Zwei Anträge von 5 Sterne Bewegung und Team K abgelehnt

Landtag befasst sich mit 110-Prozent-Bonus

Donnerstag, 09. März 2023 | 12:03 Uhr

Bozen – Die Arbeiten im Südtiroler Landtag wurden heute Morgen mit der Behandlung des Begehrensantrags Nr. 55/23 (Ersetzungsantrag vom 07.03.2023 zum Beschlussantrag Nr. 671/23, eingebracht vom Abg. Nicolini am 13.02.2023) Maßnahmen für die Übertragung der Steuergutschriften-Superbonus-110 Prozent (eingebracht von den Abg. Nicolini und Köllensperger am 07.03.2023) fortgesetzt:

Nicolini will damit erreichen, die Steuergutschriften mit neuen Regeln wieder herzustellen, für alle Boni im Bausektor einen vergünstigten Basis-Steuersatz vorzusehen, die eingefrorenen Steuergutschriften über die F24-Vordrucke der Steuerzahler mit der Vermittlung der Banken freizugeben und die Unterstützungsmaßnahmen für die verschiedenen Verbesserungen der Energieeffizienz und die Abtretung der Steuergutschriften in strukturelle Maßnahmen umzuwandeln, indem dieser Mechanismus auf eine Anpassung der Steuersätze ausgeweitet wird, auch um der Richtlinie der Europäischen Union zu den energieeffizienten Gebäuden gerecht zu werden.

Der Antrag Nr. 55/23 wurde auf Antrag von Paul Köllensperger (Team K) gemeinsam mit dem Begehrensantrag Nr. 56/23 (Ersetzungsantrag vom 07.03.2023 zum Beschlussantrag Nr. 672/23, eingebracht am 13.02.2023) Ankauf von Steuerguthaben aus der energetischen Sanierung und sonstigen Baumaßnahmen (eingebracht von den Abg. Köllensperger, Rieder, Ploner A. und Ploner F.) behandelt.

Die Themen seien identisch, so der Abg. Köllensperger zur Begründung. Er fordert die Abtretung der Steuerguthaben aus der energetischen Sanierung und sonstigen Baumaßnahmen an Banken und öffentliche Körperschaften wieder zu ermöglichen.

Nicolinis Begründung

Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) erinnerte daran, dass im Sommer 2020 der sogenannte 110-Prozent-Superbonus eingeführt worden war. Diese außerordentliche steuerliche Vergünstigung habe darauf abgezielt, bestimmte Ausgaben, vorwiegend im Bereich der energetischen Sanierung bestehender Gebäude und zur Vorbeugung von Erdbebenrisiken, zu fördern. Abgesehen von den Vorteilen, die sich damit längerfristig für die Umwelt und die Energieunabhängigkeit ergeben würden, habe diese Gesetzesmaßnahme kurzfristig als treibende Kraft für die Wirtschaft dienen sollen. Seit ihrem Inkrafttreten seien die Bestimmungen zum 110-Prozent-Superbonus mehrfach abgeändert worden; hierbei sei insbesondere die Übertragung von Gutschriften eingeschränkt worden; mit dem Dekret „Sostegni-Ter“ sei anschließend die mehrfache Abtretung dieser Steuergutschriften de facto blockiert worden. Diese Entscheidung habe jedoch die Steuerkraft der Bankinstitute und der Gesellschaft Poste Italiane – die Hauptakteure der Superbonus-Übertragungsmechanismen – arg in Mitleidenschaft gezogen, und das System der Abtretung von Steuergutschriften ganz zum Erliegen gebracht. Diese Sperre des Superbonus-Systems drohe Zehntausende von Unternehmen in eine Liquiditätskrise zu stürzen und einen Großteil der Baustellen zum Stillstand zu bringen. Die Sperre gehöre überwunden; es müsse schnell eine Lösung für die „eingefrorenen“ sowie die entstehenden Steuergutschriften gefunden werden. Außerdem müsse ein Stopp der bereits laufenden Baustellen vermieden und das gesamte Baugewerbe wieder in Gang gesetzt werden. Berücksichtigt werden müsse zudem, dass die Maßnahme erheblich zur Verringerung des CO2-Ausstoßes beigetragen habe, indem mit der Investition von lediglich 59 Euro pro Tonne 1,1 Milliarden Kubikmeter Gas eingespart. Was die Arbeitsplätze betreffe, so seien in den verschiedenen damit verbundenen Sektoren eine Million geschaffen worden.

