Von: mk
Bozen – Der Zivildienst ist heute genauso Thema im Landtag gewesen, wie die Corona-Impfung ohne Spritze und Safer Sex. Hier gibt es einen Überblick über die einzelnen Beschlussanträge.
Beschlussantrag Nr. 211/19: Freiwilliger Zivildienst als Anreiz (eingebracht von den Abg. Mair und Leiter Reber am 06.12.2019). Die Einbringer haben heute dazu einen Ersetzungsantrag eingebracht, der auch von Gert Lanz und Helmuth Renzler unterschrieben wurde und der den Antrag in einen Begehrensantrag ans Parlament umwandelt. Der Landtag möge das Parlament auffordern, 1. den verpflichtenden zwölfmonatigen Zivildienst einzuführen, 2. falls das nicht möglich sein sollte, den “Freiwilligen Landeszivildienst” für Renten- bzw. Pensionsansprüche anzuerkennen.
Mit der Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht bekamen viele freiwillige Organisationen enorme Schwierigkeiten, weil mit der allgemeinen Wehrpflicht gleichzeitig auch der Zivildienst in seiner bisherigen Form abgeschafft wurde, erklärte Ulli Mair (Freiheitliche). In Südtirol waren rund 100 Organisationen davon betroffen. Auch der freiwillige Landeszivildienst hat gezeigt, dass die Zivildiener zu einem unverzichtbaren Teil bei wichtigen Diensten, wie dem Weißen Kreuz, dem Jugenddienst oder bei den Bezirksgemeinschaften, geworden sind. Der Dienst könne für Sparten mit Nachwuchsproblemen interessant sein, andererseits könnten Jugendliche Erfahrungen auf einem bestimmten Gebiet sammeln und erste konkrete Vorstellungen von der Arbeitswelt bekommen. Sie sei überzeugt, dass ein Großteil der Jugendlichen dies als solidarischen Dienst an der Allgemeinheit sehen würden.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) zeigte sich mit der Forderung einverstanden, Anreize für den Zivildienst zu schaffen, aber nicht mit einer Verpflichtung zum Zivildienst und beantragte getrennte Abstimmung. Der Jugend werde schon viel zugemutet. Knoll sah auch die Gefahr, dass der verpflichtende Zivildienst ein Einfallstor für die Wehrpflicht wird. Viele Studierende würden durch eine solche Pflicht zudem davon abgehalten, nach Südtirol zurückzukommen. Der freiwillige Zivildienst sei nicht ans Alter gebunden, stellte Helmuth Renzler (SVP) klar. Er sei nicht glücklich mit der Formulierung des verpflichtenden Dienstes, aber es sei die einzige Möglichkeit, unseren Freiwilligendienst mit jenem der staatlichen Regelung gleichzustellen.
Der frühere staatliche Zivildienst habe eine, wenn auch geringe, Entlohnung vorgesehen, bemerkte Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia) und bezweifelte, ob sich Italien das leisten wolle. Davon abgesehen könne er sich mit der Idee anfreunden. Brigitte Foppa (Grüne) stieß sich an der Formulierung “ein Jahr verlieren”, die in Zusammenhang mit der Präsenzpflicht verwendet werde. Man könnte auch “ein Jahr gewinnen” sagen. Junge Leute würden z.B. bei Sommerjobs viele Erfahrungen fürs Leben gewinnen. Und die Gesellschaft gewinne auch.
Hanspeter Staffler (Grüne) wies darauf hin, dass der Zivildienst in Österreich neun Monate dauere, damit bleibe noch Zeit für die Einschreibung in die Universität. Man habe den Zivildienst nicht mit Prämien oder ähnlichem bewerben wollen, weil da die Freiwilligkeit verloren gehe, erklärte Gerhard Lanz (SVP). Es gehe aber darum, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen und für das Angebot zu sensibilisieren. Im Vordergrund müsse der Vorteil für die Gesellschaft stehen. Er schlug vor, die Dauer nicht festzulegen. Das Ehrenamt müsse es uns wert sein, von allen einen Beitrag zu fordern, aber Pflicht heiße noch nicht Zwang.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) sah den Antrag im Lichte der Südtirol-Autonomie und der Zuständigkeit, die das Land dafür habe. In Österreich und der Schweiz gebe es noch den Präsenzdienst, und das schade den Jugendlichen nicht. Mit dem Zivildienst könnten sie auch die Bedeutung der verschiedenen Freiwilligendienste und Einrichtungen für dieses Land erkennen. Er gehöre zu den letzten Jahrgängen mit Wehrpflicht, erklärte Peter Faistnauer (Perspektiven Für Südtirol), und es kein verlorenes Jahr gewesen, außer in finanzieller Hinsicht. Er sei aber nicht für den verpflichtenden Zivildienst. Es sei wichtig, dass die Zivildiener einer Rentenabsicherung erhielten und während der Dienstmonate nicht ihr Erspartes anknabbern müssten.
