Von: mk
Bozen – Der Landtag hat sich heute unter anderem mit dem Wirtschafts- und Finanzdokument befasst. Aber auch das Parkplatzmanagement auf der A22 waren Thema – ebenso wie Gaslighting.
Beschlussvorschlag: Wirtschafts- und Finanzdokument des Landes (ABWFDL) 2022-2024 – Aktualisierungsbericht. Das Dokument aktualisiert die Prognosen auf der Grundlage der neuesten Quellen, wie LH Arno Kompatscher erklärte. Demnach hat sich die Wirtschaftslage in den letzten Monaten deutlich aufgehellt. Regierung und OECD prognostizierten für Italien 2022 ein Wachstum von deutlich über 4 Prozent, das erlaube auch für Südtirol bessere Prognosen. Der Anstieg für 2021 werde, je nach optimistischer oder pessimistischer Einschätzung der Entwicklung, auf 4 bis 7 Prozent geschätzt. Für 2022 wird ein reales BIP-Wachstum von 5 Prozent angenommen, wenn es nicht zu neuen Einschränkungen kommt. Ein Anschub kommt auch durch die Mittel, die Europa Italien zur Verfügung stellt. Vom angenommenen Wachstum von 5 Prozent leite man auch die Steuerprognosen für den Haushalt ab, erklärte Kompatscher.
Paul Köllensperger (Team K) verwies auf die geschätzten Mehreinnahmen im anstehenden Haushalt und fragte, auf welchen Schätzungen diese gründen. Der Aktualisierungsbericht sei ziemlich vorsichtig, sehe jeweils zwei Szenarien vor. Kompatscher rechne mit 88 Mio. Mehreinnahmen an Steuern, das sei eine sehr optimistische Einschätzung. Für eine pessimistische Einschätzung seien die Reserven zu wenig. Südtirols BIP hänge wegen des Tourismus stark von Deutschland ab. Wie es aussehe, werde vom PNRR nicht so viel Geld kommen wie erhofft.
Hanspeter Staffler (Grüne) bat um eine Einschätzung zu den Einnahmen 2022-23. Mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf seien einige Bereiche unterfinanziert und müssten durch den Nachtragshaushalt nachgebessert werden. Staffler fragte, mit welchen Mehreinnahmen man durch die Verhandlungen mit Rom und durch den Wirtschaftsaufschwung rechne.
Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) wies darauf hin, dass bei Erstellung dieses Dokuments die italienische Regierung noch nicht ihre Steuerreform vorgestellt habe.
Er habe gleich anschließend eine Sitzung mit dem Finanzausschuss der Regionenkonferenz, erklärte LH Arno Kompatscher. Da gehe es um den Finanzausgleich für die Regionen für die Mindereinnahmen aus der Steuerreform. Südtirols Sanität werde anders als jene anderer Regionen durch die 90 Prozent an den Steuereinnahmen finanziert – bei einer Steuersenkung würde also etwas fehlen, schätzungsweise 70 Mio. Euro. Dies müsste ersetzt werden. Die Steuerschätzung beruhe auf Nominalwerten, während das geschätzte BIP-Wachstum von 5 Prozent auf der Einschätzung der Wirtschaftsentwicklung beruhe. Man habe beim Wirtschaftsdokument eine vorsichtige Schätzung vorgenommen, daher müssten die Reserven auch für ein pessimistisches Szenario reichen. Die Kritik an der IRAP-Erhöhung sei absurd, auch vor dem Hintergrund der Sanitätskosten. Für die Verhandlungen mit dem Finanzministerium brauche es erfahrungsgemäß Zeit, daher seien Prognosen schwierig. Für den Haushalt schloss Kompatscher eine Revision der Leistungen nicht aus, um die Kernleistungen erhalten zu können. Der Beschlussvorschlag wurde mit 15 Ja und zwölf Enthaltungen angenommen.
Anschließend wurde der Landesgesetzentwurf Nr. 84/21: Regionalität durch Transparenz: Kennzeichnung von offen angebotenen Lebensmitteln tierischen Ursprungs (vorgelegt von den Abg. Foppa, Dello Sbarba und Staffler) an den IV Gesetzgebungsausschuss zur weiteren Behandlung rückverwiesen.
