Von: mk
Bozen – Der Landtag hat sich heute mit dem Beschlussantrag Nr. 448/21: Ausbildungsoffensive Pflege (eingebracht von der Abg. Amhof am 11.05.2021) befasst.
Der Landtag möge die Landesregierung beauftragen, die Südtirolerinnen und Südtiroler durch alle verfügbaren Kanäle über die verschiedenen Ausbildungsmöglichkeiten im Bereich Betreuung und Pflege zu informieren und eine Plattform zu errichten, die sämtliche Ausbildungsmöglichkeiten definiert und eine klare Übersicht gewährt; den Freiwilligendienst im Pflege- und Betreuungsbereich auszubauen, um mehr Menschen für den Pflegeberuf zu sensibilisieren und zu gewinnen; dafür Sorge zu tragen, dass bisher unbezahlte Praktika im Bereich Pflege entgolten werden; Mitarbeitende der Dienste und Auszubildende aus Landesfachschulen und Universität als BotschafterInnen für die Betreuungs- und Pflegeberufe im Rahmen der Berufsberatung in Südtirols Schulen einzuladen und ihnen interessante Austauschprogramme (z.B. Erasmus +) anzubieten; Wiedereinstiege und Umschulungen im Bereich Betreuung und Pflege stark zu fördern, in besonderer Weise durch die Stärkung der dezentralen Ausbildungsangebote in den Bezirkshauptorten und die Verwendung von EU-Fonds für die Stärkung des Ausbildungsangebotes.
“Bis zum Jahr 2040 wird sich die Zahl der Pflegebedürftigen im Vergleich zu heute verdoppeln”, erklärte Magdalena Amhof (SVP). “Immer mehr Menschen brauchen die Unterstützung von ausgebildeten Pflegekräften – immer mehr Pflegebedürftige werden von immer weniger Pflegerinnen und Pflegern betreut werden. Ein Ungleichgewicht, das sich insbesondere seit der Corona Pandemie erheblich verschärft hat und spätestens jetzt auch der Südtiroler Bevölkerung schmerzlich bewusst wird. In Pflegesituationen herrscht akuter Personalmangel! Dieser zeigt sich aktuell, wenn nicht geimpftes Personal in andere Bereiche versetzt oder gar suspendiert werden muss. Ungünstige Arbeitszeiten, Schicht- und Wochenendarbeit, die große Verantwortung und ein immerwährendes Gesundheitsrisiko machen Pflegeberufe wenig attraktiv. PflegerInnen arbeiten viel unter Stress und die psychische und körperliche Belastung bei der Arbeit am Patienten ist hoch. Die Gehälter sind im Vergleich zu den oft harten und anspruchsvollen Bedingungen zu gering. Viele PflegerInnen verlieren die Motivation und vor allem seit Corona wollen viele Menschen nicht mehr im diesem Bereich arbeiten. Es braucht dringend Maßnahmen, um den Pflegenotstand zu beheben. Damit die aktuelle und auch die zukünftige Generation von einer zuverlässigen Pflege profitieren können, muss jetzt ein nachhaltiges System geschaffen werden, welches mit einer klaren Ausbildungsoffensive in diesem Bereich beginnen muss. Das Berufsbild der Pflege muss als krisensicher, zukunftsträchtig und finanziell interessant vermittelt werden.” Amhof erinnerte daran, dass sie nicht als einzige dieses Thema aufgegriffen habe, auch Maria Elisabeth Rieder und Andreas Leiter Reber hätten einen entsprechenden Antrag vorgelegt.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) kündigte Stimmenthaltung an. Er sei nicht gegen die vorgeschlagene Ausbildung, er sei gegen die Botschaft. Der Landtag habe diese Woche den Pflegekräften die Botschaft gesandt, dass es ihn nicht interessiere, wenn sie wegen des Impfzwangs ihre Arbeit verlieren. Der Antrag lasse einen wichtigen Aspekt aus, die Anerkennung der Ausbildung im Ausland. Diese dauere derzeit über 12 Monate, ein Grund für viele, nicht nach Südtirol zurückzukehren. Auch an die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei zu denken. Diese Menschen müsse man nicht nur in Krisenzeiten loben, sondern auch im normalen Alltag unterstützen.
Brigitte Foppa (Grüne) kündigte Unterstützung an. Der Antrag gehe in die richtige Richtung. Das Ansehen sei das erste, das zu ändern sei, viele im Pflegeberuf würden unter dem geringen Ansehen leiden. Um die Pflegelücke, die ganz Europa betreffe, zu schließen, werde es vieles brauchen, unter anderem das lebenslange Lernen, die Steigerung der Attraktivität des Berufs bei Männern u.a.
