeit folgen. Nutzen und Effekt der Transferzahlungen seien zu analysieren. Laut Tortengrafik zum Haushalt seien nur neun Prozent effizient, ein Desaster. Bei der Spending Review seien die heißen Eisen ausgeklammert worden. Südtirol brauche im Vergleich viel mehr Geld, um dasselbe Gesundheitswesen zu bieten wie andere. Heuer habe noch einmal alles zusammengekratzt, und man werde Schulden machen, um weiterzumachen wie bisher. Man gebe heute also Ressourcen der Zukunft aus. Dies wäre in Ordnung, wenn es um Investitionen in eine bessere Zukunft ginge. 47 Projekte für 2,4 Mrd. seien zur Inanspruchnahme des Recovery Fund vorgelegt worden. Man frage sich, wer das entschieden habe und warum so wichtige Vorhaben am Landtag vorbeigingen.
Im Haushalt selbst stehe nichts Neues, auch weil die SVP selbst ein prekäres Gleichgewicht zwischen Interessen habe. Der Landeshauptmann habe es trotz aller Vorzugsstimmen nicht geschafft, sei ehrlich gemeintes Versprechen von Reformen durchzusetzen. Der Reformwille sei auch in diesem Haushalt nicht erkennbar. Man stelle heilige Kühe nicht einmal in Frage. Man denke nur an die Legislaturperiode, nicht an langfristige Erfordernisse. Langsam steuere man aus dieser Viruskrise heraus und in die Klimakrise hinein. Es werde neue Modelle der Grundsicherung brauchen, wenn bestimmte Arbeiten nicht mehr gefragt seien. Man habe gesehen, dass einige der schlechtbezahltesten Berufe systemrelevant seien, dass Digitalisierung möglich sei, dass man die Umweltbelastung senken könne – aber die Politik habe nicht die Kraft, den Weg aufzuzeigen. Das alles im Kontext eines Staates, der auf 160 Prozent Schulden hinsteuere und uns mit neuen Steuern belasten werde. Auch in Rom habe man eine Spending Review versucht, sei aber an Widerständen gescheitert, auch aus der Verwaltung. Südtirol steuere als rote Zone auf Weihnachten zu und habe ins Haushaltsgesetz nichts hineingeschrieben, um uns etwas mehr Freiheit herauszuholen. Vielleicht schaffe man es, den Südtiroler günstige Antigentests zu bieten, damit sie sorglos mit ihren Verwandten Weihnachten feiern könnten.
Man hoffe, dass 2021 die Pandemie ende, aber das Jahr werde von Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit gekennzeichnet sein. Auf die Zeit nach der Covidkrise sei man nicht vorbereitet.
LR Arnold Schuler wies darauf hin, dass alle Bereiche der Verwaltung Teil desselben Haushalts seien. Forderungen da würden Kürzungen dort voraussetzen. Es gebe den Vorwurf, dass wieder die Wirtschaftslobby gewonnen habe, während die Mittel für die Wirtschaft von Jahr zu Jahr zurückgegangen seien, aufgrund von politischen Entscheidungen, aber auch aufgrund von Entwicklungen, etwa der Kostensteigerung bei der Pflege. Dazu kämen noch die Sonderausgaben zur Coronakrise. Der Landeshauptmann sei bemüht, Geldmittel für aktuelle Notstände bereit zu haben, die noch nicht im Haushalt eingeflossen seien. Es werde auch in den großen Bereichen des Haushalts Einschnitte geben müssen. Das Budget für die Landwirtschaft gehe vor allem an die Berglandwirtschaft, die Mittel für diesen Bereich, die von Rom oder Brüssel kämen, seien hingegen auch für die größeren Betriebe gedacht – deshalb müsse das Land beisteuern, um das Ungleichgewicht durch die internationale Förderung abzufangen. Bei der Forstwirtschaft