LH Arno Kompatscher erklärte, dass es nicht beabsichtigt sei, die Gelder für den Landeszivildienst zu kürzen. Er sei dafür, dass man den Ruf nach einem verpflichtenden Dienst recht offen formuliere. Es gebe hier verschiedene Modelle, man könne den Dienst flexibel gestalten, z.B. durch eine zeitliche Splittung. Wichtig sei, dass es um Dienst an der Allgemeinheit gehe. Es sei natürlich, dass es zur Frage kontroverse Ansichten gebe, meinte Ulli Mair, aber von verlorener Zeit könne man nicht sprechen. Von diesem Dienst würden alle profitieren. Gewisse Dienste könnten ohne diese Hilfe nicht aufrechterhalten werden. Auch die Einwanderer hätten hier Bringschuld. Im sozialen Bereich werde am meisten Bedarf geben. Punkt 1 des Antrags wurde (ohne die Dauer von zwölf Monaten) mit 17 Ja, zwei Nein und neun Enthaltungen angenommen, Punkt zwei mit 27 Ja und einer Enthaltung.
Beschlussantrag Nr. 502/21: Alternative Arten der Verabreichung von Corona-Impfstoffen einführen (eingebracht von den Abg. Ploner F., Köllensperger, Ploner A. und Rieder am 08.11.2021). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1) gemeinsam mit den zuständigen Ämtern des Sanitätsbetriebs die mögliche Nutzung des in den Prämissen beschriebenen Medizinprodukts sowohl für die Corona-Impfkampagnen als auch für andere Impfungen zu berücksichtigen; 2) im Falle einer Zustimmung zum vorhergehenden Punkt 1 zu untersuchen, ob für Antragsteller, die über kein ärztliches Zertifikat verfügen, welches belegt, dass diese auf das Medizinprodukt zurückgreifen müssen, eine Selbstbeteiligung vorgesehen werden soll; 3) durch die zuständigen Ämter des Sanitätsbetriebs zu prüfen, wie das Verfahren zur Validierung des Medizinprodukts, das eine Verabreichung durch die Nase ermöglicht, weiter verlaufen wird und wie dieses in Südtirol genutzt werden kann.
Die Impfrate in Südtirol sei weiterhin besorgniserregend, erklärte Franz Ploner (Team K). Es gebe verschiedene Grüne, sich nicht impfen zu lassen, ein Grund sei die Angst vor der Spritze. “Einige italienische Sanitätsbetriebe (in Sizilien und Venetien) bieten nun ein Medizinprodukt an, das ohne Nadel dazu imstande ist, einen Hochgeschwindigkeitsstrahl zu generieren, der den Impfstoff in den Arm einimpft. Das Produkt kann für alle Arten von Impfstoffen, für Insulin oder auch für andere Substanzen verwendet werden, und ist zudem absolut sicher, da es von den zuständigen Gesundheitsbehörden getestet und genehmigt wurde.” Diese Spritze ohne Nadel koste etwas mehr als die normale Spritze, aber der Personenkreis sei begrenzt. “Eine weitere Alternative zur Spritze wäre die Verabreichung durch die Nase: Allerdings haben die zuständigen Gesundheitsbehörden das Validierungsverfahren für dieses Medizinprodukt und die dazugehörigen Protokolle noch nicht abgeschlossen.” Hanspeter Staffler (Grüne) bezeichnete den Vorschlag als sehr interessant. Die Impfkampagne sei in einer Stagnationsphase, wenn auch mit leichtem Aufschwung in letzter Zeit.
Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) unterstützte den Antrag. Damit könne man verschiedenen Phobien entgegenkommen. LR Thomas Widmann stimmte dem Anliegen zu. Es gebe Leute, die vor dem Piks Angst hätten. Sizilien und Veneto hätten diese nadellosen Produkte im Einsatz, die es schon seit geraumer Zeit gebe. Aber keines dieser Geräte habe zurzeit die Freigabe für den Einsatz gegen Covid. Fachleute des Sanitätsbetriebes würden die Entwicklung auf diesem Gebiet verfolgen, und man werde die Geräte einsetzen, sobald es rechtlich möglich sei.