Köllenspergers Begründung

Das Thema liege auf der Hand, so Paul Köllensperger (Team K). Es sei nicht alles so Gold was glänze, wie es der Kollege Nicolini darstelle. Es stimme natürlich, dass die Anregung der Wirtschaft positive Effekte habe, doch es koste Italien auch 0,5 Prozentpunkte des BIP. Das Ganze sei aus dem Ruder gelaufen. Unter dem sozialen Aspekt sei zu sagen, dass 200.000 Immobilieneinheiten von 35 Millionen saniert worden seien – profitiert hätten vor allem Besserverdienende und Unternehmen. Um die Banken und damit die Bürger und Unternehmen zu unterstützen, die durch die ständigen Änderungen und Einschränkungen hinsichtlich der Abtretung der genannten Steuerguthaben große Probleme bei der Abtretung von Steuerguthaben aus Umbauvorhaben bekommen haben, hätten die Regionen Sardinen, Basilikata, Piemont und die Provinz Treviso mit entsprechenden lokalen Gesetzen die Voraussetzungen geschaffen, um solche Steuerguthaben von den Banken anzukaufen. Die Nominalwerte der angekauften Guthaben lägen dabei immer oberhalb der für den Ankauf der Guthaben festgesetzten Preise, wodurch die Körperschaften einen Gewinn aus dem Ankauf erzielten und keine Kosten für die Verwaltungen entstünden. Die Körperschaften kompensieren die angekauften Guthaben mit den dem Staat geschuldeten Steuern, vornehmlich mit den geschuldeten Lohn- und sonstigen einbehaltenen Quellensteuern auf freiberufliche Honorare. Diese überschritten im Landeshaushalt 200 Millionen Euro pro Jahr. Die Landesregierung könnte in so einem Fall eine Erhebung mit den Banken, die in Südtirol ihren Rechtssitz haben, durchführen, ob diese Interesse am Verkauf von gehaltenen Steuerguthaben haben und wenn ja, in welchem Ausmaß; sie könnte prüfen, ob das Land den Ankauf selbst oder mit welchem Vehikel dieser Ankauf am besten durchgeführt werden könnte – Euregio Finance, Pensplan usw. -; und bei positivem Verlauf der Prüfung und der Verhandlungen könnte sie den Ankauf von Steuerguthaben einleiten. Diese Maßnahme würde bei den lokalen Banken Mittel freimachen, damit diese weiterhin die Steuerguthaben ankaufen können, die hinsichtlich der energetischen Optimierung der Bestandsimmobilien in Südtirol anfallen und daher besonders förderlich seien. Doch dann sei ein Stopp seitens der Regierung gekommen: Für die Boni sei es seit Mitte Februar nicht mehr möglich, anstelle des Vorsteuerabzugs die Option des Rechnungsrabatts oder der Abtretung von Guthaben zu nutzen. Im selben Dekret sei die Abtretung komplett verboten worden, auch jene an Banken.

Hanspeter Staffler (Grüne) bemerkte, wenn man mit welchen Maßnahmen Österreich oder Deutschland die energetische Sanierung unterstütze, dann seien es im Vergleich zu Italien Peanuts. Die italienische Regierung habe hier etwas Revolutionäres gewagt. Die Ministerien hätten sich sehr wohl überlegt, welche Auswirkungen diese Maßnahme habe: Wer einen 110-Prozent-Bonus wolle, müsse etwa seine Immobilie zunächst katastermäßig richtig stellen – in Italien fehlten zum Teil ganze Straßenzüge im Kataster, bei Eintragung gebe es auch Abgaben. Auch werde so nicht mehr “schwarz” gearbeitet. Die Grünen unterstützten beide Begehrensanträge.

Gerhard Lanz (SVP) sagte, die verschiedenen Auswirkungen auf Sanierung, Arbeitsmarkt etc. sei eines – doch einige Menschen hätten sich bestimmt gefragt, als das Gesetz gekommen sei, wie funktioniert das bzw. was funktioniert nicht. Das System habe sich zu Geschäftemacherei entwickelt: Strukturen seien hergegangen und hätten gesagt: “Du würdest normalerweise 100 bezahlen, du bekommst aber 110, also: du zahlst mir 30 und den Rest mache ich.” Jetzt sehe man das Ergebnis.

