Am Nachmittag geht die Arbeit im Landtag weiter

Landtag: Patientenkontingente, Lkw-Transit und Einwanderung

Mittwoch, 08. November 2017 | 13:25 Uhr

Bozen – Anträge von BürgerUnion, Freiheitlichen und Süd-Tiroler Freiheit wurden heute im Südtiroler Landtag behandelt.

 

Begehrensantrag Nr. 88/17: Nicht-EU-Bürger-Kontingent der Hausärzte auch für Einheimische öffnen (eingebracht von den Abg. Pöder und Artioli am 4.7.2017). Die italienische Regierung und das italienische Parlament werden aufgefordert, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit das Kontingent von zusätzlichen 225 Patienten für jeden Südtiroler Hausarzt, das derzeit nur Nicht-EU-Bürgern zur Verfügung steht, im Bedarfsfall auch für einheimische Patienten bereitgestellt werden kann.

“Zusätzlich zu den höchsten 1.575 einheimischen Patienten hat jeder Hausarzt 225 Patientenregistrierungen zur Verfügung, die nur für Nicht-EU-Bürger reserviert sind”, bemerkte Andreas Pöder (BürgerUnion). “Wenn jeder Hausarzt höchstens 1.575 einheimische Patienten haben darf, aber zusätzliche bis zu 225 Nicht-EU-Bürger sich bei einem Hausarzt eintragen dürfen, dann stellt dies beim derzeitigen Ärztemangel eine nicht nachvollziehbare Verschwendung von Ressourcen dar. Faktisch können Nicht-EU-Bürger, die sich zeitweise oder dauerhaft in einer Gemeinde aufhalten, frei den Hausarzt wählen, obwohl dieser die Einheimischen-Obergrenze bereits erreicht hat.”

LR Martha Stocker hat dazu zusammen mit Pöder einen Änderungsantrag vorgelegt. Demnach seien die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit das Kontingent für die Hausärzte, das für die Nicht-EU-Bürger besteht, im Bedarfsfall auch für einheimische Patienten bereitgestellt werden kann.
Der Antrag wurde, in der so geänderten Fassung, mit 26 Ja und 3 Enthaltungen genehmigt.

 

Beschlussantrag Nr. 824/17: Erhebung der Muttersprache an Südtirols Kindergärten und Schulen (eingebracht von den Abg. Oberhofer, Blaas, Mair, Stocker S., Tinkhauser und Zingerle am 20.9.2017). Der Landtag möge die Landesregierung – vorbehaltlich der Zustimmung der Datenschutzbehörde – verpflichten, die Angabe der Muttersprache der Kinder und Jugendlichen in den Anmeldeformularen für den Besuch des Kindergartens und der Schule vorzusehen, so dass in der Folge durch eine laufende Beobachtung die mittel- und langfristige Entwicklung aufgezeigt werden kann, aus welcher sich die sich ändernden Bedürfnisse der Kindergärten und Schulen in der Sprachförderung ableiten lassen.

“Das Zusammenwürfeln der verschiedensten Muttersprachen an den Bildungseinrichtungen macht nicht nur den Unterricht und den pädagogischen Alltag zur Herausforderung, weil die Vermittlung von Inhalten den Hürden der Sprachkenntnisse ausgesetzt sind, sondern auch das vom Autonomiestatut vorgesehene Recht auf den muttersprachlichen Unterricht wird von Jahr zu Jahr mehr beschnitten”, bemerkte Tamara Oberhofer (Freiheitliche). “Gerade mit den sprachlichen Hürden im Unterricht und im Kindergarten fühlen sich Lehrpersonen und Kindergärtnerinnen alleingelassen. Eine Möglichkeit, um der problematischen Sprachsituation an Südtirols Bildungsstätten entgegenwirken zu können, könnte die Erhebung der Muttersprache an Südtirols Kindergärten und Schulen sein, welche bei der Anmeldung für den Kindergarten und die Schule angegeben werden könnte. Mit dieser Maßnahme könnte die konkrete Sprachrealität an den Südtiroler Bildungsstätten untersucht werden und klare politische Schritte ermöglichen.”

