„Das kleine Europa Italiens“

Meran: Bewerbung zur Kulturhauptstadt stößt auf Kritik

Freitag, 15. September 2017 | 11:51 Uhr

Meran – Unter dem Titel „Das kleine Europa Italiens“ bewirbt sich Meran als Kulturhauptstadt Italiens 2020. Bürgermeister Paul Rösch und Vizebürgermeister Andrea Rossi präsentierten im Zuge der heutigen Pressekonferenz das 60-seitige Bewerbungsdossier, das zahlreiche Programmpunkte und umfangreiche Investitionen vorsieht.

Mit dem heutigen 15. September lief die Frist ab, die das Ministerium für Kulturgüter und Tourismus in Rom den interessierten Gemeinden für die Abgabe der Unterlagen für die Bewerbung als Kulturhauptstadt Italiens gesetzt hatte. Die Stadt Meran ist dem Aufruf gefolgt und hat ihr Bewerbungsdossier gestern Vormittag eingereicht. „Die Tatsache, dass hier die italienische und die deutsche Sprachgruppe gleich stark vertreten sind, hat Meran zu einem kleinen Europa Italiens werden lassen. Das ist auch das Motto unserer Bewerbung“, sagte Rösch.

Kulturstadt mit zwei Seelen

„Unser Ziel ist es, das Ministerium in diesem Wettbewerb mit 45 anderen italienischen Städten von der historischen und kulturellen Besonderheit Merans zu überzeugen“, sagte Rossi. „Wir sind eine Kulturstadt mit zwei Seelen: Die Begegnung und Vermischung dieser zwei Seelen steht für uns im Fokus. Schließlich wird nicht die Hauptstadt der italienischen Kultur (capitale della cultura italiana) gekürt, sondern die Kulturhauptstadt Italiens (capitale italiana della cultura)“, so Rossi weiter.

Mit dieser innovativen und durchaus auch etwas provokanten Vorgehensweise will Meran aus dem umfangreichen Teilnehmerfeld herausstechen. Zu den vorgeschlagenen Initiativen zählen etwa ein Kongress unter dem Titel „Le Merano d’Europa“, eine „Gedankenwerkstatt“ am Kasernenareal, eine neue Konzertreihe mit dem Titel „cc – connection/concerts“ im Rahmen der Meraner Musikwochen, und ein Alumni-Netzwerk für alle, die in Meran zur Schule gegangen sind. Das Programm enthält auch geplante Investitionen in Höhe von 12,6 Mio. Euro. Dazu zählen beispielsweise eine neue Bibliothek-Zweigstelle für Sinich (mit 550.000 Euro veranschlagt), ein Sitz für das Kinderbuch-Archiv Ò.P.L.A. (1,3 Mio. Euro), die Erschließung der Barbara-Kapelle für das Palais-Mamming-Museum (400.000 Euro) und ein Rundgang über den Dächern der Stadt (350.000 Euro); aber auch Ausgaben, die auf den ersten Blick nicht in den Bereich der Kultur fallen wie ein neuer Bikepoint (510.000 Euro) und der Ausbau des Spazierwegenetzes in der Stadt (535.000 Euro).

„Viele andere Städte, die in der Vergangenheit an diesem Wettberwerb teilgenommen haben, hatten deutlich höhere Budgets. Unsere Vorhaben würden durch die von der Stadverwaltung bereits für manche Projekte gebundenen Finanzmittel, durch den mit dem Wettbewerb verbundenen Staatsbeitrag in Höhe von einer Million Euro, durch finanzielle Beiträge von privaten und öffentlichen Istitutionen sowie durch Sponsoren, Vermarktung und Eintrittseinnahmen finanziert werden”, so Rossi.

Kosten der Bewerbung: 250 Euro

Um übertriebene Kosten bei der Bewerbung zu vermeiden, wurde mit der Erstellung des Dossiers wie vom Stadtrat beschlossen keine externe Agentur beauftragt; stattdessen arbeitete die Gemeinde mit zahlreichen Ehrenamtlichen aus der Meraner Kulturszene zusammen. Dank der ehrenamtlich Tätigen kostete die Bewerbung die Gemeinde unter dem Strich nur 250 Euro, die für den Druck der Bewerbungsdossiers ausgegeben wurden. Bürgermeister Rösch bedankte sich ausdrücklich bei den 50 Personen, die an der Erstellung des Dossiers beteiligt waren: „Die ehrenamtliche Mitarbeit von so vielen Bürgerinnen und Bürgern beider Sprachgruppen zeigt, dass wir eine lebendige Kulturstadt sind, auf die wir stolz sein können.“

700-Jahr-Jubiläum als Vorbild

Im Erfolgsfall kann Meran auf die kürzlich mit dem 700-Jahr-Jubiläum gemachten Erfahrungen zurückgreifen. „Sollte Meran ‘Kulturhauptstadt Italiens 2020’ werden, würden wir auf das Erfolgsrezept zurückgreifen, das wir bereits bei der Zusammenstellung des Jubiläumsprogrammes angewandt haben: die breitestmögliche Beteiligung und Miteinbeziehung der Meraner Vereine, der Stadtviertel und der BürgerInnen”, sagte Rossi. In Meran ist man aber auch gewappnet, sollte es mit der Bewerbung nicht klappen. „Natürlich haben wir bei der Erstellung des Programms mit Zuschüssen und Beiträgen gerechnet, was uns mehr finanziellen Spielraum für kulturelle Investitionen geben würde. Aber die meisten Programmpunkte sind schon im Regierungsprogramm 2015-2020 enthalten. Wir werden sie also so oder so umsetzen“, erklärte Rösch abschließend. Im Oktober und November wird eine hochkarätige Jury ein erstes Auswahlverfahren durchführen und die zehn Städte für die Shortlist zur Wahl der Kulturhauptstadt nominieren. Diese zehn Städte werden für eine ausführliche Präsentation ihres Vorschlags nach Rom eingeladen. Erst im Januar 2018 fällt schließlich die Entscheidung, welche Stadt den Wettbewerb gewonnen hat.