Die Uni Messina habe bereits die Zulassung von der AIFA, erklärte Franz Ploner (Team K), allerdings nicht primär für Corona. Außerdem hätten auch die für die Covid-Impfung verwendeten Spritzen nicht eine spezifische Zulassung für den Covid-Einsatz. In Zukunft werde es Aerosole geben, Nasensprays, und anderes, daher sollte sich der Sanitätsbetrieb immer auf dem Laufenden halten. Der Antrag wurde mit elf Ja, 13 Nein und einer Enthaltung abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 508/21: Das Land möge jede Finanzierung von Organisationen einstellen, die sich bietende Chancen für Provokationen oder extreme Darbietungen nutzen, welche den Zielsetzungen der erhaltenen Fördermittel widersprechen (eingebracht vom Abg. Urzì am 12.11.2021). Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia) verwies auf eine Veranstaltung von ArciGay, bei der eine Anleitung zu sicherem Oralverkehr auflag. “Organisiert wurde die Messe vom Amt für Senioren und Sozialsprengel, der Caritas Diözese Bozen-Brixen, dem Dachverband für Soziales und Gesundheit, der Stadt Bozen und dem Landesrettungsverein Weißes Kreuz. Diese „Bühne“ wurde also von öffentlichen Einrichtungen, von der Diözese und von ehrenamtlich tätigen Vereinen zur Verfügung gestellt, wie im Programm zu lesen ist. Unser Urteil würde genauso ausfallen, wäre eine Ausstellung zum Kamasutra für Heterosexuelle angeboten worden. Die provokanten Initiativen von Centaurus Arcigay Südtirol verfolgen offensichtlich einzig und allein das Ziel, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und einen „Skandal“ auszulösen. Natürlich sollte man Kindern Informationen nicht vorenthalten, aber wir sind der Meinung, dass hier die Eltern entscheiden müssen.”
Urzìs Antrag forderte daher eine Verpflichtung für die Landesregierung, zu derartigen Vorfällen klar Stellung zu beziehen und gegebenenfalls jede Art der Zusammenarbeit mit Organisationen aufzukündigen, die vom Land Südtirol finanziert werden, sofern diese die ihnen von der öffentlichen Hand gebotenen Chancen für Provokationen oder extreme Darbietungen missbrauchen, die nicht im Sinne der erhaltenen Fördermittel sind.
Dieser Landtag sei keine Sittenpolizei, meinte Brigitte Foppa (Grüne). Er habe nicht darüber zu befinden, was bei einer Messe gezeigt werde. Urzì stoße sich in Wahrheit nur daran, dass es um Sex zwischen Gleichgeschlechtlichen gehe. Sie frage sich, was das Land hätte machen sollen: Jeden aufgelegten Zettel vorher überprüfen. Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) erinnerte sich, bereits in der Mittelschule im Biologiebuch nackte Männer und Frauen gesehen zu haben, und damals hätten sich manche Eltern beschwert. Heute könne man nicht mehr davon ausgehen, dass ein 14-jähriger solche Bilder, vor denen Urzì warne, nie gesehen habe. Wenn schon, wäre es Aufgabe der Messeverwaltung festzulegen, was ausgestellt werden dürfe. Knoll kündigte Enthaltung an.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) wies darauf hin, dass es hier nicht um große Plakate gehe, die jedes Kind bei Besuch der Messe gesehen hätte. Es handle sich um den Infostand von ArciGay, daher frage man sich, was die dort hätten zeigen sollen. Carlo Vettori (Forza Italia Alto Adige Südtirol) meinte, dass das sehr wohl ein Thema für den Landtag sei. Auch für da Fernsehen gebe es Einstufungen, was Minderjährigen zugetraut werden könne und was nicht. Es gehe um eine Messe der Freiwilligenorganisationen, die auch von Kindern besucht werde, insofern könne er Urzì recht geben. Nicht einverstanden sei er, wenn man Organisationen Beiträge streichen wolle, nur weil sie einem nicht passen. Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) erinnerte an einen Moralapostel, der vor Jahrzehnten in Bozen Plakate überpinselt habe. Heute sei der Welt-AIDS-Tag, und daher sollte man über solche Initiativen wie die beanstandete nachdenken. Er glaube jedenfalls nicht, dass sie für Kinder schockierend seien.