LR Philipp Achammer erklärte sich mit dem Antrag einverstanden, wies aber auch auf das nötige Einverständnis der Datenschutzbehörde hin. Man plane die Kindergartengruppen zu verkleinern, aber das Personal brauche zusätzliche Unterstützung, um mit der neuen Sprachensituation umzugehen.
Der beschließende Teil des Antrags wurde mit 24 Ja und 4 Nein angenommen.

 

Beschlussantrag Nr. 834/17: LKW-Verlagerung auf die Schiene (eingebracht von den Abg. Knoll, Atz Tammerle und Zimmerhofer am 23.10.2017). 1. Der Süd-Tiroler Landtag spricht sich dafür aus, dass der LKW-Verkehr, der das Ziel- und Quellgebiet nicht in Tirol (Nord-, Ost- und Süd-Tirol) hat, verpflichtend von der Straße auf die Schiene verlagert wird und fordert die Landesregierung auf ― in Zusammenarbeit mit dem Bundesland Tirol ― die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür zu schaffen bzw. diese auf staatlicher Ebene einzufordern. 2. Die Süd-Tiroler Landesregierung wird aufgefordert, zusammen mit dem Bundesland Tirol einheitliche Regelungen im Bereich der LKW-Verkehrsbeschränkungen (Nachtfahrverbote, Schadstoffrichtlinien usw.) sowie eine Angleichung der Mauttarife auszuarbeiten und diese umzusetzen bzw. auf staatlicher Ebene einzufordern.

Derzeit gebe es unterschiedliche Regelungen nördlich und südlich des Brenners, bemängelte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit), bei Verboten, Tarifen und beim Schienenangebot. “Allein die Angleichung der Mauttarife auf Süd-Tiroler Seite würde den Umwegsverkehr massiv eindämmen und zusätzlich Millionen an Mehreinnahmen in die Kassen spülen, die für den Bau von Lärmeinhausungen, Untertunnelungen usw. verwendet werden könnten. Vor allem aber müssen ― auch im Hinblick auf die Fertigstellung des Brennerbasistunnels ― endlich die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass LKW, die den Brenner nur als Durchzugsroute verwenden, und ihr Ziel- und Quellgebiet nicht in Tirol (Nord-, Ost- und Süd-Tirol) haben, verpflichtend auf die Schiene verlagert werden.” Im Oktober habe man auf der Autobahn eine Zunahme von 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr festgestellt, das sei eine Belastung für das Land wie auch für die Autobahnstruktur selbst.

Hans Heiss (Grüne) unterstützte den Antrag, der die Handschrift von Fritz Gurgiser erkennen lasse. Die Lethargie gegenüber der Transitbelastung sei besorgniserregend. Wenn die Leute nicht auf die Straße gingen, um eine Verlagerung auf die Schiene zu fordern, sehe er schwarz. Heiss kritisierte Frächterobmann Morandell wegen seiner Äußerungen zum LKW-Verkehr. Das Land habe seine Vorschläge in Rom deponiert, aber keine Antwort erhalten.

Der Dachverband strebe einen Rekurs in Rom an, erklärte Brigitte Foppa (Grüne) und verwies auf die gesundheitlichen Schäden entlang der Autobahnachse.
Die Maßnahmen Tirols seien in Brüssel auf Widerstand gestoßen, und auch von Südtirol habe man kaum Unterstützung erhalten, bemerkte Ulli Mair (F). Es sei höchstens an der Zeit, die längst geforderten Maßnahmen umzusetzen. Den Slogan von der Verlagerung auf die Schiene höre sie, seit sie im Landtag sei, die Erfolge seien aber bescheiden. Mit der Beschränkung für Güter, die nicht dringend geliefert werden müssten, könne man sofort beginnen.
Es sei Zeit für kreative Proteste der Bevölkerung, meinte Bernhard Zimmerhofer (STF).

