Plenarsitzung

Landtag: Tourismusstrategie, Corona, Ehrenamt

Donnerstag, 04. Februar 2021 | 16:36 Uhr

Bozen – Der Landtag hat sich heute mit dem Beschlussantrag Nr. 375/21: Urlaubsziel Südtirol. Strategieplan für den nachhaltigen, sicheren und digitalen Tourismus der Zukunft (eingebracht vom Abg. Nicolini am 14.01.2021) befasst. Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. die Rolle von IDM und Verkehrsämtern als Koordinierungsstellen auszubauen, um das Tourismusangebot entsprechend dem Vorbild der DMOs zu differenzieren; 2. im Sinne eines Digitalisierungsschubs weitere kostenlose Instrumente für in der Tourismusbranche tätige Unternehmen zur Verfügung zu stellen; 3. einen Arbeitstisch für Interessensvertreter einzurichten, um ein neues, saisonunabhängiges Tourismusangebot für Kunststädte, Landgemeinden und Thermen aufzubauen. Die Debatte dazu hatte bereits am Vormittag begonnen.

Die Frage sei, ob man die Nachhaltigkeit im Tourismus auch mit der Profitabilität des Sektors verbinden könne, meinte Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) in seiner Replik. In seinem Antrag gehe es genau um das. Mit Punkt zwei wolle man vor allem die kleinen Betriebe unterstützen. Der bisherige Tourismus sei weder mit der Umwelt noch mit der Bevölkerung verträglich. Die vier Punkte des Antrags wurden mehrheitlich abgelehnt.

Beschlussantrag Nr. 376/21: Corona-Maßnahmen (eingebracht von den Abg. Knoll und Atz Tammerle am 14.01.2021). Der Landtag möge die Landesregierung auffordern, 1. Die Schließung von Unternehmen und Bildungseinrichtungen nur dann vorzunehmen, wenn dies aufgrund nachgewiesener Infektionen in diesen Bereichen gerechtfertigt werden kann. 2. Bei einer verordneten Schließung von Unternehmen für entsprechende Ausfallzahlungen zu sorgen. 3. Dafür Sorge zu tragen, dass den Unternehmen in Südtirol dieselben Corona-Unterstützungsmaßnahmen und Umsatzersatzzahlungen zukommen, wie in Nord- und Osttirol bzw. im restlichen Österreich. 4. Die Kriterien für den Zugang zu den Landesleistungen „Soforthilfe Covid-19“ und „Sondermietbeitrag und Sonderbeitrag für Wohnungsnebenkosten Covid-19“ neu zu definieren und dabei das Höchsteinkommen für Familiengemeinschaften von 2.200 Euro auf 2.800 Euro und die Vermögensgrenze für Familiengemeinschaften von 30.000 Euro auf 50.000 Euro anzuheben. 5. Dafür Sorge zu tragen, dass die Arbeitslosenunterstützung verlängert und in Südtirol somit das Arbeitslosengeld weiter ausbezahlt wird sowie sich dafür zu verwenden, dass Arbeitslose in Südtirol nicht schlechter gestellt werden, als in Nord- und Osttirol bzw. im restlichen Österreich.

“Wenn die Politik auf Grundlage der epidemiologischen Notwendigkeit die Entscheidung trifft, dass Betriebe schließen müssen, dann muss es für die Unternehmen und die Arbeiter auch entsprechende Ausgleichszahlungen geben!”, forderte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit).“ Um die betroffenen Unternehmen zu unterstützen, biete in Österreich der Staat Garantien, Fixkostenzuschüsse, Verlustersatz und Lockdown-Umsatzersatz bis zu 50 Prozent. “In Südtirol sieht es leider düster aus, viele Unternehmen haben bis heute keine oder nur geringfügige Zahlungen erhalten und laufen somit Gefahr zahlungsunfähig zu werden und Konkurs anmelden zu müssen. Ebenso schlecht sieht es für die Angestellten in Süd-Tirol aus. HGV und Gewerkschaften schlagen bereits Alarm, da sich mehr als 10.000 Beschäftigte durch das Auslaufen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld mit einer ungewissen Zukunft konfrontiert sehen. Es bedarf daher dringend einer Verlängerung des Arbeitslosenstatus. Analog dazu sollten kurzfristig auch die Kriterien für den Zugang zu den Landesleistungen „Soforthilfe Covid-19“ und „Sondermietbeitrag und Sonderbeitrag für Wohnungsnebenkosten Covid-19“ neu definiert werden.” Südtirol müsse selbst aktiv werden, man könne nicht auf einen Staat warten, der kein Geld habe und sich schwertue, Hilfsgelder aus Brüssel anzunehmen. Knoll bot allen Abgeordneten an, den Antrag mitzuunterzeichnen.

Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) dankte für den Antrag. Er habe bereits im November denselben Antrag gestellt, der aber abgelehnt wurde. Maria Elisabeth Rieder (Team K) fragte nach den Arbeitslosenmaßnahmen in Österreich und hielt einen Vergleich für problematisch. Das Land könnte mit Soforthilfen aktiver sein, dazu sollten die Kriterien angepasst werden.

Die betroffenen Betriebe und Arbeitnehmer bräuchten schnell Unterstützung, erklärte Josef Unterholzner (Enzian) und erklärte seine Zustimmung. Die derzeitigen Schäden seien nicht bezahlbar, Südtirol oder Italien könnten nicht 80 Prozent des Umsatzes ersetzen, aber man müsse tun, was möglich sei. Wut und Unzufriedenheit nähmen bei den Betroffenen zu, meinte Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit), immer mehr Betriebe erklärten, sie würden nicht mehr aufsperren. Der vorliegende Antrag sei in Zusammenarbeit mit Fachleuten auf verschiedenen Gebieten erarbeitet worden; diese hätten versichert, dass eine Umsetzung der Forderungen möglich sei. Im Mai habe man schnell Mittel bereitgestellt, um den Geschädigten zu helfen, das sollte auch jetzt wieder möglich sein.

Südtirol könne nicht eigenständig Kredite aufnehmen, weil es verfassungsrechtlich gebunden sei, gab Hanspeter Staffler (Grüne) zu bedenken. Auch wenn man die Voraussetzungen für den Umsatzersatz hätte, müsste man differenzieren. Ein Handelsunternehmen mit 100 Mitarbeitern habe viel mehr Umsatz als ein Bauunternehmen mit 100 Mitarbeitern.

Seit Beginn der Krise versuche man die betroffenen Sektoren zu unterstützen, erklärte Helmut Tauber (SVP). Nun verhandle man darüber, dass man Kredit aufnehmen könne, um größere Unterstützungsmaßnahmen stemmen zu können. Ebenso warte man auf das Dekret Ristori 5, damit man den Mitarbeitern im Tourismus und in den anderen betroffenen Branchen helfen könne. Ebenso arbeite man an einer Stundung der Kredite für Betriebe und Private.

Magdalena Amhof (SVP) verwies auf das umfangreiche Unterstützungspaket, das das Land bereits biete und das auch die Mitarbeiter im Tourismussektor betreffe. Nach dem Hilfspaket im Frühjahr gehe es nun um Hilfe für jene, die seit Herbst nicht arbeiten konnten. In Österreich gebe es nicht für alle staatliche Hilfe, jedes Bundesland suche funktionierende Lösungen. Die Südtiroler Parlamentarier würden sich derzeit in Rom auch bemühen, damit der Entlassungsstopp verlängert wird.

Gerhard Lanz (SVP) konnte dem Antrag nicht zustimmen, nicht weil ihm die Stoßrichtung nicht gefalle, sondern weil er Maßnahmen fordere, die bereits getroffen worden seien. Es gebe zum Beispiel Fixkostenbeiträge und unbürokratische Verlustbeiträge. Der Vergleich mit Österreich hinke, da dort auch restriktivere Maßnahmen in Kraft waren. Der Antrag schiebe der Landesregierung die Schuld für die Schließungen zu, das sei angesichts der Lage nicht korrekt. Die Mehrheit kümmere sich um das Anliegen nicht erst seit gestern. Auch Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia) fand den Vergleich mit Österreich nicht angemessen. Er erinnerte daran, dass die Landesregierung bereits im November Ausgleichzahlungen versprochen habe. Wenn das Land Einschränkungen verfüge, die über das Staatsdekret hinausgingen, müsse es auch selber für die Einbußen aufkommen.

Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) erinnerte an die verschieden Unterstützungsmaßnahmen des Staates. Das neueste Dekret stehe noch aus, daher müsse das Land noch abwarten, um die staatlichen Hilfen mit eigenen Mitteln aufbessern zu können. Ansonsten könne es zu Doppelgleisigkeiten kommen.