LH Arno Kompatscher sah es als legitim, über das Thema zu diskutieren. Was sittlich sei, sei auch für die Gerichte schwer zu entscheiden. Was ihm nicht gefalle, sei, dass man jemandem Beiträge streichen wolle, wenn man mit dessen Tätigkeiten nicht einverstanden sei. Das würde bedeuten, dass das Land den Umweltvereinen das Geld streiche, wenn sie seinen Klimaplan kritisierten usw. Das Thema Safer Sex sei wichtig, daher müsse man auch darüber informieren können.
Über sicheren Sex könne man auch weniger provokant informieren, entgegnete Alessandro Urzì. Er lasse sich von Foppa, die getrennte Saunaeingänge gefordert habe, nicht belehren. ArciGay lege es darauf an, zu provozieren, und die Linke habe keinen Sinn für die Grenzen des Anstands. Magnago würde die SVP nicht mehr verstehen. Der Antrag wurde mit vier Ja, 24 Nein und zwei Enthaltungen abgelehnt.
Schottergrube St. Florian, Mittel für Ausbildungspraktika
Beschlussantrag Nr. 503/21: Schottergrube St. Florian: der Stilllegungstermin gehört eingehalten (eingebracht von den Abg. Dello Sbarba, Foppa und Staffler am 10.11.2021). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. die Konzession der Schottergrube nicht zu verlängern, um den Bewohnerinnen und Bewohnern von Laag (Neumarkt) keine weiteren Belastungen durch den Abbau und die Verarbeitung von Schotter aufzubürden; 2. auf dem Grubenareal keine weiteren Baustelleneinrichtungen für die an der südlichen BBT-Zulaufstrecke geplanten Arbeiten vorzusehen; 3. die Bevölkerung transparent und zeitnah zu informieren und ihr eine aktive Teilhabe zu ermöglichen, sowohl in Bezug auf die Schottergrube als auch in Bezug auf die künftigen Baustellen, die im Unterland im Zusammenhang mit der südlichen BBT-Zulaufstrecke entstehen werden.
Die Schottergrube sei ein enormer Krater, der Staub und Lärm produziere und den Anrainern das Leben erschwere, erklärte Riccardo Dello Sbarba (Grüne). Derselbe Beschluss sei gestern vom Neumarkter Gemeinderat gefasst worden. Die Konzession verfalle am 7. Dezember, es sei aber um Verlängerung angesucht worden. Der Antrag unterstütze die Forderung der Bevölkerung, die mit 500 Unterschriften bekräftigt worden sei, die Schottergrube zu schließen. Die Landesregierung argumentiere, dass die Firma Schadenersatzforderungen stellen könnte. Dello Sbarba plädierte dafür, eine Entschädigung einzukalkulieren und die Grube zu schließen. Ansonsten habe die Bevölkerung vor Ort den Schaden. Diese befürchte zudem, dass die Grube in Zukunft zur Baustelle für die BBT-Zulaufstrecke werde. Laut derzeitiger Konzession sei eine Rückverwandlung in landwirtschaftliches Grün vorgesehen.
Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) erinnerte an seine Anfrage zum Thema vom August des Jahres. Die Anwohner fürchteten auch, dass ihre benachbarten Grundstücke beeinträchtigt würden. 2017 sei auf dem Grubenareal eine Nekropolis entdeckt worden, laut Antwort auf seine Anfrage werde spätestens im März 2022 mit den archäologischen Arbeiten begonnen. Es sei verständlich, dass die Firma nach 5 Jahren einen Schadenersatz fordere, auch wenn sie die Grube in der Zwischenzeit nutzen konnte.
Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) sah die Situation klar: Es gebe ein öffentliches Interesse der Bevölkerung, das geschützt werden müsse. Dieser enorme Krater könne nicht weiter geduldet werden. Hier werde jemand protegiert, es gebe nicht einmal Sicherheitsvorrichtungen, die für jeden Unternehmer selbstverständlich sein müssten. Es bestehe vor allem die Angst vor einer Dauerbaustelle für den BBT.
Das Loch sei größer als das Dorf, erklärte Brigitte Foppa (Grüne). Es werde unter das landwirtschaftliche Anwesen daneben hineingegraben. St. Florian sei nicht der glücklichste Ort, es gebe die höchste Stickoxidkonzentration, die Kompostanlage, die Autobahn, den Zug … Man müsse der Bevölkerung ihre Lebensqualität zurückgeben.