LH Arno Kompatscher teilte Knolls Darstellung des Problems. Der Tarif für die A22 sei nicht nur der günstigste im Alpenraum, es sei auch der günstigste LKW-Tarif Italiens. Man müsse nun auch eine Obergrenze festlegen, auch wegen der Belastung der Struktur. Die Verlängerung der Autobahnkonzession schaffe neue Möglichkeiten für eine Tarifpolitik der Verlagerung auf die Schiene und der Unterbindung des Umwegverkehrs. Das anstehende italienische Stabilitätsgesetz schaffe die Voraussetzungen für die Konzessionsverlängerung. Anfang Jänner werde der Verkehrsgipfel der Europaregion stattfinden, dabei werde er die Autobahn zum Hauptthema machen. Man werde auch über eine gemeinsame Tarifpolitik reden und dabei nicht von den unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen ausgehen, sondern von dem, was man erreichen will und was man in Brüssel durchsetzen wolle. Man werde sich auch mit Bayern und Venetien zusammensetzen. Kompatscher bat um Aussetzung des Antrags, um ihn eventuell mit den beim Verkehrsgipfel beschlossenen Maßnahmen zu ergänzen. Ein Thema werde auch der Verladebahnhof in Branzoll sein.

Sven Knoll schlug vor, den Antrag zum parteiübergreifenden Antrag zu machen – es hätten sich alle inhaltlich einverstanden gezeigt -, um der Landesregierung beim Gipfel den Rücken zu stärken.

LH Kompatscher zeigte sich damit einverstanden, der Antrag sollte dann aber auch auf den Verkehrsgipfel verweisen.

Die Behandlung des Antrags wurde auf den Nachmittag vertagt.

 

Beschlussantrag Nr. 343/15: “Südtirol zuerst” – Vorschläge zur Regelung der Einwanderung – Einwanderung nach Punktesystem (eingebracht von den Abg. Mair, Blaas, Leitner, Oberhofer, Stocker S. und Tinkhauser am 11.3.2015). Die Landesregierung solle verpflichtet werden, 1. Mit dem Staat in Verhandlungen zu treten, um die primäre Gesetzgebungsbefugnis für Südtirol im Sinne einer echten Autonomie und des Volksgruppenschutzes zu erlangen und um die Einwanderung nach Südtirol zu kontingentieren. 2. Alle Maßnahmen zu treffen, um im Rahmen des Möglichen auf europäischer, staatlicher und Südtiroler Ebene eine Einwanderungspolitik umzusetzen, die bei der Einwanderung nach folgenden Kriterien gewichtet und die garantiert, dass jene Einwanderer Zugang bekommen, die diese Voraussetzungen am besten erfüllen: – Ausbildung – Berufserfahrung und berufliche Stellung – Sprachfähigkeiten und Zweisprachigkeit – Bezug zu Südtirol und Herkunftsland – Alter – Gesundheitsauflagen – Anerkennung der Werte und Gesetze, die in Südtirol gelten – Eventuelle weitere, festzulegende Auflagen 3. Für Bereiche, in denen dringender Bedarf besteht, wird eine gesonderte Einwanderungsmöglichkeit geschaffen, bei welcher ein entsprechendes Arbeitsangebot und eine Nachfrage in Südtirol vorhanden sein müssen. 4. Ausländer, die straffällig und verurteilt werden, verlieren sofort ihre Aufenthaltsberechtigung und werden ausgewiesen. 5. Familienzusammenführung ist nur für jene möglich, die nachweisen können, dass ein Familienmitglied in Südtirol für Unterkunft und Unterhalt sorgen kann.

