Antrag von STF und zwei parteiübergreifende Anträge

Landtag: Begnadigung, Tamponsteuer, Impfpflicht

Mittwoch, 09. Juni 2021 | 15:54 Uhr

Bozen – Neben der Impfung gegen das Coronavirus und verbilligten Hygiene-Artikeln für Frauen hat sich der Landtag heute unter anderem auch mit den Südtiroler Attentätern der 1960-er Jahre befasst. Die Süd-Tiroler Freiheit hat dazu einen Antrag eingereicht.

Begehrensantrag Nr. 1/18: Begnadigung/Amnestie der Südtiroler Freiheitskämpfer (eingebracht von den Abg. Atz Tammerle und Knoll am 15.11.2018); der Antrag war bereits mehrmals andiskutiert worden. Der Südtiroler Landtag spricht sich für eine umgehende Begnadigung/Amnestie der verbliebenen Südtiroler Freiheitskämpfer aus und fordert den italienischen Justizminister, sowie den italienischen Staatspräsidenten auf, die ausstehenden Begnadigungen der Südtiroler Freiheitskämpfer der 1960er Jahre unverzüglich in Angriff zu nehmen, damit diese in ihre Heimat und zu ihren Familien zurückkehren können.

Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) erinnerte daran, dass der Landtag sich bereits 2015 für eine Begnadigung ausgesprochen habe. Es sei aber nichts weiter gegangen. Es gehe um Personen, die nicht gegen Menschen vorgegangen seien, und die nie wieder ihre Heimat sehen durften. Sie seien in hohem Alter. “Angesichts der Tatsache, dass der italienische Staat in den letzten Jahren unzählige Schwerverbrecher und Terroristen begnadigt hat, ist die ausstehende Begnadigung der verbliebenen Südtiroler Freiheitskämpfer nicht nur ein längst überfälliger Akt der politischen Gerechtigkeit, sondern vor allem ein notwendiger Akt der Menschlichkeit.” Atz Tammerle verwies auch auf die Verurteilung von Unschuldigen und auf die Folterungen in den Gefängnissen.

Maria Hochgruber Kuenzer (SVP) teilte das Anliegen. Laut jüngsten Berichten stünden die Aussichten nicht schlecht, die Staatsanwaltschaft Brescia habe bereits ein positives Gutachten gegeben. Zum jetzigen Zeitpunkt würde sie aber davon abraten, das Anliegen medial zu verbreiten. Bundespräsident Van der Bellen habe gesagt, man sei auf einem guten Weg. Eine politische Aktion könnte dieses delikate Anliegen behindern.

Bei diesem Thema gehe es eigentlich darum, Frieden zu schließen, meinte Paul Köllensperger (Team K), aber der Antrag riskiere das Gegenteil. Das Anliegen sei nachvollziehbar. Es habe Gewalt gegeben, auf beiden Seiten, daher wäre ein sprachgruppenübergreifender Antrag eine gute Möglichkeit für einen Schlussstrich. Die beiden Staatspräsidenten hätten darüber gesprochen, auch der Staatsanwalt von Brescia sei für die Begnadigung. Diese sei aber individuell, auch die Südtiroler Aktivisten wollten nicht mit den deutschen Rechtsextremen in einen Topf geworfen werden. Er empfehle, den Antrag auszusetzen. In seiner Fraktion werde jeder nach seinem Gewissen abstimmen, er selbst werde an der Abstimmung nicht teilnehmen.

Nach der Aussage von Van der Bellen gehe er davon aus, dass die Begnadigung durch sei, meinte Josef Unterholzner (Enzian). 60 Jahre seien eine lange Zeit, aber nun scheine das Ziel bald erreicht, und man sollte es nicht gefährden. Unterholzner plädierte für Aussetzung. Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) teilte das Anliegen des Antrags und auch die Ausführungen Atz Tammerles. Er erinnerte daran, dass der Freiheitskampf auch menschliche Opfer gefordert habe. Die Begnadigung werde vom Staatspräsidenten gewährt, man könne sie nicht einfordern. Van der Bellen sei verantwortungsvoll genug, dass er seinem Amtskollegen nicht leichtfertig vorgreife. Nur einer der Betroffenen habe ein Gnadengesuch gestellt. Er hoffe, dass der Staatspräsident sich als gnädig erweise. Mit diesem Antrag würde man Politik machen, aber nichts wirklich verändern.