Paul Köllensperger (Team K) schloss sich den Vorrednern an. Er habe in der Sache auch selbst recherchiert. Überall in Südtirol werde die betroffene Bevölkerung vertröstet, dass die Grube nur ein paar Jahre offen sei, und nie werde es eingehalten. Die Schottergrube St. Florian sei äußerst produktiv dank ihrer Lage unter der Felswand, erklärte Hanspeter Staffler (Grüne). Es sei hier eine Grube direkt neben einem Dorf und neben einem Naturpark eröffnet worden. Diese hätten ihren Beitrag zum wirtschaftlichen Fortschritt geleistet und hätten jetzt Recht auf Ruhe.
Die Ausweisung oder Verlängerung einer Schottergrube in diesem Land sei die Unmöglichkeit schlechthin geworden, meinte LR Philipp Achammer. Schon bei der Möglichkeit von Nachteilen gebe es Proteste, andererseits habe auch die Bauwirtschaft ihren Bedarf, der irgendwo gedeckt werden müsse. Wenn die Gruben nicht im Lande genehmigt würden, werde der Schotter außerhalb abgebaut und ins Land gekarrt. Achammer warnte vor dem Florianiprinzip in dieser Sache. Niemand wolle den Schotterabbau in seiner Nähe, aber irgendwo müsse er passieren. Im Fall von St. Florian sei niemand zu schützen, auch wenn es die Vox populi behaupte: es gebe keinen Zwang, die Konzession zu verlängern. Die Konzession enthalte Auflagen, deren Missachtung sanktioniert werde. Die Firma dürfe 900.000 Kubikmeter abbauen und habe bis jetzt 600.000 abgebaut. Durch die archäologischen Funde habe es Einschränkungen für den Abbau gegeben. Die Firma könne mit Recht sagen, dass sie ihre Konzession nur zum Teil ausschöpfen konnte. Die Landesregierung sei dabei, den Ausfall zu quantifizieren, aber sie könne nicht, wie heute gefordert, einen Schadenersatz beschließen, wenn es keine Klage gebe.
Zu den Erhebungen würde es auch gehören, die Konzession genau zu lesen, meinte Riccardo Dello Sbarba (Grüne). Die genannten 900.000 Kubikmeter seien ein Höchstvolumen. In St. Florian gehe es nicht ums Florianiprinzip, sondern um eine Grube, die schon seit Jahren offen sei, und um eine eventuelle Verlängerung. Die Anrainer hätten ihren Teil schon geleistet. Der archäologische Fund falle unter das Unternehmerrisiko. Dello Sbarba plädierte dafür, abzuwarten, bis man sichere Informationen habe, und beantragte die Vertagung.
Beschlussantrag Nr. 506/21: Kürzungen der Mittel für Praktika (eingebracht vom Abg. Repetto am 11.11.2021). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, angemessene finanzielle Mittel zur Deckung des jährlichen Bedarfs der für die Praktika zuständigen Stellen im Ausmaß von schätzungsweise 720.000 Euro pro Jahr zur Verfügung zu stellen und deren Tätigkeit als Chance für den Ausbau der für die Berufsausbildung zuständigen Dienste zu betrachten, zumal die Unterstützung der NEET vor allem in der italienischsprachigen Gemeinschaft Südtirols eine verbreitete soziale Notwendigkeit ist.
“Es wurde berichtet, dass das Büro des ESF die Notwendigkeit hatte, Finanzmittel, die im Zeitraum 2014-2020 bestimmten Bereichen zur Verfügung gestellt wurden, auf andere Bereiche umzubuchen, da man die Mittel für die Wiedereingliederung der NEET (Not in Education, Employment or Training) zwischen 16-24 Jahren ansonsten an Brüssel hätte rückerstatten müssen”, bemerkte Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten). “Zur Lösung dieses Problems, das vor allem in den größeren Städten mit mehrheitlich italienischsprachiger Bevölkerung vorkommt, wurde rein gar nichts unternommen, obwohl das Büro des ESF und das Arbeitsamt das am 17.01.2017 vorgelegte Projekt AntoiNeet, das bereits Gegenstand einer Anfrage unsererseits (Anfrage Nr. 1807/21) war, für finanzierungswürdig erachtet hatten. Seitdem ist nichts mehr passiert. Wir haben auch erfahren, dass die für das Jahr 2022 auf dem Kapitel für Praktika vorgesehenen Mittel im Vergleich zum Finanzjahr 2021 um 41 Prozent gekürzt worden sind. Man hat den Eindruck, man will die Ressourcen für Berufsausbildung, Berufsberatung und Weiterbildung einsparen, ohne diese Mittel stattdessen für Projekte einzusetzen, die den vorrangigen gesellschaftlichen Bedürfnissen dieser besonderen Zeiten Rechnung tragen. Die Landesräte Achammer und Vettorato haben vor den Medien erklärt, dass es einen Anstieg an lobenswerten Maßnahmen im Sinne einer aktiven Arbeitspolitik gegeben habe, etwa seien Ausbildungspraktika geschaffen worden, um den Arbeitsmarkt nach der pandemiebedingten Krise zu unterstützen. Doch haben sie dazu keinerlei Daten geliefert, die einen Vergleich zwischen dem Ist-Zustand und der Vergangenheit ermöglichen würden.”