Maria Elisabeth Rieder (Team K) sah im Antrag viel Positives, aber auch Schwachstellen. Es werde nicht genügen, nur an die Ausbildung zu denken. Als Arbeitnehmervertreterin sollte Amhof ihren Kollegen auf die Finger klopfen, damit bei den Tarifverhandlungen endlich etwas weitergehe. Für die Ausbildung wären Außenstellen der Claudiana hilfreich. Die extreme Bürokratie bei der Anstellung müsse vermieden werden. Ein Eignungswettbewerb nach einem Studium sei absurd, ebenso die Zweisprachigkeitsprüfung nach einem dreisprachigen Studium. Sie werde dem Antrag zustimmen, würde aber konkretere Vorschläge bevorzugen.
Sein Antrag von 2019, der das gleiche forderte, sei abgelehnt worden, bemerkte Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten). Der Kurs könnte von 3 auf 1 Jahr gekürzt werden für jene, die bereits eine gewisse Zeit im soziosanitären Bereich gearbeitet hätten. Aufzubessern seien Kommunikation und Gehalt. Die privaten Strukturen fänden leichter Personal, 50 von 100 Absolventen würden aus Südtirol wegziehen.
Wer mehr Ausbildung fordere, müsse auch mehr Bezahlung fordern, meinte Hanspeter Staffler (Grüne), sonst laufe das Ganze ins Leere. Es wäre Zeit für ein organisches Gesetz zum Thema. Man brauche etwas Verpflichtendes für die Zukunft, um eine Pflegekatastrophe rechtzeitig abwenden zu können. Der Antrag sei formuliert worden, nachdem klar geworden sei, dass viel Pflegepersonal sich nicht impfen lassen würde, meinte Josef Unterholzner (Enzian). Rund hundert stünden kurz vor der Entlassung. Es hätte gut getan, wenn gestern alle für den Begehrensantrag gegen den Impfzwang gestimmt hätten. Mit vorliegendem Antrag werde man den Notstand kurz- oder mittelfristig nicht beheben können. Es wäre besser, die erfahrenen Kräfte zu behalten. Er werde sich der Stimme enthalten.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) kritisierte solch parteipolitisches Kalkül bei Abstimmungen; das mache sonst immer die SVP. Die Prämissen des Antrags sagten ziemlich dasselbe wie sein Antrag, der von der SVP abgelehnt worden sei. Amhof fordere einige Punkte, die er und andere immer wieder aufs Tapet gebracht hätten. LR Philipp Achammer berichtete, dass der Arbeitsmarkt laut jüngsten Zahlen sehr schnell wieder anziehe. Die Landesregierung peile eine dezentrale Ausbildung für Pflegehelfer an, ebenso berufsbegleitende Angebote. Wie für die Claudiana-Praktikanten werde es auch für jene der Hannah Arendt ein Taschengeld geben.
LR Thomas Widmann begrüßte den Antrag. Die Pflegeberufe seien ein weites Spektrum. Es sei richtig, in den Tarifverhandlungen entsprechende Aufbesserungen vorzusehen. Die Verhandlungen würden voraussichtlich bald zum Abschluss kommen. Um die Zweisprachigkeitsprüfung komme man nicht herum, die sei Vorgabe des Statuts. Die Durchlässigkeit an der Claudiana sei verbessert worden.
LR Waltraud Deeg dankte Amhof ebenfalls für den Antrag. Die Botschaft, die der Landtag in diesem Jahr gegeben habe, sei eine deutliche Anerkennung der Leistung der Pflegerinnen und Pfleger gewesen. Man habe im Nachtragshaushalt auch 10 Mio. Euro für Corona-Prämien bereitgestellt. Sie habe während des Studiums freiwillige Pflegearbeit geleistet und wisse, dass dieser Beruf eine Berufung sei. Magdalena Amhof räumte ein, dass ihr Antrag nicht vollständig sei, das habe sie auch nie behauptet. In dieser Debatte seien noch viele gute Vorschläge gebracht worden. Sie habe sich in ihrem Antrag auf die Ausbildung konzentriert, aber sicher brauche es auch die anderen Bereiche. Was die Zweisprachigkeitsprüfung betreffe, so könne man diese auch während der Ausbildung anbieten. Der Antrag wurde mit 30 Ja und drei Enthaltungen angenommen.