LR Arnold Schuler hielt einen Vergleich mit Österreich ebenfalls für unangemessen. Es gebe unterschiedliche Rahmenbedingungen. Südtirol habe auch keine Zuständigkeit bei der Lohnausgleichskasse. Die Verfassung erlaube nur eine sehr eingeschränkte Schuldenaufnahme durch das Land, hier verhandle man mit dem Staat über eine Lösung. Das Land habe aber von sich aus einige Unterstützungsmaßnahmen geboten und sehe weitere vor, auch wenn man das nicht in demselben Ausmaß tun könne wie Österreich. Das Geld für weitere Unterstützungsmaßnahmen sei nicht über den laufenden Haushalt verfügbar, das müsse von neuen Mitteln kommen.

Die Menschen und Betriebe, die in Not seien, interessierten diese Ausreden nicht, wer was nicht tun dürfe, antwortete Sven Knoll. Viele stünden vor der Zahlungsunfähigkeit. Sie erwarteten sich Lösungen, dazu sei der Landtag gewählt worden. Die Landesregierung habe sich ihren schlechten Ruf redlich verdient. Allein das Finanzabkommen mit dem Staat koste jährlich eine halbe Milliarde, die man anders besser ausgeben könnte; dasselbe gelte für das Abkommen mit der Post. Man dürfe sich nicht auf den italienischen Staat hinausreden, wenn man nicht den Mut habe, sich von ihm loszulösen. Der Antrag wurde in fünf Abstimmungen zu den einzelnen Punkten mehrheitlich abgelehnt.

Beschlussantrag Nr. 377/21: Kultur und Ehrenamt – wichtiger Stützpfeiler unserer Gesellschaft (eingebracht vom Abg. Unterholzner am 15.01.2021). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. Den Musikkapellen und Chören die Möglichkeit bieten, in kleinen Gruppen (5-10 Personen) unter Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen zu proben und zu konzertieren. 2. Die Berufstätigen in dieser Branche finanziell und unbürokratisch zu unterstützen und zu den bereits gewährleisteten Hilfen weitere zusätzliche Unterstützungen innerhalb März 2021 zu gewähren.3. Sich mit den Anliegen der Verantwortlichen (zuständige Verbände) dieser Branche im Rahmen eines spezifischen Arbeitstisches zusammenzusetzen, Sie anzuhören und deren Vorschläge in den Verordnungen und Maßnahmen zu berücksichtigen. 4. Der Branche die Möglichkeit zu geben, coronagerecht in reduzierter Anzahl (als Veranstalter oder Zuhörer) die Tätigkeit ausüben zu lassen. 5. Sämtliche Kulturschaffende, sei es aus dem Ehrenamt wie auch jene, die diesen Bereich mit Ihrer Erfahrung unterstützen, gebührend im Sinne einer finanziellen Zusicherung zu schätzen und bei den Verordnungen nicht außen vor zu lassen. 6. Den Sportvereinen die Möglichkeit zu geben, Ihre Tätigkeiten in angemessener Form unter Einhaltung der Sicherheitsstandards auszuüben. Dazu gehört z.B. Bewegung in kleinen Gruppen, im Freien oder ggf. auch in Hallen. 7. Den Zivilschutzorganisationen, unabhängig von Einstufung in Risikozonen, die Übungs- und Trainingseinheiten Schritt für Schritt zu lockern.

Man sollte die Menschen arbeiten lassen, das sei die wichtigste Unterstützung, erklärte Josef Unterholzner (Enzian). Die Schäden, die jetzt entstünden, seien unbezahlbar, es seien nicht nur wirtschaftliche Schäden. Natürlich seien dabei Sicherheitsauflagen einzuhalten. Man müsse lernen, mit diesem Virus zu leben. Es seien zweifellos schwierige Entscheidungen, mit denen die Landesregierung befasst sei. Es gehe um 0,5 Prozent der Bevölkerung, und für diese mache man den Rest kaputt. Man sollte den Vereinen wenigstens etwas Tätigkeit ermöglichen, in kleinen Gruppen und unter Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen. Mit der Vorstellung des Antrags war die Zeit der Opposition beendet. Die Debatte dazu wurde auf eine nächste Sitzung vertagt.

Von: mk

Bezirk: Bozen