Carlo Vettori (Forza Italia Alto Adige Südtirol) sah den Antrag als kontraproduktiv. Man sollte den Staatspräsidenten nicht drängeln. Die Einbringer sollten, wenn nicht Mattarella, so wenigstens dem österreichischen Staatspräsidenten vertrauen. Alles, was man jetzt tun könne, sei warten.

Riccardo Dello Sbarba (Grüne) wollte mehr auf den Inhalt des Antrags eingehen. Eine Begnadigung habe einen politischen, einen rechtlichen und einen humanen Aspekt. Der humane Aspekt sei klar, die Betroffenen stellten keine Gefahr dar. Unter dem politischen Aspekt gehe es um die Frage, ob damit ein Schlussstrich gezogen werde. Der Antrag gehe auf die Opfer der anderen Seite nicht ein, es gehe mehr um eine Umschreibung der Geschichte. Rechtlich gesehen müsse man feststellen, dass der Gnade ein Gnadengesuch vorausgehen müsse.

Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) betonte, dass man sich bei diesem Thema nicht wie ein Elefant im Porzellanladen benehmen dürfe. Es habe Leiden und Opfer auf beiden Seiten gegeben. Dieser Antrag sei kontraproduktiv zu seinem Anliegen. Es sei legitim, ein Gnadengesuch zu stellen, meinte Giuliano Vettorato (Lega Salvini Alto Adige Südtirol). Wenn er Staatspräsident wäre, würde er es ablehnen, denn es wäre ein gefährliches Signal, wenn man Terroristen begnadige. Heute müsse es darum gehen, die Autonomie zum Vorteil aller Sprachgruppen zu verbessern.

Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia) zeigt sich bestürzt über die Aussagen von LR Hochgruber Kuenzer, jene der Separatisten, aber auch mancher Linkskräfte. Ein Mitglied der Landesregierung sollte wenigstens ein Wort über die 20 und mehr Opfer des Terrorismus in jener Zeit verlieren, über die Anschläge auf italienische Wohnungen und Einrichtungen. Es habe keine Entschuldigungen gegeben und keine Entschädigungen. Es gehe hier ganz einfach um die Unterscheidung zwischen Gut und Böse, zwischen Rechtsstaat und Terrorismus.

Er habe die Heimatliebe der Südtirol immer geschätzt und er wisse, was sie unter dem Faschismus erleiden mussten, erklärte Massimo Bessone (Lega Salvini Alto Adige Südtirol). Die Anschläge der Sechziger Jahre hätten aber zu Opfern geführt, die nicht vergessen werden dürften.

Es gebe auch das Recht eines Volkes, sich zu wehren, erklärte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit), und er rede hier nicht vom Faschismus, sondern vom demokratischen Italien, das Rechte missachtet habe. Auch die Partisanen hätten Unschuldige umgebracht, seien sie deshalb Terroristen? Magnago habe gesagt, ohne die Aktivisten wäre es nie zu Verhandlungen gekommen. Wenn jemand des Mordes bezichtigt werde, ohne einen verübt zu haben, dann dürfe man nicht von ihm ein Gnadengesuch verlangen. Deutschland habe sich für Namibia entschuldigt, Italien für Südtirol noch nicht. Die Betroffenen hätten keine Zeit mehr, in wenigen Jahren seien sie tot. Wenn der Antrag abgelehnt werde, dann werde Urzì als erster das Ergebnis nach Rom schicken. Knoll beantragte eine getrennte Abstimmung zu den Prämissen des Antrags und um eine namentliche Abstimmung.

Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) betonte, dass er sich mit einem Nein zum Antrag nicht gegen eine Begnadigung ausspreche. Die Menschenwürde, die im Antrag genannt werde, sei nicht der eigentliche Gegenstand der Abstimmung, betonte LH-Stv. Waltraud Deeg. Man habe sich schon vor geraumer Zeit für eine Begnadigung eingesetzt. Man dürfe aber nicht jetzt riskieren, diese Begnadigung zu gefährden. Es habe bereits Begnadigungen gegeben, immer auf Grundlage politischer Verhandlungen, und derzeit sähen die Dinge vielversprechend aus. Das Ziel trage man mit, aber man dürfe es nicht instrumentalisieren.

Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) erklärte, sie werde auf Abstimmung bestehen, auch in Absprache mit den Betroffenen. Wer dagegen stimme, gebe damit auch ein Signal. Es gehe hier um Menschen, die seit Jahrzehnten nicht mehr nach Südtirol dürften. Der Landtag solle ein Zeichen setzen, dass er Gnade bzw. Amnestie wolle, vor allem als Akt der Menschlichkeit. Die Prämissen des Antrags wurden mit fünf Ja, 22 Nein und einer Enthaltung abgelehnt, der beschließende Teil mit drei Ja, 22 Nein und zwei Enthaltungen.