“In Südtirol hat sich – wie auch in anderen Regionen Europas – ein Ungleichgewicht eingestellt”, meinte Ulli Mair (Freiheitliche). “Auf der einen Seite werden in bestimmten Wirtschaftssparten Einwanderer benötigt. Auf der anderen Seite kommen viele Einwanderer ins Land, die nicht die entsprechenden Anforderungen erfüllen und damit nicht im Arbeitsmarkt unterkommen. Vielfach findet eine Einwanderung ins Sozialsystem statt und es entwickeln sich Problemfälle und Parallelgesellschaften, weil die derzeit stattfindende Einwanderung nicht mit den Anforderungen des Arbeitsmarktes übereinstimmt. Auch in Europa denkt man auf Seite der Experten verstärkt darüber nach, ein Einwanderungssystem zu entwickeln, wie es klassische Einwanderungsländer, etwa Kanada oder Australien, seit jeher erfolgreich betreiben. Kern des kanadischen Modells ist etwa ein Punktesystem, das Einwanderungswillige nach Ausbildung, Berufserfahrung, Sprachfähigkeiten, Bezug zu Kanada und dem Alter auswählt und damit klar auf hoch qualifizierte Fachkräfte zielt. Wer diese Kriterien erfüllt, kann auch ohne Jobangebot einreisen. Australien macht weiters auch Charaktereigenschaften und die Anerkennung der australischen Werte und Gesetze zur Bedingung. Zusätzlich gibt es in Kanada eine über die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes gesteuerte Zuwanderungsvariante. So kann auch geringer Qualifizierten, wie etwa Pflegekräften, die Zuwanderung erlaubt werden wenn ein Jobangebot besteht. Bewerber müssen sich über mindestens 2 Jahre Berufserfahrung mit entsprechender Berufserfahrung in einem der ca. 100 „gesuchten“ Berufe ausweisen.” Ein Land wie Südtirol, in dem der Volksgruppenschutz wesentlich sei, müsse selbst die Einwanderung regeln können, aber die Mehrheit wolle das nicht. Die Bevölkerung wünsche sich klare Regeln für die Einwanderung und vor allem Sicherheit. Das, was derzeit passiere, sei auch nicht im Sinne der Integration.

Bernhard Zimmerhofer (STF) erklärte sich einverstanden mit dem Antrag, bat jedoch um Erklärungen zu Punkt 2.
Alle westlichen Gesellschaften seien von der Migration betroffen, erklärte Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore). Ohne Einwanderungen gäbe es auch Staaten wie die USA oder Australien nicht. Diese seien auch für das Phänomen gerüstet, während Europa erst seit kurzer Zeit damit konfrontiert sei. Urzì plädierte dafür, die illegale Einreise wieder als Straftat zu führen. Eine autonome Südtiroler Zuständigkeit sei nicht sinnvoll, die Einwanderung müsse auf EU-Ebene geregelt werden.
Das geltende Asylrecht in Europa sei nicht geschaffen für dieses Ausmaß an Migration, erklärte LH Arno Kompatscher. Es gebe theoretisch ein einheitliches Asylrecht in Europa, aber unterschiedliche Verfahren in den Einzelstaaten. Einiges, was der Antrag fordere, sei bereits gesetzlich geregelt. Die reguläre Zuwanderung orientiere sich in Italien bereits jetzt am Arbeitsmarktbedarf. Von den Beschränkungen ausgenommen sei in ganz Europa die Familienzusammenführung. Eine weitere Ausnahme bildeten die Flüchtlinge. Auch die Ausweisung bei Straffälligkeit sei geregelt, auch wenn es Mängel bei der Umsetzung gebe. Die autonome Zuständigkeit für die Einwanderung wäre theoretisch möglich, mit Verfassungsänderung, realistisch sei sie nicht, auch nicht praktikabel, da das meiste auf EU-Ebene geregelt werden müsse. Handlungsbedarf bestehe vor allem in der Angleichung der Verfahrensregeln und bei der Umsetzung bestehenden Rechts.

Die Behandlung des Antrags wird am Nachmittag wieder aufgenommen.

Von: luk

Bezirk: Bozen