seien die Mittel in den vergangenen Jahren laufend reduziert worden. Für die Instandhaltung des ländlichen Wegenetzes würde es mehr Mittel brauchen, die man erst noch finden müsse. Für Investitionen beim Bevölkerungsschutz sei in diesem Haushalt auch noch nichts vorgesehen; auch da werde man nachbessern müssen. Man habe heuer zweimal extreme Niederschläge gehabt. Dass es nicht zu größeren Katastrophen gekommen sei, habe man den Investitionen der letzten Jahre zu verdanken. Der Tourismus habe heuer extrem gelitten aufgrund der Pandemie. Man müsse alles daransetzen, dass die Betriebe diese Krise überleben, sie seien ein wichtiger Teil der Wertschöpfungskette des ganzen Landes. Auch hier werde es zusätzliche Mittel brauchen, dazu gebe es auch Verhandlungen mit Rom. Staffler habe der Landesregierung Untätigkeit beim Schutz der Artenvielfalt vorgeworfen. Südtirol habe als Land im Zentrum der Alpen eine einmalige Artenvielfalt, es sei unterteilt in unterschiedliche Lebensräume, Natur- und Kulturlandschaften. Auch letztere hätten eine weit größere Artenvielfalt als viele andere Länder. Man sei dabei, aufbauend auf vorliegenden Daten, eine genauere Erhebung durchzuführen. Es gebe bekannte Problemzonen, wo man auch reagiere. Man sei auch im Bodenschutz aktiv. Studien der Uni Innsbruck und der Eurac hätten ergeben, dass die Qualität im Obst- und Weinbau gut sei, nur der Waldboden sei besser. Er wolle die Dinge nicht beschönigen, er wolle sie aber so darstellen, wie sie die Wissenschaft sehe. Sicher seien auch in Südtirol Arten vom Aussterben bedroht, und dem müsse man entgegenwirken, aber allgemeine Verurteilungen der Landwirtschaft könne er nicht akzeptieren.
Begriffe wie Inkubationszeit, RT und PCR hätten heuer unseren Alltag begleitet, bemerkte Andreas Leiter Reber (Freiheitliche). Der Landeshaushalt leide heuer unter zwei Symptomen: Adiposität bei der Summe und Insuffizienz bei den Investitionen, und diese Symptome seien chronisch. Ein Großteil seien laufende Ausgaben, und das verhindere Reformen. Die Gesundheitspolitik sei zu überdenken, das sage man seit 20 Jahren. Die Landesregierung habe nicht optimal reagiert, auch wegen der Kraft der Lobbys. Man könne nicht das Geld für die Wirtschaft kürzen, während sie am stärksten von der Krise betroffen sei. Die Landesregierung schaffe es nicht, fragliche Ausgaben anzugehen, um Platz für wichtige Änderungen zu schaffen. Jedes Ressort müsse durchforstet werden, um effizienter arbeiten zu können. Die Krise habe vor allem den Landeshauptmann gezwungen, schwierige Entscheidungen zu treffen. Die Pandemie habe vor allem die Schwächsten getroffen, abseits von Lobbys und Parteien. Manche seien verstorben, ohne sich von den Angehörigen verabschieden zu können. Im März seien alle überrascht worden. Aber man wusste bereits damals, dass die Senioren zu den Hochrisikogruppen gehören. Südtirol habe es, wie auch andere Regionen, nicht geschafft, sie zu schützen. Man hätte die Altenheime sofort dem Gesundheitswesen unterstellen sollen, damit dieselben Vorsichtsmaßnahmen greifen – das habe er bereits damals vorgeschlagen. Er habe auch erfahren, dass die Pflegekräfte in den Heimen nur zweimal getestet wurden, im März und im November. Die völlige Abschottung, wenn das Virus bereits in den Heimen sei, sei nicht verhältnismäßig.