Begehrensantrag Nr. 24/21: Leitlinien für den Kodex der Verträge für die Vergabe öffentlicher Aufträge (codice degli appalti) zur Beschleunigung investiver Maßnahmen zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie (eingebracht von den Abg. Lanz und Tauber am 11.05.2021). Der Landtag möge Regierung und Parlament auffordern, bei einer Überarbeitung des Kodex der Verträge für die Vergabe öffentlicher Aufträge (codice degli appalti) folgende Grundsätze anzuwenden: 1. Orientierung an den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, der Qualität, der Arbeitsrechtsbestimmungen, der Umweltschutzbestimmungen und der Verhältnismäßigkeit. 2. Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von KKMU durch die Aufteilung der öffentlichen Aufträge in quantitative Lose und qualitative Lose. Der gegenteilige Fall muss von der Vergabestelle begründet werden. 3. Unbefristete Aufrechterhaltung der mit dem „decreto semplificazione“ eingeführten Schwellenwerte, um bei Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen vereinfachte Vergabeverfahren anwenden zu können. 4. Reduzierung der Anzahl der einzuladenden Wirtschaftsteilnehmer bei Verhandlungsverfahren. 5. Schaffung von zentralen digitalen Datenbanken, um bei Wirtschaftsteilnehmern repetitive Fragen nach Dokumenten etc. zu vermeiden und mit der Zielrichtung, den gesamten Prozess zu digitalisieren und langfristig den „Umschlag A“ zu eliminieren. 6. Beschleunigung der Vergabe durch die Anwendung des im Kodex unter dem Begriff „inversione procedimentale“ verankerten Grundsatzes. Die Überprüfung der Zugangsvoraussetzungen des Wirtschaftsteilnehmers zum Wettbewerb erfolgt dabei nach der Öffnung / Bewertung des wirtschaftlichen Angebotes. 7. Einführung des Systems einer Preisgleitklausel, um sowohl den Vergabestellen als auch den Wirtschaftseilnehmer bei großen Preisschwankungen die Möglichkeit einer Preisrevision zu geben. 8. Vereinfachung des Zuganges zu SOA Zertifizierungen und Gültigkeitsverlängerung bei bestehenden Zertifizierungen aufgrund der derzeitigen wirtschaftlichen Lage in Folge der Corona Pandemie. 9. Abschaffung der provisorischen Kaution bei PPP auf Privatinitiative. 10. Bestimmung des Vergabeverfahrens durch die einzelne Losgröße und nicht durch den Gesamtwert – ausgenommen, wenn dieser über der EU-Schwelle liegt.
“Die Vergabe von Aufträgen und Konzessionen durch öffentliche Auftraggeber ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, sie betrifft eine Vielzahl von Aufträgen in den Bereichen Lieferungen, Dienstleistungen und Bauleistungen”, erklärte Gert Lanz (SVP). “Auf Staatsebene wurden mit dem decreto semplificazione vom 16.07.2020, in Folge Gesetz vom 11. September 2020 Nr. 120, verschiedene Erleichterungen im öffentlichen Vergabewesen zeitlich begrenzt eingeführt. Derzeit ist eine Anpassung des Kodex der Verträge auf Staatsebene notwendig, um vor allem auch die Investitionsgelder, welche über den Recovery Fund bereitgestellt werden sollen, möglichst zielgerichtet, schnell und unbürokratisch auf den Markt zu bringen.” Ein Beispiel: Das Südtiroler Vergabegesetz ermögliche die Aufteilung in Lose, damit auch KMU zum Zuge kommen, aber die EU verlange die Berücksichtigung des Gegenwerts aller zusammengehörenden Lose, was das Verfahren wieder erschwere.
Josef Unterholzner (Enzian) stimmte nahezu allen Punkten des Antrags zu. Der Antrag fordere Verhältnismäßigkeit und Kosten-Nutzen-Bewertung, was er beim Landeshaushalt vermisse. Im Widerspruch zum Antrag stehe auch die Aufstockung des Personals der Vergabestelle; stattdessen sollte die Vergabe einfacher gestaltet werden. Die Preisgleitklausel sei in der Privatwirtschaft schon lange Praxis.
Auch Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) sprach sich für den Antrag aus, wies aber darauf hin, dass Italien von der EU wegen zu großer Aufteilung in Lose gerügt worden sei. Er habe einen Antrag zur Beschleunigung des Verfahrens eingebracht, der auch eine Aufstockung und Weiterbildung des Personals der Vergabestelle vorsehe. Der Antrag greife in ein sehr komplexes System an Normen ein, bemerkte Hanspeter Staffler (Grüne). Die italienischen Bestimmungen seien auch deshalb so komplex, weil es sehr viel Missbrauch gegeben habe. Der Antrag habe für Südtirol seinen Sinn, werde aber in Rom nicht durchkommen. Mehr Lose, wie in Punkt 2 gefordert, seien nur durch mehr Personal zu schaffen. Beschleunigung sei sinnvoll, wichtiger aber sei das Ergebnis.