LR Philipp Achammer schlug vor, den Antrag zu vertagen, um sich zuvor ein paar Klärungen zu beschaffen. Es habe in seinem Ressort keine Kürzung bei den Ausbildungspraktika gegeben, auch im nächsten Jahr würden diese Mittel gleichbleiben. Die Zielsetzung des Antrags könne er teilen. LR Giuliano Vettorato präzisierte, dass man mit dem genannten Beschluss der Landesregierung nur eine neue Möglichkeit geschaffen habe. Die vorgesehenen Mittel seien auch im italienischen Ressort auf der Höhe jener für die vorangegangenen und voraussichtlich auch für die zukünftigen Jahre. Sandro Repetto bat um Vertagung.
Gerechtere EEVE, Ötzi-Standort
Beschlussantrag Nr. 509/21: Gerechtere Einkommens- und Vermögenserklärung (EEVE) (eingebracht von den Abg. Atz Tammerle und Knoll am 15.11.2021). Der Landtag möge die Landesregierung beauftragen, 1) gemeinsam mit den Vertretern der Sozialpartner bisher aufgetretene individuelle Härtefälle zu analysieren und die gesetzlichen Voraussetzungen so anzupassen, um den individuellen Lebenssituationen der Betroffenen Rechnung zu tragen. 2) gemeinsam mit den Vertretern der Sozialpartner das derzeitige starre Berechnungssystem der EEVE in Südtirol zu überarbeiten und situationsgerecht anzupassen.
“Klagen über Mängel und Ungerechtigkeiten bei der EEVE kommen immer wieder von Seiten der Bürger sowie von Gewerkschaften und Sozialpartnern”, berichtete Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit). “Besonders angespartes Eigenkapital oder materielle Besitztümer führen immer wieder zur Situation, dass Antragsteller ungerechterweise durch den Rost fallen. Grund dafür ist, wie so oft, dass die Zahlen auf dem Papier und die Berechnungskriterien eine andere Situation aufzeigen, als die Realität ist.” Wer für ein Eigenheim spare, werde bestraft. “Genauso geht es Personen, die über ein Eigenheim verfügen, für das sie ihr Leben lang gearbeitet, gespart und Darlehensraten abgezahlt haben.” Ebenso besäßen einige eine Zweitwohnung, deren Mieteinnahmen ihnen als Zusatzrente oder Rentenersatz diene. In der Realität verfügten diese Personen aber über keine flüssigen Mittel.
Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) hielt die Grundausrichtung des derzeitigen Systems hingegen für richtig. Wer Reserven oder eine Zweitwohnung habe, sei besser dran als jemand, der sie nicht habe. Die EEVE müsse auf sicheren Daten beruhen und könne daher nicht auf Einzelfälle eingehen. Man sollte überlegen, die Kriterien zu aktualisieren, auch vor dem Hintergrund der Pandemie.
Maria Elisabeth Rieder (Team K) erinnerte daran, dass die EEVE 2017 für den Wohnbau eingeführt und dann aufgrund von ersten Anwendungsschwierigkeiten angepasst wurde. Die Berechnungen müssten starr sein, denn die Regeln sollten für alle gleich sein. Sie fragte, wie weit der Expertentisch zur Überarbeitung der Kriterien sei. Wenn man das Wort “starre” in Punkt 2 streiche, könne man dem Antrag zustimmen.