Leiter Reber berichtete von einer Frau, die aus Krankheitsgründen ihren Betrieb schließen musste und keinen Beitrag bekommen habe. Sie habe um einen Kredit angesucht, aber die Banken hätten dieselben Kriterien wie vor der Krise angewandt – während LR Achammer betont habe, niemand würde zurückgelassen. Die diesbezüglichen Vorschläge der Opposition seien nicht gehört habe. Man vergesse, wer die Sozialleistungen in diesem Lande finanziere. Die harten Einschränkungen für die Wirtschaft seien sicher nicht leichtfertig getroffen worden. Aber niemand sei in die Politik gezwungen worden, und hinter der Landesregierung stehe ein großer Verwaltungsapparat, der helfen sollte, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die Bürger würden den Frontalunterricht nicht mehr akzeptieren. Er habe den Eindruck, dass LH Kompatscher und LR Achammer im Frühjahr, als es wieder aufwärts gegangen sei, die täglichen Pressekonferenzen nicht unangenehm waren. Bei der zweiten Welle habe die Außenwirkung ganz anders ausgesehen. Der Landeshauptmann sei für die schlechten Nachrichten zuständig gewesen, während sich Achammer aufs Positive konzentriert habe. Was die Südtiroler mehr geärgert habe, sei das Verhalten der Landesregierung während der zweiten Welle gewesen. Man habe gewusst, dass eine zweite Welle kommen würde, nur nicht so schnell und so stark. Man hätte sich erwartet, dass ein Pandemieplan erstellt würde, mit den Einschränkungen, die man zu den jeweiligen Infektionszahlen zu erwarten habe. Es wäre für Familien, Schulen und Betriebe wichtig gewesen, wenn sie eine Vorwarnzeit gehabt hätten. Die Südtiroler seien duldsam und begehrten selten auf. Nicht die zweite Welle hätte mit dem Pandemieplan verhindert werden können, wohl aber das Chaos bei den Einschränkungen. Auch der Erfolg des Screenings sei durch chaotische Kommunikation gefährdet worden. Alle vernünftigen und verhältnismäßigen Maßnahmen zur Pandemie seien zu unterstützen. Eine Stärkung des Immunitätssystems im Winter wäre sinnvoll, dazu gehöre auch Bewegung im Freien, Skifahren, Rodeln usw.; damit könne man auch Arbeitsplätze sichern. Das Problem sei mehr die Einkehr nach dem Skifahren.
Man müsse danach trachten, dass das Land Schulden aufnehmen könne, nicht nur über das WOBI oder die STA, um die Wirtschaft in dieser Krise zu stützen. Nicht alle Sektoren seien betroffen, viele stark, viele gar nicht. Die Verzögerungen durch das Raumordnungsgesetz seien für viele härter als die Coronaeinschränkungen. In der Wohnbaupolitik müsse es das Ziel sein, dass Durchschnittsverdiener sich ohne Beitrag eine Wohnung leisten könnten. LR Deeg habe es nicht notwendig, das Gesetz bis vor die Wahlen hinauszuzögern, sie werde trotzdem gewählt.
Er erwarte sich nicht, dass der Landeshauptmann den Weg der Unabhängigkeit einschlage, aber er sollte den Auftrag, den er vom Autonomiekonvent erhalten habe, ausführen. Man sehe immer wieder die Grenzen der Autonomie. Um Möglichkeiten für ihren Ausbau auszuloten, brauche es auch den Willen dazu. Positiv sah Leiter Reber die Errichtung des Amtes für Sprachangelegenheiten, dies könne eine aktive Säule der Autonomie werden und sollte auch im Einvernehmenskomitee sein. Leiter Reber ging in seiner Rede auch auf die Stellungnahmen der Opposition ein. Staffler habe den Drang, sich als bürgerlich darzustellen, in fünf Minuten zunichtegemacht. Bei Enzian frage er sich, ob das “n” für “narrisch” stehe und auch die Lega habe nicht überzeugt.
Die Reden von Carlo Vettori, Helmut Tauber und Rita Mattei
Carlo Vettori (Alto Adige Autonomia) sah den Haushalt als Produkt eines schwierigen Jahres voller Herausforderungen. Die Landesregierung habe gezeigt, dass sie reagieren könne. Das Screening sei ein Modell für Italien und Europa gewesen. Die Pandemie habe Ungleichheiten offengelegt, auch eine Ungleichbehandlung durch die Regierung: Strände seien wichtiger gewesen als Skipisten. Die Bemühungen der Landesregierungen seien durch Rom oft zunichte gemacht worden. Unsere Bevölkerung habe sich an die Regeln gehalten, während sie im Fernsehen die Massenansammlungen in Neapel sehen musste. Für Arbeit und Wirtschaft kämen schwierige Zeiten, es brauche eine Spending Review mit Blick auf den Wiederaufschwung. Man müsse unabhängig von einer Staatsregierung bleiben, die sich immer mehr gegen die Autonomie stelle.