Begehrensantrag Nr. 20/21: Tamponsteuer und „Periodenarmut“ (eingebracht von den Abg. Repetto, Ladurner, Foppa, Amhof und Rieder am 14.04.2021). Der Landtag möge Parlament und Regierung auffordern, den Steuersatz auf Hygieneartikel für Frauen von derzeit 22 Prozent umgehend auf 4 Prozent zu senken. Der Antrag war bereits im April andiskutiert worden.

Ulli Mair (Freiheitliche) teilte das Anliegen, aber in den Ländern, in denen die Steuerreduzierung angewandt wurde, habe das zu einer Preissteigerung geführt. Die Einbringer bezeichneten die Menstruation als Tabuthema, aber das wahre Tabuthema sei die Inkontinenz, die Männer wie Frauen betreffe. Auch bei Windeln für Erwachsene wären Preissenkungen gerechtfertigt. Es gehe bei dem Antrag vor allem um die Sensibilisierung, meinte LR Waltraud Deeg, und der Landtag könne hier ein Zeichen setzen. In diesem Sinne unterstütze die Landesregierung den parteiübergreifenden Antrag. Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) dankte für die breite Zustimmung und sah auch in Mairs Vorschlag ein wichtiges Thema, das man aufgreifen sollte. Der Antrag wurde mit 30 Ja und zwei Enthaltungen angenommen.

Begehrensantrag Nr. 23/21: Aufhebung der Impfpflicht für das Personal im Gesundheits- und Pflegebereich (eingebracht von den Abg. Leiter Reber, Mair, Rieder, Köllensperger, Ploner A., Ploner F., Faistnauer, Knoll, Atz Tammerle, Unterholzner, Foppa, Dello Sbarba und Staffler am 06.05.2021). Der Landtag möge Regierung Parlament auffordern, 1. die Verpflichtung zur Anti-SARS-CoV-2 -Impfung für Mitarbeiter im Gesundheitswesen und in sozio-sanitären Berufen zu überdenken und die darin vorgesehenen Suspendierungen zurückzunehmen, welche in Artikel 4 des Gesetzesdekrets Nr. 44 vom 01. April 2021 verabschiedet und durch das Staatsgesetz 76/21 vom 28 Mai 2021 bestätigt wurde. 2. den Grundsatz der Freiwilligkeit hinsichtlich der derzeit zur Verfügung stehenden COVID-19- Impfungen zu respektieren und nicht indirekt auszuhebeln; 3. an Stelle einer direkten oder indirekten Impfpflicht auf umfassende Aufklärung, Information und positive Kampagnen zu setzen.

Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) wies darauf hin, dass der Antrag von einem Großteil der Opposition mitgetragen werde. Es gehe nicht gegen die Impfung, sondern gegen den Zwang. Statt auf Impfpflicht sollte man auf Aufklärung setzen. Viele wollten sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht impfen lassen, weil es noch Unklarheiten gebe, weil sie bereits Antikörper hätten oder aus anderen Gründen. Es seien nicht nur reine Impfgegner. Die Mitarbeiter im Gesundheits- und Pflegebereich seien bereits großen Belastungen ausgesetzt. Auch der Gesundheitslandesrat und die Soziallandesrätin hätten sich für Freiwilligkeit ausgesprochen. Ansonsten riskiere man, Mitarbeiter in einem Bereich zu verlieren, in dem es bereits Mangel gebe.

Josef Unterholzner (Enzian) unterstützte den Antrag. Eine Impfpflicht dürfe es für niemanden geben. Die Impfstoffe seien in kürzester Zeit hergestellt worden, mittlerweile kenne man bereits einige Nebenwirkungen. Man rede sogar davon, dass Corona-Geimpfte wegen Thrombose-Risiko nicht fliegen dürften. Bei der derzeitigen Einschüchterungskampagne sei der Antrag begrüßenswert.

Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia) sah im Antrag einen No-Vax-Hintergrund. Sogar bei den Grünen, die sonst immer auf Gesetzeskonformität achteten. Im Allgemeinen stehe er dem Prinzip der Freiwilligkeit positiv gegenüber. Wer aber im Gesundheits- oder Sozialdienst arbeite, müsse dessen Prinzipien mittragen, auch aus Verantwortung gegenüber den Betreuten.

Von: mk

Bezirk: Bozen