Von: mk
Bozen – Der Landtag hat sich mit der SAD-Affäre befasst. Am Mittwochnachmittag wurden die Arbeiten im Plenum mit dem Verlesen des politischen Teils des von Freiheitlichen, Team K, Süd-Tiroler Freiheit, Fratelli d’Italia, Perspektiven Für Südtirol, Enzian und 5 Sterne Bewegung unterzeichneten Minderheitenberichts zu den Arbeiten des U-Ausschusses zum öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) durch den Ausschussvorsitzenden fortgesetzt; der technische Teil war am Vormittag präsentiert worden.
Im politischen Teil des Minderheitenberichts wird ein Überblick über die Ereignisse und Vorgänge gezeichnet, mit denen sich der Ausschuss befasst hat. In den abschließenden Empfehlungen heißt es: „Südtirol ist ein kleines Land, in dem besonders in den Bereichen Wirtschaft und Politik schnell jeder jeden kennt. Umso größer ist die Notwendigkeit, dass Südtirols Politiker und Landesbeamte den erforderlichen Abstand zu Unternehmern wahren.” Auch Bürgerinnen und Bürger wünschten sich mehr Transparenz bei der durchaus berechtigten Interessenvertretung durch die lokalen Verbände und Großunternehmen, denn viele würden derzeit ein Übergewicht an Wirtschaftsinteressen wahrnehmen. Bei öffentlichen Aufträgen, Ausschreibungen oder ÖPP-Projekten sollten Information und Kommunikation ausschließlich über die Ämter und die öffentlichen Büros und Telefonnummern erfolgen; die Abläufe sollten transparent für Bürger und Öffentlichkeit einsehbar gemacht werden. „Der inhaltliche und geschäftliche Austausch zwischen Privatunternehmen und dem Landeshauptmann, Landesräten oder den Ressortdirektoren und anderen Landesbeamten über deren privaten Handynummern und über private WhatsApp-Nachrichten widersprechen einer transparenten und integren Amtsführung sowie einer zeitgemäßen Landesverwaltung“, so im Bericht weiter. Der Landtag repräsentiere in seiner Gesamtheit das von der Bevölkerung gewählte Abbild der Bevölkerung. Sowohl für den Landtag als auch für die Regierungsmehrheit und die Landesregierung seien die Erfahrungen und Expertisen von Berufsverbänden, Unternehmern und Rechtsexperten genauso erforderlich wie die von Gewerkschaftern oder Angehörigen von Umweltschutzorganisationen oder Sozialverbänden. Ohne diesen Austausch könne eine gut funktionierende Demokratie nicht auskommen. Was in Südtirol jedoch geregelt werden müsse, sei „sowohl die klare Trennung zwischen offiziellen und transparenten Verwaltungsabläufen und persönlichen Bekanntschaften und Kontakten, die ausreichende Begründung bei Gesetzesänderungen und Beschlüssen, die eine Anlassgesetzgebung erschweren würden, als auch die bessere Trennung des politischen Mandats und der Interessenvertretung für einzelne Verbände oder Unternehmen. Diese Maßnahmen zur Reduzierung der Interessenkonflikte und des Übergewichts einzelner Lobbys und Unternehmensinteressen sollten parteiübergreifend erarbeitet und mit möglichst breitem gesellschaftlichem und parlamentarischem Konsens verabschiedet werden.“
In der anschließenden Debatte ergriffen Abgeordnete folgender Fraktionen das Wort: Das Team K verwies darauf, dass es auch in diesem Fall keinen Bericht der Mehrheit gebe und wohl ebenso wenig Interesse am Thema, was die Abwesenheit des LH in der Aula zeige. Der U-Ausschuss sei aufgrund der Last-Second-Annullierung der Ausschreibung aus dünnem Grund eingesetzt worden. Das System in Südtirol habe sich in den vergangenen Jahren nicht geändert, die politische Nähe sei nach wie vor ausschlaggebend – doch wenn das Land zukunftsfähig bleiben wolle, müsse es darauf ankommen, was man könne. Aus den Ermittlungsunterlagen gehe hervor, dass die Ausschreibung annulliert wurde, weil einige Interessenten nicht die notwendigen Voraussetzungen hatten, daran teilzunehmen. Der Minderheitenbericht sei ausführlich und objektiv.
Die Süd-Tiroler Freiheit bemängelte ebenso die Abwesenheit des LH in der Aula; man rede nun zum zweiten Mal an diesem Tag über einen Skandal und der LH sei nicht zugegen – dies sei eine Missachtung der Demokratie und des Landtags. Bei öffentlichen Ausschreibungen komme es immer häufiger zu Rekursen und Gerichtsverhandlungen, so auch in diesem Fall – das sei teuer. Jene, die bei der nicht rechtmäßigen Annullierung durch den Rost gefallen wären, seien nun die Nutznießer. Es benötige künftig mehr Kontrolle und Distanz hinsichtlich Nahverhältnissen, denn solche sorgten für Chaos. Angesprochen wurden zudem Mängel im ÖPNV.