Helmut Tauber (SVP) wies auf die Existenzängste in der Bevölkerung hin. Die Pandemie habe uns noch voll im Griff, die Fallzahlen würden runtergehen und dann gleich wieder hoch, die Senioren seien verzagt, die Jugend frustriert. Die Bildung sei eingeschränkt, die Kultur stehe still. Die Menschen sorgten sich um ihren Arbeitsplatz, die Betriebe um ihre Existenz. Geschäfte und Restaurants würden auf- und wieder zusperren, und Italien mache es uns mit seinen Verordnungen nicht leichter. Im Tourismus lägen die Nerven blank, und heute werde die Regierung wieder die Rote Zone beschließen. Es brauche Hilfen und konkrete Unterstützung aus dem Haushalt. Der Tourismus sei derzeit der Buhmann der Nation, zuständig für alle Infektionsherde, aber das sei falsch. Die Touristen seien schon lange wieder weg. Man müsse jetzt aber in die Zukunft blicken: noch besseres Testen, effizientere Quarantäne, Schutz der Risikogruppen. Diese Krise werde zur Zerreißprobe, in Familien, Schulen, Betrieben. Die Landesregierung habe mit diesem Haushalt einen Kraftakt vollbracht. Er sei so groß wie nie, und dennoch sei die Decke zu kurz. Er müsse aber deponieren, dass die Wirtschaft, und besonders der Tourismus, unverdient zu kurz komme. Mittelfristig werde es unpopuläre Entscheidungen brauchen. Der Lockdown in Deutschland und Italien werfe einen langen Schatten auf die Wintersaison, auf das Einkommen der Tourismusbetriebe, der Läden und aller Betriebe, die davon abhingen. Daher brauche es neue Mittel für die schwer betroffenen Betriebe, neue Abkommen zur Kreditsicherung. Die GIS müsse dem Gastgewerbe auch für 2021 erlassen werden. Viele Betriebe seien bis zu 10 Monate geschlossen gewesen, das sei nicht verkraftbar. Das IDM sei für die Branche sehr nützlich und sei ebenso wie die Tourismusorganisationen zu unterstützen. Das Land müsse die sog. “Ristori-Dekrete” aufstocken, und man müsse auch die Möglichkeit schaffen, auf besondere Fälle wie Startups einzugehen. Die Senkung der Irap sei eine große Hilfe. Bei der Raumordnung habe man den richtigen Weg eingeschlagen, aber man sollte für die weitere Entwicklung mit den Branchen reden, z.B. über die Kriterien. Einen Austausch werde es auch zur Tourismusförderung brauchen.
Die 47 Projekte mit Mitteln aus dem Recovery Fund seien sehr hilfreich. Hier könne man einen gewaltigen Schub bei Digitalisierung, Mobilität und Nachhaltigkeit schaffen. Auch die Konzessionsverlängerung für die A22 sei sehr wichtig. Es gehe darum, Projekte zum Lärmschutz umzusetzen, um die Raststätten zu verbessern, den Umwegverkehr zu vermeiden. Es sei insgesamt ein solider Haushalt, der viele Perspektiven eröffne. Tauber dankte schließlich dem Landeshauptmann für seinen unermüdlichen Einsatz in dieser Krise, der Landesregierung, dem Fraktionssprecher, aber auch den vielen, die in dieser schwierigen Zeit in der Sanität, in der Schule u.a. im Einsatz waren.