Der 110er-Bonus sei von den Freiheitlichen von Anfang an kritisch gesehen worden, erinnerte Andreas Leiter Reber (Freiheitliche). In welchem Land sonst gebe es so etwas, dass man 10 Prozent geschenkt bekomme? Es sei klar gewesen, dass das langfristig nicht funktionieren könne.

Riccardo Dello Sbarba (Grüne) bemerkte, dass die Diskussion um die Natur, die Nachhaltigkeit und die Sinnhaftigkeit des Superbonus eine Sache sei. Viel mehr ginge es darum, was die Regierung Meloni durch ihre Reform getan habe: Den 110-Prozent-Bonus gebe es nach wie vor, was es nicht mehr gebe, sei die Möglichkeiten der Abtretung des Guthabens an die Bank oder den Rabatt auf der Rechnung. Es gebe weiterhin die Möglichkeit des Irpef-Skontos. Wer genug verdiene, um die Ausgaben vorzustrecken und zehn Jahre auf die Rückzahlung zu warten, könne diese Möglichkeit nach wie vor in Anspruch nehmen. Wer keine oder wenige Steuern bezahle, nicht. Der Punkt sei: Der 110-Prozent-Bonus werde bei- und den Reichen vorbehalten. Die Möglichkeit, den Kredit zu verkaufen und den Rabatt auf die Rechnung zu erhalten, habe das Problem eher kompensiert, während die Maßnahme durch die Intervention der Regierung nun noch ungerechter geworden sei.

Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) erklärte, er könne es nicht akzeptieren, dass man auf Kosten der Steuerzahler illegal errichtete Gebäude ins Kataster eintrage; so erhielten Leute einen Steuernachlass, die sich nicht an die Regeln gehalten hatten. Das könne man als Politiker nicht akzeptieren. Es gelte, das ganze System zu überdenken.

LH Arno Kompatscher zeigte sich skeptisch gegenüber Begehrensanträgen an Rom, wo derzeit alles zu diesem Thema im Umbruch sei. Die Absicht dieser Förderung, die auch von anderen Ländern nachgeahmt wurde, sei lobenswert. Der Grundsatz europäischer Förderungspolitik sei aber die Unterstützung von etwas Nützlichem, nicht eine Umverteilung. Wenn man 110 Prozent bekomme, mache man sich keine Gedanken, ob man die Maßnahme brauche, man nehme das Geld. Damit sei auch viel Spekulation entstanden. Nun habe man erkannt, dass der Vorteil nicht in jedem Fall gegeben ist und dass es zu wenig Information gegeben hat. Mit einem Begehren Antrag wolle man Rom oft auf ein Thema aufmerksam machen, aber das sei in diesem Fall nicht notwendig.

Diego Nicolini stellte in seiner Replik fest, dass nur wenige den Mechanismus des Superbonus verstanden hätten. Die beanstandeten Betrügereien hätten andere Steuerkredite betroffen. Eine rechtliche Sanierung von irregulären Bauten sei durch den Superbonus nicht möglich gewesen. Der Superbonus sei für viele interessant gewesen, die für die Sanierungsarbeiten nicht die nötige Liquidität gehabt hätten. Er sei nicht ein Allheilmittel, und ein schrittweiser Rückbau sei auch sinnvoll, denn er sei als temporäre Maßnahme gedacht. Der Grund für den plötzlichen Stopp dieser Maßnahme seien nicht die blockierten Kredite, sondern die Banken, die bei der Weitergabe der Kredite übergangen werden konnten.

Paul Köllensperger betonte, dass er mit seinem Antrag nicht Rom auf etwas aufmerksam machen wolle. Aber gerade dies sei der Moment, um mit Rom über das Thema zu diskutieren. Er sehe auch, dass diese Maßnahme auch Probleme gebracht habe, aber mit der Möglichkeit, das Steuerguthaben an die Banken abzutreten, könne man viel kompensieren.

Der Antrag von Nicolini (Nr. 55/23) wurde mit zehn Ja. 19 Nein und fünf Enthaltungen abgelehnt. Der Antrag von Köllensperger (Nr. 56/23) wurde mit zehn Ja, 18 Nein und sechs Enthaltungen abgelehnt.

Von: luk

Bezirk: Bozen