Enzian lobte den Minderheitenbericht als sachlich geschrieben. Anstatt SAD-Affäre biete sich die Bezeichnung SIKOWI-Affäre an: Silbernagel, Kompatscher und Widmann. Die fehlende Eintragung ins REN-Register sei der Grund für die Annullierung der Ausschreibung gewesen. Es seien viele Fehler gemacht worden – doch man solle aus den Fehlern lernen, um diese bei künftigen Ausschreibungen nicht zu wiederholen.
Lob am Minderheitenbericht kam auch von den Grünen. Es dürfe nicht vergessen werden, wie die Situation vor der Ausschreibung gewesen sei: Die SAD habe Dienste der öffentlichen Hand durchgeführt, die ihr nicht zustanden; es habe eine große Vermischung zwischen öffentlicher Verwaltung und Privaten gegeben. All dies habe zu Problemen bei der europäischen Ausschreibung geführt. Doch die Ausschreibung seien letztlich durchgeführt worden, den Rekursen wurde standgehalten – diese Kämpfe habe die Mehrheit gewonnen. Wenn auch eine 100-prozentige Inhouse-Lösung wie im Trentino geeigneter wäre. Die Arbeiten in diesem U-Ausschuss seien in die Länge gezogen worden; man sollte solche Ausschüsse nach dem Ablauf einer Frist auslaufen lassen. Aufgeworfen wurde die Frage, weshalb die SVP keinen Mehrheitsbericht vorgelegt habe. Das Schreiben eines Berichts sei das Schreiben eines Stücks Geschichte. Man sei wohl davon ausgegangen, dass keine Debatte stattfinde, wenn kein Mehrheitsbericht vorgelegt werde. Doch wenn es keinen Bericht gebe, dann müsse sich die Mehrheit umso mehr der Debatte stellen.
Als Begründung für den ausgebliebenen Bericht von ihrer Seite sagte die SVP, dass das Ganze durch ein Missverständnis ausgelöst worden sei, durch ein Missverständnis zweier Abteilungen: Es gehe ausschließlich darum, ob die REN-Eintragung vorhanden war oder nicht. Alles andere, was man im Minderheitenbericht gehört habe, entspreche zum Teil dem Rekurs eines Wettbewerbsteilnehmers. Hinsichtlich der U-Ausschüsse seien Änderungen der Geschäftsordnung nötig, weil die Ausschüsse nirgendwo hinführten und die Interessen jeweils unterschiedlich dargelegt und interpretiert würden.
Der Ausschussvorsitzende entgegnete, dass die U-Ausschüsse des Südtiroler Landtags im Vergleich zu U-Ausschüssen im deutschsprachigen Ausland eine andere Funktion hätten: Dort sei es nicht möglich, dass die Mehrheit mit einfacher Mehrheit einen U-Ausschuss “zusperre”. Man habe die strafrechtliche Bewertung abwarten wollen, deshalb sei der Austausch mit der Staatsanwaltschaft wichtig gewesen, doch die 6.000 Seiten habe man nicht erhalten – weder von der Staatsanwaltschaft, sondern von anderer Stelle. Man habe sich im Abschlussbericht um Ausgewogenheit bemüht, die SVP hätte ihn unterzeichnen können. Den Rekurs des genannten Wettbewerbsteilnehmers kenne er indes nicht. Es sei von der Mehrheit nicht nur der politische Teil des Abschlussberichts abgelehnt worden, sondern ebenso das vom Rechtsamt des Landtags erstellte Protokoll über die Arbeiten des Ausschusses, der technische Bericht.
Die Landesregierung unterstrich, dass man mit der von der Verwaltung gefundenen Lösung im ÖPNV zufrieden sei. Es gebe Normen und Regeln, die auch in Südtirol gelten: So müssten laut EU-Normen ÖPNV-Dienste vergeben werden. Es sei ein System aufgebaut worden, bei dem jeder mitmachen könne; man habe einen Großteil der Dienste ausschreiben können, einen Teil aber auch Inhouse behalten. Man habe um viele Lösung bei der Ausschreibung gekämpft, um den ÖPNV im Land besser organisieren zu können.
Lega Salvini Alto Adige Südtirol fragte die Verfasser des Berichts nach einer Klärung bezüglich eines Absatzes, in dem zwei Lega-Abgeordnete genannt werden. Bei den Abhörungen sei er, so der Abgeordnete, als geschädigte Partei zitiert worden. Der Ausschussvorsitzende verwies auf die Abhörprotokolle, in denen es um die Ernennungen der künftigen Landesräte ging.
Die Diskussion wurde von der Landtagspräsidentin geschlossen und es wurde zur Behandlung des nächsten Tagesordnungspunktes übergegangen: den Beschlussvorschlag „Änderung der ‘Verordnung über die Leistungen zugunsten der Landtagsfraktionen und diesbezügliche Rechnungslegung’“.