Es sei angemessen, dass der Landtag ausführlich über diese Krise diskutiere, eine der größten, mit der dieses Land konfrontiert worden sei, erklärte Rita Mattei (Lega Salvini Alto Adige Südtirol). Die Pandemie werde nicht so schnell verschwinden, Aufgabe der Politik sei es, die Folgen abzufedern. Im Vergleich zu anderen Regionen habe das Land viel getan, um Familien und Betriebe in dieser Krise zu unterstützen. Die Kritik sei verständlich, weil die Menschen wirklich verzweifelt seien, aber man dürfe sich dadurch nicht entmutigen lassen. Wie Rom die Krisenhilfen – die 600 Euro, den Lohnausgleich – umgesetzt habe, sei beschämend. Das Land sei eingesprungen und habe teilweise vorgestreckt. Nun, in der zweiten Welle, stünden die Betriebe am Rande ihrer Existenz. Man dürfe der Bevölkerung nicht vorgaukeln, dass die Gefahr vorbei sei, das könne man erst nach der Impfung hoffen. Südtirols Wirtschaft hänge zum großen Teil vom Tourismus ab, und dieser sei schwer getroffen. Die Auswirkungen würden noch lange anhalten. Bei den Vorschriften aus Rom kenne man sich nicht mehr aus. Trotz Autonomie müsse man auf die römischen Vorgaben Rücksicht nehmen. Dieselben Kriterien für gänzlich unterschiedliche Gebiete seien nicht sinnvoll, und sie sei zuversichtlich, dass auch der Landeshauptmann das so sehe. Mattei sprach der Bevölkerung einen großen Dank aus, sie habe Verantwortungssinn gezeigt und verdiene Vertrauen. Nicht nur Südtirol verlange einen eigenen Weg für die Krise, während manche Regionen die Verantwortung auf Rom abschieben möchten. Die Gratwanderung zwischen Gesundheitsschutz und Existenzsicherung sei nicht leicht, auch weil man die Wirkung der Maßnahmen erst spät sehe. Das Screening sei hilfreich gewesen, um Asymptomatische zu isolieren. Bei der genannten Gratwanderung sei nur ein Kompromiss möglich. Die 4 bisherigen “Ristori-Dekrete” hätten einen begrenzten Wirkungsbereich, sie lösten nicht wirklich viel. Wenn die Regierung die Betriebe schließe, müsse sie auch für den Ausgleich sorgen. Sobald man die entsprechenden Maßnahmen kenne, könne man auch in Südtirol zielgerichtet eingreifen.
Die psychischen Auswirkungen der Krise dürften nicht vergessen werden. Das Smart Working sei für viele Frauen eine Belastung gewesen, die auch die Kinder zu versorgen hatten, die nicht mehr zur Schule durften. Die Flüchtlingskrise bestehe weiterhin, und sie habe auch ihre Auswirkungen auf die Coronakrise: Die Bürgermeister seien dadurch auch mit Leuten konfrontiert, die sich nicht an die Coronaregeln hielten. Foppa habe die frühere Wiederöffnung im Frühjahr kritisierte. Mattei zeigte sich hingegen stolz auf diese Maßnahmen. Es sei für sie klar, dass jede Region nach ihren Gegebenheiten vorgehen müsse. Die Entscheidung sei richtig gewesen, denn im Anschluss seien die Zahlen nicht wieder nach oben. Dello Sbarba habe den hohen Prozentsatz an Eigenheimen kritisiert, sie sehe darin hingegen einen Erfolg. Repetto werfe der Rechten vor, sie wolle die Reichen auf Kosten der Armen reicher machen. Wenn das so wäre, würden die Arbeiter nicht Lega statt PD wählen. Der PD solle sich fragen, warum er die Arbeiter verloren habe. Mattei dankte hingegen Ulli Mair, die für mehr Zusammenarbeit plädiert habe. Die Landesregierung habe gut gearbeitet, auch wenn man immer verbessern könne. Sie forderte LH Kompatscher schließlich auf, viele, sich abwechselnde Verordnungen zu vermeiden. Die Debatte wird am Nachmittag wieder aufgenommen.
Die Reden von Alessandro Urzì und Gerhard Lanz
Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia) erinnerte daran, dass die Landesregierung eigene Unterstützungsmaßnahmen angekündigt habe, um nicht auf Rom warten zu müssen. Er habe daher eine Tagesordnung vorgelegt, mit der auch auf die anstehenden römischen Dekrete verwiesen werde, damit die Betriebe von Bozen mindestens dasselbe bekämen, wenn sie aufgrund von Landesbestimmungen schließen müssten.