Helmuth Renzler (SVP) unterstützte die Überlegungen Repettos. Individuelle Regelungen würden dem Missbrauch Tür und Tor öffnen. Die EEVE sei 2011 nach langen Verhandlungen eingeführt worden. Sie sei ein Kompromiss, der teilweise der Überarbeitung bedürfe. Er und Kollegin Amhof hätten eine Überprüfung ihrer Anwendung in der Wohnbauförderung gefordert. Die Sozialpolitik sei nicht mehr kohärent und folge dem Gießkannenprinzip. Das Ziel müsse die Unterstützung der Bedürftigen sein. Dem Antrag Knolls könne er nicht zustimmen, weil er in die entgegengesetzte Richtung gehe.
Die EEVE solle niemanden bevorzugen, aber auch niemanden benachteiligen, meinte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Als Beispiel nannte er eine geerbte Wohnung, in der z.B. die Mutter noch das Wohnrecht habe. Diese Wohnung bringe keinen wirtschaftlichen Vorteil. Mit diesem Antrag wolle man erreichen, dass solche Personen nicht durch den Rost fallen.
Die EEVE sei eine Datenbank, die Einkommen und Vermögen erfasse, stellte LR Waltraud Deeg fest. Solche Instrumente würden eingeführt, wenn die Geldmittel nicht mehr für alle reichten. Die Wohnbauförderung habe in den 90-ern 10 Prozent des Haushalts ausgemacht, heute 1,6 Prozent, daher müsse man schauen, wie man die Summe aufteile. Die EEVE begünstige durch ihre Kriterien die Familien, und es gebe Freibeträge für das Vermögen. Das derzeitige System sei nicht so schlecht aufgestellt, das zeige sich vor allem in Krisensituationen. Die EEVE sei wie gesagt eine Datenbank, eine neutrale Berechnungsbasis, nicht ein System, das über die Zuweisung entscheide. Für Notfälle gebe es für Härtefälle eigene Fonds bei den Bezirksgemeinschaften. Wenn man die EEVE abschaffen würde, hätte man eine so breite Streuung, mit der niemandem geholfen wäre. Von Abschaffung habe niemand geredet, erwiderte Myriam Atz Tammerle. Es gebe aber verzwickte Situationen, die durch den Rost fielen, z.B. Personen, die aus Krankheitsgründen nicht arbeiten könnten und von Mieteinnahmen lebten. Das Berechnungssystem sollte flexibler sein. Das Wort “starre” könne man gerne aus dem Punkt 2 streichen. Der Antrag wurde mit acht Ja, 18 Nein und vier Enthaltungen abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 510/21: Das Ötzi-Museum gehört ins Stadtzentrum von Bozen (eingebracht von den Abg. Köllensperger, Ploner A., Ploner F. und Rieder am 15.11.2021). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. Innerhalb Jahresendes eine Grundsatzentscheidung im Sinne der Sinloc – Studie (und deren drei Erstplatzierten) für den Verbleib des Ötzi-Museums im Bozner Stadtzentrum zu treffen. 2. In der Folge ein eigenes Projekt für das neue Heim der Gletschermumie zu erstellen.
Zum Standort sei eine Studie in Auftrag gegeben (SINLOC), und die drei ersten Plätze lägen in der Altstadt, erklärte Paul Köllensperger (Team K). Die Wunschlösung des Team K wäre die Pascolischule gewesen, damit den Touristenfluss über die Talfer hinaus verlängert. Seine persönliche Ideallösung sei das INA-Gebäude. Aber klar sei, dass der Standort in der Stadt liegen müsse, nicht auf dem Virgl. Der Virgl stehe teilweise unter Schutz, und auch dank der SVP seien die Bozner Hänge bislang nicht verbaut worden. Die Stadt-SVP sei klar für einen Standort im Zentrum. Sollte es an Geld mangeln, könnte man immer noch Archäologie- und Stadtmuseum verbinden, auch unterirdisch. Die Landesregierung sollte die Grundsatzentscheidung treffen, dass der Platz im Zentrum liegen müsse. Kriterium müsse das öffentliche Interesse sein, und das Virglprojekt diene allein dem privaten Interesse.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) präzisierte, dass der heutige Standort das Gebäude der Österreichischen Nationalbank war. Ein Grund mehr, um Ötzi dort zu belassen. Auf jeden Fall sei er im Stadtzentrum am besten aufgehoben. Leider sei eine Verbindung zum Stadtmuseum nicht aufgegriffen worden. Man sollte überlegen, ein reines Ötzimuseum zu machen anstatt eines allumfassenden Archäologiemuseums. Die schlechteste Lösung sei das Virglprojekt. Ein Museum brauche ein Umfeld von anderen kulturellen Einrichtungen. Knoll bat um getrennte Abstimmung zu Punkt 2, da er eigentlich nicht für einen neuen Standort sei.