Beschlussantrag Nr. 363/20: Modernes LKW-Parkplatzmanagement auf der A-22 Autobahn verbunden mit beschränkter LKW-Ausfahrt zur Parkplatzsuche (eingebracht von den Abg. Faistnauer, Ploner F., Köllensperger, Ploner A. und Rieder am 17.12.2020). Faistnauer hat dazu einen Ersetzungsantrag vorgelegt: Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. die Autobahngesellschaft A22 zu verpflichten, ein wirkungsvolles Parkplatzmanagement für die Lkws entlang der Autobahn A22 auszuarbeiten und zeitnah zu implementieren; 2. sich für ein Lkw-Ausfahrverbot für die Lkws auf die Staatsstraße SS 12 und die angrenzenden Landesstraßen im Raum Wipptal-Eisacktal einzusetzen, um die Belastungen und die Gefahren für die Bevölkerung zu minimieren, ausgenommen für den Zielverkehr; 3. die Autobahngesellschaft bzw. den Zivilschutz zu verpflichten, die Lkw-Fahrer, die wegen überlasteter Parkplätze nicht ordnungsgemäß parken können, zu betreuen und zu versorgen; 4. die Autobahngesellschaft A22 aufzufordern, ausreichend Parkplätze mit entsprechenden hygienischen Infrastrukturen für die Lkws und ihre FahrerInnen entlang der Autobahn zu planen und zu realisieren. Im Wipptal darf keine neue Struktur geschaffen werden.
“Alljährlich passieren ca. 2,5 Millionen Lkws den Brennerpass”, stellte Peter Faistnauer (Perspektiven Für Südtirol) fest. “Bedingt durch die eingeschränkten Transitmöglichkeiten der Lkws infolge unterschiedlicher Einschränkungen der Lkw-Fahrzeiten an den Wochenenden und den langen Feiertagswochenenden wie Pfingsten, Christi-Himmelfahrt, Fronleichnam u.a.m. kommt es immer wieder zu extremen Lkw-Verkehrsbelastungen im Raum Wipptal mit unkontrolliertem Parken von Lkws entlang der Staats- und Landesstraßen bis in die angrenzenden Dörfer hinein reichend. Der von der A22 zur Verfügung gestellte und von ihr betriebene SADOBRE-Parkplatz ist meistens überfüllt, sodass die Lkws andere Parkräume außerhalb der Autobahn aufsuchen. Zahlreiche Lastkraftwagen fahren wie oben beschrieben von der A22 ab; sie parken entlang der Staatsstraße SS 12 und in den verschiedenen lokalen Handwerkerzonen, auf privaten Grundstücken und zum Teil in privaten Aus- und Einfahrten. Es werden sogar die Nothaltestellen entlang der Fahrspuren der A22 als Parkplätze während dieser verlängerten Feiertage verwendet. Teilweise reicht der Lkw-Stau vom Brenner bis in den Raum Bozen. Ein effizientes Parkmanagement entlang der A22 von Modena bis Brenner würde die Last, welche speziell auf den Raum Wipptal drückt, gerechter verteilen und gleichzeitig den Druck auf die Bevölkerung und die Umwelt reduzieren. Die Lkw-Stau- und Parksituation würde sich erheblich verbessern, wenn die Lkws auf die einzelnen Parkplätze zwischen Modena und Brenner verteilt würden.”
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) wunderte sich, dass die Autobahn AG hier nicht schon länger aktiv geworden sei. Der Sadobre-Parkplatz sei oft voll, und die LKW würden dann dorthin ausweichen, wo es gehe. Knoll schlug ein Vormerksystem vor und ein generelles Verbot für LKW, bei Staus von der Autobahn abzufahren. Faistnauers Antrag gehe in die richtige Richtung. Wipptal, Eisacktal und Unterland seien vom Thema stark betroffen, bestätigte Magdalena Amhof (SVP). Das Land sei aber nicht für alles zuständig, was auf der Autobahn passiere. Ein Problem sei die ausstehende Konzession, durch die nötige Arbeiten aufgeschoben würden. Zum Ausweichen auf die SS 12 gebe es bereits einen Beschluss des Landtags, den sie und ihre Kollegen eingebracht hätten. Dazu gebe es in Rom Gespräche. Im Bereich SS 12 sei man noch nicht weitergekommen, wohl aber in anderen Bereichen. Man bemühe sich weiter, die Bevölkerung entlang der Strecke zu entlasten. Einige Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der LKW-Fahrer seien bereits getroffen worden. Man werde den Antrag nicht mittragen, vor allem, weil die Zuständigkeiten an anderer Stelle lägen.