Gerhard Lanz (SVP) dankte allen, die in dieser Krise Einsatz gezeigt hätten. Politik und Verwaltung hätten einfache Regeln erlassen, zu Abstand und Hygiene, und gleich habe man von Einschränkung der Freiheit geredet. In Südtirol sei man gewohnt, alles sofort zu haben. Manchmal habe die Solidarität gefehlt, manche hätten nur an sich und ihren Bereich gedacht, nicht nur die Wirtschaft. In der Politik komme auch jeder aus einem bestimmten Bereich, trotzdem seien die Entscheidungen nach objektiven Kriterien gefallen. Nachher könne man leicht gescheiter sein, erst später werde man wissen, was richtig war. Der SVP werde mangelnde Zusammenarbeit vorgeworfen, aber er sei immer erreichbar, und trotzdem habe kaum jemand den Dialog gesucht. Die Tür sei offen, aber bei 32 Tagesordnungsanträgen kämen ihm Zweifel. Man habe bereits im April Zusammenarbeit geboten, aber das sei nicht angenommen worden. Nun höre man, dass die Entscheidungen der Landesregierung von Lobbys beeinflusst seien. Unternehmerverbände wie Gewerkschaften hätten die Möglichkeit, ihre Anliegen vorzubringen, daran sei nichts Schlechtes. Sehr oft seien in diesen Monaten Aussagen verdreht worden, um Politik zu machen. Die Frage sei nicht, ob das legitim sei, sondern ob es in dieser Zeit legitim sei, in der Leute Existenzängste hätten.
Man habe einen Übergangshaushalt vor sich. In dieser Zeit müssten Weichen für die Zukunft gestellt werden. Unverständlich sei die Kritik, dass hier alles falsch laufe. Das Land sei gut entwickelt. Man müsse den Mut haben, diesen Weg weiter zu beschreiten. Dieser Haushalt gebe eine gewisse Stabilität und Zuversicht. Man sollte die Lösung so gestalten, dass jeder Südtiroler Teil dieser Lösung sein könne. Daher sei die Lösung aufzuteilen in kleine Einheiten, einzelne Maßnahmen, um gezielt auf die Situationen einzugehen. Viele Südtiroler wollten jetzt aktiv etwas tun, das habe man beim Test gesehen und auch bei den großen Schneefällen. Diese Menschen dürfe man nicht vor Hindernisse stellen, man würde ihnen die Motivation nehmen. Lanz rief schließlich erneut zum politischen Dialog auf.
Replik der Landesregierung
LR Philipp Achammer sprach von der Schwierigkeit des Kompromisses in solchen Krisen. Die Politik müsse den Ausgleich der Interessen suchen, und zu seinen Aufgaben gehöre es auch, die Interessen der Jugendlichen zu vertreten. Er habe für den Präsenzunterricht gekämpft, nicht auf der Suche nach Applaus, sondern weil ihm von den Unzulänglichkeiten des Fernunterrichts berichtet worden sei. Er höre auch die Hilferufe der Jugendzentren und -vereine. Die Landesregierung habe auch das Mögliche getan, um eine Aufbesserung für die Lehrer zu erreichen; aber wegen eines negativen Gutachtens der Landesprüfstelle sei das nicht möglich gewesen, obwohl die 10 Mio. schon bereit gewesen wären, um den Lehrern die Kosten der Digitalisierung zu ersetzen.
Der Landesregierung werde vorgeworfen, sie habe sich nicht auf die Krise des Arbeitsmarkts vorbereitet. Aufgrund der Krise habe man sich prioritär mit der Arbeitslosenunterstützung beschäftigen müssen, aber nun müsse es um aktive Vermittlung gehen. Zur Unterdotierung des Wirtschaftsbudgets erklärte Achammer, dass man leider keinen so finanzstarken Staat hinter sich habe. Wenn die Wirtschaft 80 Prozent des Umsatzes fordere, dann könne das Land nicht das ersetzen, was der Staat nicht leiste. Man könne nicht jene Betriebe retten, die schon vor der Krise auf wackeligen Beinen gestanden hätten, man müsse versuchen, die gesunden Betriebe zu retten. Die Unterstützungsmaßnahmen des Landes hätten im Frühjahr und Sommer sehr geholfen, aber nun stünden viele wieder vor dem Abgrund. In Tirol bekomme ein freischaffender Künstler mehr als in Südtirol. Italien sei ein großartiges Kulturland, aber es gebe keine Absicherung für Künstler, in Österreich schon. Südtirol allein könne das nicht stemmen. Daher schlage er einen Vorsorgefonds vor. Die geforderte mehrjährige Unterstützung für die Vereine sei bereits eingeführt.