Helmut Tauber (SVP) erinnerte daran, dass nun EU-Mittel zur Krisenbewältigung zur Verfügung stünden, die schnell eingesetzt werden müssten. Die Regeln werde Rom vorgeben, aber man könne Rom Impulse geben, damit es zu einer Vereinfachung komme und damit auch kleine Betriebe zum Zug kommen. Peter Faistnauer (Team K) dankte für den Antrag, wies aber darauf hin, dass das Prinzip der Rotation bleiben werde. Er erinnerte auch an den entsprechenden Antrag von Köllensperger zugunsten der KMU.
Franz Locher (SVP) sah den Vorschlag vor allem als Unterstützung für die kleinen Unternehmen. Beim Holzsektor herrsche derzeit Unsicherheit über die Preisentwicklung, und das könne bei kleinen Unternehmen schwierig werden.Es könnte in Zukunft schwieriger werden, für einen öffentlichen Bau Unternehmen zu finden, auch wegen des Fachkräftemangels.
Die Stoßrichtung sei richtig, befand Paul Köllensperger (Team K), wollte aber zwischen den einzelnen Punkten differenzieren. Einiges sei bereits im Vergabegesetz enthalten. Die Aufrechterhaltung der Schwellenwerte sei positiv, werde aber zu mehr Direktvergaben führen; man müsse aufpassen, dass die Rotation eingehalten werde. Die Zahl der einzuladenden Unternehmen sollte man besser nicht reduzieren. Die Überprüfung der Zugangsvoraussetzungen des Wirtschaftsteilnehmers zum Wettbewerb nach der Öffnung / Bewertung des wirtschaftlichen Angebotes sei bereits vorgesehen. Bei einer Preisgleitklausel müsse man alle Teilnehmer gleich behandeln. Problematisch und wahrscheinlich nicht zulässig sei Punkt 10, damit könnte man das ganze Gesetz aushöhlen. Der Gesamtwert müsse immer berücksichtigt werden.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) bezeichnete das Vergabegesetz als einen der wenigen Erfolge der letzten Jahre. Man brauche es nicht ändern, nur anwenden. Einige Punkte des Antrags wären noch zu klären, Punkt 10 widerspreche dem EU-Recht, da mache man sich in Rom lächerlich. Die Vergabestellen sollte man anhalten, das Landesgesetz zu nutzen.
LH Arno Kompatscher wies darauf hin, dass es ein Begehrensantrag an das Parlament sei. Südtirol habe seine Hausaufgaben bereits gemacht. Es gehe darum, den staatlichen Kodex zu überarbeiten. Der zuständige Minister habe die Regionen zu Vorschlägen aufgefordert. Diese Aufgabe habe bei uns Kollege Lanz übernommen. Viele der vorgeschlagenen Änderungen wären für Südtirol indirekt von Vorteil, einige direkt, weil das Land hier keine Zuständigkeit habe. Südtirol sei relativ schnell mit dem Vergabeverfahren, zu Verzögerungen führten die Rekurse des Zweit- oder Drittplatzierten. Damit müsse man immer rechnen, auch wenn alles perfekt abgelaufen sei. Der Gewinner werde damit erpressbar, weil er nicht mehr planen könne. Die Aussetzung sollte deshalb nur die Ausnahme sein. Er habe gestern in Rom von drei Ministern Zustimmung für die Vorschläge erhalten.
Gert Lanz (SVP) bezeichnete die Aufteilung in Lose als wichtige Errungenschaft. Die Aufteilung sei nicht teurer, eine Planung für die einzelnen Gewerke brauche es auf jeden Fall. Bei einem Auftrag an ein Generalunternehmen müsse dieses die Aufteilung vornehmen, und das gehe nicht schneller. Wenn man die Vergabe vereinfache, könnten viele Vergaben vor Ort gemacht werden. Die absolute Rotation sei schwer umsetzbar, werde auch von den Betrieben nicht gewünscht, die vielleicht auf einen größeren Auftrag im nächsten Jahr hofften. Der Antrag wurde in mehreren Teilabstimmungen zu den einzelnen Punkten mit breiter Mehrheit (28-32 Ja, Punkt zehn mit 20 Ja) angenommen.