Man sei im permanenten Austausch mit den betroffenen Gemeinden, berichtete Helmut Tauber (SVP), ebenso mit den politischen Vertretern in Rom und Brüssel. Im Bereich Neumarkt habe man bereits eine Lösung gefunden.
Hanspeter Staffler (Grüne) bedauerte, dass in Sachen Umleitung auf die SS 12 in Rom noch nichts erreicht worden sei. Auf dieser Schiene müsse man weiterarbeiten. Beim Parkplatzmanagement könne das Land, auch über die Region, aber ein gewichtiges Wort mitreden. Auf dem Sadobre-Gelände sei einiges getan worden, man werde sehen, ob es ausreiche. Staffler warnte davor, den Zivilschutz bei diesem Thema einzubinden, dieser habe schon genug zu tun. Dieses Thema sei Aufgabe der A22. Der Antrag sei auch als Unterstützung für die politische Arbeit in Rom zu sehen, daher werde man ihm zustimmen.
Laut Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia) enthält Punkt 1 des Antrags bereits alles Nötige. Der Brenner sei ein Flaschenhals, der negative Auswirkungen für die anliegende Bevölkerung, aber auch für die Fahrer bringe. Die Einschränkungen für die SS 12 sehe er mit Skepsis.
LR Daniel Alfreider sprach sich gegen den Antrag aus. Hier würden einige Themen vermischt. Man habe immer versucht, auf verschiedenen Ebenen Lösungen zu finden, um die Bevölkerung entlang der Trasse zu entlasten. In diesem Sinne seien auch der BBT und die Zulaufstrecken zu sehen. Dazu würde er sich mehr Zusammenarbeit auch im Landtag wünschen. Zur SS 12 habe man Möglichkeiten der Kontingentierung gefunden, die derzeit in Rom besprochen würden. Gleichzeitig arbeite man an einer Digitalisierung des Korridors, um eine Übersicht zu allen Verkehrswegen zu haben. Damit könnten auch Buchungen und Betankungen verwaltet werden. In Auer und Neumarkt sei der Ankauf für einen neuen Parkplatz im Gange, so könnten schon viele LKW vor dem Brenner abgefangen werden. Weitere Parkplätze plane man südlich bis hinunter nach Modena. In der Sadobre seien weitere Einrichtungen geplant, ein Restaurant, Toiletten und anderes.
Peter Faistnauer fragte, ab wann das digitale System zur Verfügung stehe. Die Leute hätten die Nase voll. Er beantragte die Streichung von Punkt 3 zum Zivilschutz. Wichtig sei ihm Punkt 4: Keine neuen Strukturen im Wipptal. Der Antrag wurde mit Abstimmungen zu den einzelnen Punkten mehrheitlich (jeweils 16 Nein) abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 500/21: Gaslighting – Eine Form der psychischen Gewalt (eingebracht von den Abg. Foppa, Dello Sbarba und Staffler am 26.10.2021). Der Landtag möge die Landesregierung beauftragen, 1. das Phänomen „Gaslighting“ als Form von psychischer Gewalt anzuerkennen, gegen das es gezielt vorzugehen gilt. 2. den Internetauftritt „Gewalt hat viele Gesichter!“ der Landesverwaltung zu aktualisieren und ihn um neue Erkenntnisse, Anlaufstellen etc. zu ergänzen.