LR Maria Hochgruber Kuenzer stellte in Abrede, dass der Reformwille fehle. Bei der Raumordnungsreform bestehe die Opposition hingegen darauf, noch zu warten. Diese Reform sei die Chance, neue Schwerpunkte zu setzen und neue Erwerbstätigkeiten zu schaffen. Man werde kreative Prozesse unterstützen. In Zukunft werde man nicht mehr alles über Geld regeln, man werde Eigenverantwortung einfordern. Man werde behutsam vorgehen und der Natur ihren Platz lassen.
LR Thomas Widmann wollte einige Stellungnahmen zum Massentest berichtigen. Die Landesregierung habe sich davon eine Fotografie der Situation erwartet, um die richtigen Maßnahmen zu setzen. Vor dem Test habe es bis zu 880 Infektionen pro Tag gegeben, nachher etwas mehr als 200. Auch der Vorwurf, das öffentliche Gesundheitssystem werde nun privat, sei falsch. Südtirol habe wahrscheinlich das einzige echte öffentliche System, in der Lombardei seien 50 Prozent in privater Hand, in Südtirol 5 Prozent, an die bei Bedarf ausgelagert werde. Repetto habe die teuren Masken kritisiert, die Regierung mit PD-Beteiligung sei nicht imstande gewesen, die Bevölkerung mit Masken zu versorgen. In Südtirol habe man nicht Müllsäcke ausgegeben wie anderswo. Urzì behaupte, man wolle nicht aufstocken, um keine italienischen Ärzte nehmen zu müssen; man habe sehr wohl aufgestockt, zu 99 Prozent mit Personal aus Italien. Man könne noch nicht von guten Zahlen reden, aber Südtirol habe sicher bessere Zahlen als die meisten anderen Regionen.
LR Waltraud Deeg berichtete von der Situation in den Altenheimen, welche die allermeisten nicht wirklich kennen würden. In der Pflege gebe es nicht nur medizinische, sondern auch menschliche Aspekte. Die Strategien würden in Zusammenarbeit mit der Sanität erarbeitet, auch im Austausch mit Deutschland und Österreich. Südtirol sei hier viel besser aufgestellt als Deutschland, wo zwei Drittel der Todesfälle aus den Altersheimen kämen. Das solle keine Ausrede sein. Den Bewohnern der Altenheime solle ein würdiges Leben gewährleistet werden, aber man müsse auch bedenken, dass in der Altenpflege normalerweise auch der Kontakt wichtig sei, und der sei wegen der Ansteckungsgefahr problematisch.
LH Arno Kompatscher erklärte, dass er in seiner Haushaltsrede das Hauptaugenmerk auf die Nachhaltigkeit gelegt habe, denn dieses Ziel bleibe auch nach der Krise. Die Landesregierung arbeite bereits seit zwei Jahren an einer Strategie, um 17 Vorgaben des UN-Klimaplans zu erfüllen. Man habe dazu fünf Handlungsfelder und konkrete Ziele definiert, die man bereits ab den nächsten Jahren erfüllen wolle. Dabei wolle man auch Bürger, Verbände und Gewerkschaften einbeziehen, um einen breiten Konsens zu erreichen. Es werde auch einschneidende Maßnahmen geben, aber insgesamt einen Gewinn an Lebensqualität. An diesen Zielen messe die Landesregierung bereits ihre laufenden Entscheidungen. Der Recovery Fund sei eines der Instrumente für diese Strategie, für die Geld nicht genug sei. Die EU-Kommission habe festgelegt, wie diese Mittel eingesetzt werden können. Bei den 47 Projekten gehe es unter anderem um die Gesundheitsinfrastruktur, Digitalisierung in Schule und Sanität, Wasserstoffmobilität, Wassermanagement, Breitband u.a. Nicht alle diese Projekte würden zur Gänze von der EU finanziert.
