Von: APA/Reuters/dpa
Die Ukraine hat laut britischen Medienberichten erstmals russisches Gebiet mit britischen Raketen des weiterreichenden Typs Storm Shadow beschossen. Das berichtete die Agentur Bloomberg sowie unter anderem “Financial Times” und “Guardian” unter Berufung auf ungenannte Insider-Quellen. Ein Sprecher des britischen Premierministers Keir Starmer erklärte, sein Büro werde sich nicht zu Berichten oder operativen Angelegenheiten äußern.
Auch das britische Verteidigungsministerium wollte sich auf dpa-Anfrage nicht zu den Berichten äußern. Die Regierung in London hatte sich bisher stets ausweichend zu den Bedingungen für den Storm-Shadow-Einsatz durch die Ukraine für den Abwehrkampf gegen die russischen Angreifer geäußert.
Der “Telegraph” berichtete, es seien Trümmerteile der Marschflugkörper in dem Ort Marjino im russischen Gebiet Kursk knapp 45 Kilometer entfernt von der Grenze gefunden worden. Der Gouverneur von Kursk, Alexej Smirnow, teilte im Kurznachrichtendienst Telegram mit, es seien zwei Raketen abgeschossen worden. Er nannte aber keine Details.
Der Kanal Two Majors im Kurznachrichtendienst Telegram meldete am Mittwoch, die Ukraine habe bis zu zwölf Marschflugkörper vom Typ “Storm Shadow” auf die Region Kursk abgefeuert. In dem Kanal wurden Aufnahmen veröffentlicht, auf denen Gehäuseteile und die Aufschrift “Storm Shadow” deutlich zu erkennen ist.
In den von russischen Kriegsberichterstattern veröffentlichten Videos sind mindestens 14 gewaltige Explosionen zu hören. Die Aufnahmen, die in einem Wohngebiet gemacht wurden, zeigen schwarzen Rauch, der in der Ferne aufsteigt. Es soll sich um die Einschläge der Storm Shadows handeln.
Erst kürzlich hatten die USA der Ukraine nach Medienberichten gestattet, Raketen mit größerer Reichweite aus US-Produktion gegen Ziele in Russland einzusetzen. Die Ukraine schoss nach Darstellung Moskaus sechs ATACMS-Raketen auf russisches Territorium.
Marschflugkörper für Präzisionsangriffe
Der britische Storm Shadow ist ein luftgestützter Marschflugkörper mit einer Reichweite von mehr als 250 Kilometern für Präzisionsangriffe auf Ziele wie Bunker oder kritische Infrastrukturen. Sie sind baugleich mit den französischen Scalp-Raketen.
Die Ukraine verteidigt sich im dritten Jahr gegen einen Angriffskrieg Russlands. Präsident Wolodymyr Selenskyj bat seit längerem darum, weitreichendere Waffen von westlichen Partnern auf russischem Territorium einsetzen zu können. Als Begründung wurde angeführt, dass dies für den Kriegsverlauf entscheidend sei.
Großbritannien hatte zuvor zwar erklärt, die Ukraine könne Storm-Shadow-Marschflugkörper nur innerhalb des ukrainischen Territoriums einsetzen. Zugleich drängte die Regierung in London darauf, dass die USA eine Erlaubnis für den Einsatz solcher Waffen auch auf russischem Gebiet erlaubten. Dem hat US-Präsident Joe Biden Insidern zufolge für US-Raketen mittlerweile stattgegeben.
Die US-Freigabe gilt als Antwort auf den vermuteten Einsatz nordkoreanischer Soldaten aufseiten Moskaus. Russland wiederum betrachtet die US-Waffen als eine Eskalation und eine Verwickelung der USA und anderer westlicher Staaten in den Krieg.
US-Hilfe von 275 Millionen US-Dollar
Die USA stellen der Ukraine zur Abwehr des russischen Angriffskriegs weitere Militärausrüstung zur Verfügung. Das Paket habe einen Umfang von rund 275 Millionen US-Dollar (rund 261 Millionen Euro), teilte das US-Verteidigungsministerium mit. Es enthalte unter anderem Munition für das Raketenwerfersystem vom Typ Himars, das eine Reichweite von rund 80 Kilometern hat. Geliefert würden auch Drohnen und Artilleriemunition der Kaliber 155 und 105 Millimeter und Panzerabwehrwaffen.
Die USA sind der größte Waffenlieferant der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland. Nach Angaben des Pentagons haben die USA seit Kriegsbeginn militärische Hilfen im Umfang von mehr als 60,4 Milliarden US-Dollar (rund 55,7 Milliarden Euro) für Kiew bereitgestellt.
Washington will auch Minen liefern
Biden habe auch die Lieferung von Schützenminen angeordnet, berichtete die “Washington Post”. Verteidigungsminister Lloyd Austin bestätigte den Bericht und erklärte die veränderte Haltung mit einer neuen Kampftaktik der Russen.
Die Minen sind nach Meinung des Pentagon ein wirksames Mittel, um das Vordringen der russischen Einheiten im Donbass zu verlangsamen. Denn die russischen Truppen setzten nun vermehrt Soldaten zu Fuss ein, statt mit Panzern und anderen schweren Fahrzeugen vorzupreschen, sagte Austin. Um dem etwas entgegenzusetzen, stelle die Ukraine selbst Minen her. Vorteil der US-Minen sei, dass man kontrollieren könne, wann sie sich selbst aktivierten und detonierten. “Und das macht sie letztendlich viel sicherer als die, die sie selbst herstellen”, sagte Austin.
Deutschland schickt gepanzerte Fahrzeuge und Drohnen
Deutschland hat der Ukraine weitere Militärhilfe in Form von gepanzerten Fahrzeugen, Artillerie und Drohnen geschickt. Dazu zählen vier weitere Panzerhaubitzen 2000 sowie sieben Haubitzen M109, wie aus der aktualisierten Liste der Bundesregierung zu Rüstungshilfen hervorgeht. Dazu wurden 41.000 Schuss Artilleriemunition vom Kaliber 155 mm geliefert.
Ebenfalls zum Paket gehören 47 weitere minengeschützte Fahrzeuge MRAP zum Transport von Infanteristen im Frontgebiet und acht Luftlandefahrzeuge vom Typ Caracal. Die Ukraine bekam auch zwei weitere Brückenlegepanzer Biber, drei Minenräumpanzer Wisent sowie acht Schwerlastsattelzüge Oshkosh. Weiter gab es mehr als 300 Aufklärungsdrohnen verschiedener Typen, mehr als 100.000 Schuss Munition für Handfeuerwaffen sowie Sanitätsmaterial.
Deutschland ist mengenmäßig hinter den USA zweitstärkster Unterstützer der Ukraine, die sich seit 1.001 Tagen gegen eine russische Invasion wehrt. Gemessen an der Wirtschaftskraft geben aber die Länder in Nord- und Osteuropa mehr.
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