Die beiden gefährlichsten Augenblicke im Leben einer Frau seien, wenn sie sich zur Trennung entscheidet und wenn sie diese Absicht ihrem Partner mitteilt, bemerkte Brigitte Foppa (Grüne). Gewalt werde meist nur in ihrer körperlichen Form wahrgenommen, auch von Frauen. Es gebe aber auch viele Formen psychischer Gewalt, die man benennen müsse, damit sie als solche wahrgenommen würden. Ein Beispiel dafür sei das Stalking, ein neuerer Begriff das “Gaslighting”, das seinen Namen von einem Theaterstück habe, in dem ein Mann versuche, seine Frau durch “unerklärliche” Umstellungen im Haus in den Wahnsinn zu treiben. Das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales definiert Gaslighting als den Versuch, „einen anderen Menschen gezielt zu verunsichern – bis zum völligen Zusammenbruch. Das Opfer kann schließlich nicht mehr zwischen Wahrheit und Schein unterscheiden.“
Gaslighting sei klar eine Form von psychischer Gewalt, mit der versucht wird, einen Menschen psychisch krank zu machen, bestätigte Franz Ploner (Team K). Er erinnerte an den gleichnamigen Film aus dem Jahr 1944 mit Ingrid Bergmann, aber auch an Donald Trump, der anlässlich der geringen Besucherzahlen bei seiner Amtseinführung den Medien Fake News vorwarf. Es gehe bei dieser Taktik darum, gezielt Unwahrheiten zu verbreiten und das Opfer zu verwirren. Magdalena Amhof (SVP) gestand, dass sie diesen Begriff bis vor kurzem nicht kannte. Sie habe sich informiert und sei erschrocken. Umso mehr sei sie der Meinung, dass auch über diese Form der Gewalt aufgeklärt werden müsse, von der auch Männer stark betroffen seien. Es sei eine Gewalt, die Identität zerstöre. Die SVP werde dem Antrag zustimmen, der auch gut zum Aktionstag gegen Gewalt an Frauen passe.
Auch Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) hatte vom Begriff noch nie gehört und meinte, man sollte vielleicht einen geläufigeren Begriff finden. In der DDR habe es eine eigene Polizeiabteilung gegeben mit dem Auftrag, subversive Personen mürbe zu machen, damit sie an sich selbst zweifelten. Das nenne man Psychoterror. Ein Problem sehe er darin, dass es meist um den privaten Bereich gehe und dass der Nachweis schwer sei. Er könne sich das am ehesten in Sorgerechtsfällen vorstellen. Ulli Mair (Freiheitliche) kündigte Zustimmung an. Man bewirke schon viel, wenn man das Problem benenne und darauf aufmerksam mache. Der Nachweis sei aber schwierig, vor allem im privaten Bereich. Es gehe dabei nicht nur um Auseinandersetzungen zwischen Mann und Frau, sondern auch zwischen Eltern und Kindern. Oft würden Kinder manipuliert. Riccardo Dello Sbarba (Grüne) freute sich über den breiten Zuspruch. Viele hätten Zweifel an der Umsetzung geäußert. Er sehe bereits einen Erfolg in der heutigen Debatte, viele hätten zum ersten Mal vom Begriff gehört, aber von den beschriebenen Situationen schon öfter. Solche Formen der Manipulation seien weit verbreitet.
LR Waltraud Deeg kündigte die Zustimmung der Landesregierung an. Gewalt sei nie eine Privatsache, das habe man auch anlässlich des Tages gegen die Gewalt an Frauen am 25. November immer wieder betont. Es sei schwierig, in den privaten Bereich einzugreifen, aber es sei wichtig, das Thema anzugehen. Sie habe als Anwältin viele solche Fälle erlebt. Schwer treffe es dabei vor allem die Jugendlichen, die nicht wüssten, wie damit umgehen.
Brigitte Foppa dankte für die Zustimmung. Der beschließende Teil sei allgemein gehalten. Es gehe vor allem einmal darum, das Problem anzuerkennen, den gesellschaftlichen Blick darauf zu schärfen. Auch das Catcalling sei ein neuer Begriff, und auch da diskutiere man noch, ob das Gewalt sei. Die Grenze sei immer wieder neu zu justieren. Sie stelle fest, dass sich auch die Tonlage der Diskussion zu diesen Themen im Landtag geändert habe. Punkt 1 des Antrags wurde mit 26 Ja und zwei Enthaltungen, Punkt 2 einstimmig angenommen.