Diese Krise werde mit der Impfung nicht vorbei sein. Andere rechneten mit einer Normalisierung im Jahr 2024, Südtirol wolle früher durchstarten. Dafür würden auch Sonderfinanzierungen in Anspruch genommen, aber das befreie nicht von der Notwendigkeit einer Durchforstung des Landeshaushalts. Diese sei in Arbeit. Das Ergebnis werde einigen auch wehtun. Man gehe bei diesem Haushalt von der Frage ab, wer wie viel bekomme.
LH Kompatscher ging auch auf die angesprochene Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen ein. Wie überall habe es auch in Südtirol Lernprozesse gegeben. Es gebe nicht das Patentrezept, auch weil sich die Infektionslage nicht linear verhalte. Im Frühjahr sei das Gesundheitswesen schnell überfordert gewesen, weil es an Ausrüstung gefehlt habe. Nun sei man bei unter 30 Intensivpatienten schon zu beruhigt. Im Nachhinein wisse man vieles besser, und diese Welle sei wieder anders als die erste. Es sei enorm schwierig abzuwägen, was offen und was zu bleiben müsse: Fitnesscenter, Bar, Restaurant usw. Ob es anders besser geworden wäre, werde man nie wissen. Das Land habe nun eine FAQ, die klar strukturiert sei und auf der man Antworten finden. Aber man greife in das tägliche Leben aller Südtiroler ein, und man könne nicht auf wenigen Seiten auf alle Situationen antworten. Die Landesregierung bemühe sich auch, reinen Wein einzuschenken. Viele fragten sich, was nun im Jänner sei, und wollten jetzt schon eine klare Antwort. Aber die könne es jetzt noch nicht geben. Man werde alles versuchen, damit die Skianlagen am 7. Jänner wieder öffnen können, aber Sicherheiten gebe es keine.
Man habe den Mut gehabt, ein eigenes Landesgesetz zu verabschieden, um eigene Regeln zu ermöglichen. Im Frühjahr seien alle froh darüber gewesen, im Herbst, als man früher geschlossen habe, nicht mehr. Bei manchen Verordnungen hätte man vielleicht etwas warten können, aber der Druck sei groß – nun wollten alle sofort wissen, was zu Weihnachten sei. Er habe gerade mit LR Widmann an der Konferenz mit der Regierung teilgenommen. Es sehe danach aus, dass Italien an den Vorfeiertagen und Feiertagen zur roten Zone werde, in den anderen Tagen zur orangen Zone. Und man werde sich 30 km vom Wohnsitz bewegen können. Er könne die Grundausrichtung teilen, bei der Bewegungsfreiheit wolle man in Südtirol lieber Regeln haben, die durchgehend und nachvollziehbar seien und Bewegung im Freien erlaubten. Es werde ein Gesetzesdekret, und dort werde auch eingefügt, dass man lokalen Gegebenheiten Rechnung tragen könne.
In der Debatte sei oft die Rolle des Landtags angesprochen worden. In einer solchen Krise komme es natürlich zu Spannungsfeldern. Die Pandemie habe auch die Grenzen der föderalen Systeme aufgezeigt, die etwas komplexer seien. Manche wollten sich diese Komplexität nicht antun und würden mit dem Stahlbesen drüberfahren. Italien sei auf dieser Welle, und es sei ein Erfolg der Autonomie, wenn in allen Gesetzesdekreten und Dekreten des Ministerpräsidenten immer auch eine Sonderklausel für Bozen und Trient enthalten sei. Es sei nicht einfach gewesen, dies zu erreichen. Es sei ein Basishaushalt für 2021 und die nächsten zwei Jahre, erklärte LH Kompatscher schließlich, dazu kämen die Sonderfinanzierungen und die Mittel aus dem Recovery Fund. Es sei ein Rekordanfangshaushalt, am Ende werde man aber nicht auf einen Rekordhaushalt kommen, weil der Nachtragshaushalt kleiner ausfallen werde.