Das Bewerbungsdossier kann hier heruntergeladen werden.

 

Schützenbund empört über die Bewerbung Merans als Kulturhauptstadt

Mit Unverständnis reagiert der Südtiroler Schützenbund auf den nun öffentlich gewordenen Text, mit dem sich Meran als Kulturhauptstadt Italiens bewerben wollte. “Mit diesem Text, in der die deutsche Volksgruppe Südtirols als Hinterwäldler abgestempelt und die Auswirkungen des Faschismus in Teilen als positiv dargestellt werden, wird vieles von dem, was in den letzten Jahren an Vertrauen für das friedliche Zusammenleben aufgebaut worden ist, zerschlagen. Dass die Forderung nach der Tiroler Landeseinheit zu allem Überfluss auch noch als ahistorisch und extremistisch hingestellt wird, zeugt davon, dass der Verfasser des Textes wissentlich Realitäten falsch wiedergibt”, so die Schützen.

“Dieses Bewerbungsschreiben  ist nicht nur voll von Ressentiments gegen die deutsche Bevölkerung, sondern stellt darüber hinaus für den Südtiroler Schützenbund auch eine gewollte Täuschung der Jury dar, für die die Verantwortungsträger entsprechende Konsequenzen zu tragen haben”, heißt es weiter.

STF: “Meran ist nicht Italien”

Die Süd-Tiroler Freiheit Meran spricht sich gegen die Bewerbung der Stadt Meran als Kulturhauptstadt Italiens aus. “Wer Meran als italienische Kulturhauptstadt vermarkten will, setzt das friedliche Zusammenleben in Meran aufs Spiel. Gerade die großen Polemiken um des Bewerbungsschreiben in den letzten Tagen stellt einmal mehr unter Beweis, welche Belastung eine solche Bewerbung für das Zusammenleben der Sprachgruppen in Meran darstellt. Sogar die Auflösung der Regierungskoalition stand im Raum. Die tollpatschige und unsensible Vorgangsweise der grünen Teile der Meraner Stadtregierung haben das ihrige dazu beigetragen.”

“Die Stadtgemeinde Meran erfüllt von ihrer Geschichte her schon nicht die Voraussetzungen als Kulturhauptstadt Italiens. Meran ist vielmehr die alte Hauptstadt der Gefürsteten Grafschaft Tirols. Die Bevölkerung hat wenig von einer solchen Bewerbung. Zusätzlich stößt man die deutschsprachige Bevölkerung mit den irritierenden Namen “Kulturhauptstadt Italiens” vor den Kopf”, argumentiert die Meraner Ortsgruppe der Bewegung Süd-Tiroler Freiheit.

“Polemiken überschatten Bewerbung”

“Die Bewerbung Meran als Kulturhauptstadt Italiens 2020 löst schon vor dem offiziellen Start große Polemiken aus. Vor allem die verzerrten und beleidigenden Aussagen gegenüber der deutschsprachigen Bevölkerung Merans sind auf großes Unverständnis gestoßen. Damit wird genau der gegenteilige Zweck erreicht. Die Bewerbung an sich und das Bewerbungsschreiben sind ein Spaltpilz für das Zusammenleben.

Das Sahnehäubchen aber lieferte der Antragsteller Vizebürgermeister Rossi selbst in dem Entwurf des Bewerbungsschreiben, verfasst von 50 Kulturschaffenden, deutscher und italienischer Muttersprache. Darin wird die deutschsprachige Bevölkerung als engstirnig bezeichnet und der sogenannten „Disagio“ der Italiener im Lande wird groß inszeniert. Jene würden immer zu kurz kommen und der Grund und Boden sowie Hotels und Unternehmen liegen in deutscher Hand. Was den Italiener nur noch die Möglichkeit lässt ein Angestelltenverhältnis einzugehen. In anderen Passagen heißt es wiederum der Faschismus sei gut für den Tourismus oder das die Italiener die Sümpfe im Etschtal trockenlegten. Viele historische Fehler schlichen sich zudem ein”, heißt es weiter.

Alternativvorschlag

Die Süd-Tiroler Freiheit würde aber eine Kulturhauptstadt Tirols begrüßen innerhalb der Regionen Trentino, Südtirol und dem Bundesland Tirol.

Eigenes Schreiben der Süd-Tiroler Freiheit an die Bewerbungskommission?

Die Süd-Tiroler Freiheit wird in den nächsten Tagen darüber entscheiden, ob sie ein eigenes Schreiben der Bewerbungskommission zusenden wird. Sie will damit jenen Teil der Bevölkerung vertreten, welche nicht Kulturhauptstadt Italiens werden will. Gleichzeitig will man aber auch eine eventuelle verzerrte Darstellung im offiziellen Bewerbungsschreiben der Gemeinde Meran widerlegen. Nicht zuletzt will man die Kommission darum ersuchen von einer Nominierung Merans als Kulturhauptstadt Abstand zu nehmen, heißt es in einer Aussendung.

Von: luk

Bezirk: Burggrafenamt