Seine Partei habe sich schon beizeiten für einen Standort im Zentrum ausgesprochen, erklärte Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten). Das INA-Gebäude wäre ideal gewesen, wegen der Nähe zum Stadtmuseum. Das Virglprojekt sehe er auch deswegen kritisch, weil es die auch Verlegung des Auditoriums vorsehe. Das Virglprojekt sei nicht gratis.
Carlo Vettori (Forza Italia Alto Adige Südtirol) begrüßte den Antrag. Der derzeitige Standort sei leider nicht mehr angemessen, das zeigten die Schlangen vor dem Eingang. Die SINLOC-Studie sei zwar nicht ganz neutral, aber sie zeige klar, dass ein Standort im Zentrum zu bevorzugen sei. Der Virgl sei nicht so weit weg vom Zentrum, und er habe eine Aufwertung nötig. Es wäre auch ein guter Standort für das Auditorium. Der Alpenzoo in Innsbruck liege auch nicht im Zentrum, aber er sei von dort aus gut erreichbar. Der Antrag komme aber zu einer Zeit, in der ein wissenschaftlicher Beirat über die Frage berate.
Eine Diskussion über den Ötzi-Standort sei unangenehm, wenn sie einen kommerziellen Einschlag bekomme, meinte Riccardo Dello Sbarba (Grüne). Im Vordergrund müsse die Kultur stehen. Der Ötzi sei öffentliches Gut und deswegen Gegenstand öffentlicher Finanzierungen und Projekte, das könne man nicht einem Privaten überlassen. Der Virgl habe ein Problem mit der Erreichbarkeit, vor allem wenn große Gruppen dorthin wollten. Das Ex-Enel-Gebäude sei keine schlechte Lösung, im zukünftigen Ex-Kerker daneben könnte das Naturkundemuseum Platz finden.
Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia) kritisierte die Inbrunst, mit der die verschiedenen Standorte beworben würden. Das Land habe der SINLOC den Auftrag gegeben, um das zu bekommen, was es hören wollte. Es fehle eine ökonomische Bewertung der Standorte. Er selbst wäre für die Pascolischule gewesen, für einen Anziehungspunkt außerhalb der Altstadt. Er wolle nicht für den Virgl Partei ergreifen, aber auch das sei eine mögliche Lösung.
Gerhard Lanz (SVP) erklärte, seine Fraktion könne den Antrag nicht annehmen, vor allem, weil derzeit die Bewertungen zu den einzelnen Vorschlägen vorgenommen würden.
LH Arno Kompatscher sah es als einen Glücksfall, dass man sich eine Diskussion über einen Standort leisten könne. Andere Regionen hätten größere Probleme. Der derzeitige Standort habe nicht die Eigenschaften, die heute für ein solches Museum nötig seien. Es gehe nicht nur um den Ötzi, sondern auch um die anderen archäologischen Funde. Der derzeitige Standort könne leider nicht erweitert werden, das sei mehrmals überprüft worden. Das Unternehmen SINLOC sei mit einem europäischen Wettbewerb ausgewählt worden, es gelte in Italien zu den renommiertesten in Sachen PPP und Ausschreibungen. Als die Studie erschienen sei, habe sich jeder selbst zum Experten erklärt, wie beim Virus. Man habe als Kriterium auch die Aufwertung eines Stadtviertels im Auge gehabt. Fünf Standorte seien positiv bewertet und dann nach Kriterien gereiht worden. Das Viertel mit dem ENEL-Gebäude sei derzeit eher benachteiligt. Die Quästur werde übersiedelt, dort würden Wohnungen entstehen. Auch das Gefängnis werde ausziehen. Außerdem gebe es die Nähe zur Eurac. Aus diesen Gründen sei das Gebäude ganz oben gereiht worden, das sei aber noch keine Entscheidung. Nun müsse berechnet werden, wieviel das kosten würde und ob es alternative Finanzierungsmodelle gäbe, etwa durch PPP. Was der Antrag fordere, laufe gerade. Dem Ergebnis sollte der Landtag nicht vorgreifen. Wenn das vorliege, werde man darüber informieren.