Kriterien für Zulassung zu eng

Meran: Elterngruppe kritisiert Notfallbetreuung

Donnerstag, 21. Mai 2020 | 18:19 Uhr

Von: mk

Meran – Die kürzlich präsentierte Notfallbetreuung für Kinder im Grundschul- und Kindergartenalter hat Entwicklungspotential. Das finden zumindest 31 Elternteile, die sich zusammengeschlossen haben.

Die Regelung, dass nicht alle Eltern die kürzlich eingerichtete Notfallbetreuung für Kinder im Kindergarten- und Grundschulter in Anspruch nehmen können, sorgt für Unmut. Vor allem Eltern in Homeoffice würden an die Grenze ihrer Belastbarkeit kommen. Aus diesem Grund hat die Gruppe von Eltern aus Meran einen offenen Brief an die Politiker im Land verfasst. Es sei höchste Zeit, dieses Thema umfassend aufzugreifen und Änderungen einzuleiten.

Die Kriterien für die Zulassung seien zu eng. „Viele Eltern benötigen diesen Dienst, weil von zu Hause aus arbeiten, nebenbei Kinder unterrichten, das Familienleben organisieren und die Gesellschaft am Laufen halten eben eine kaum zu bewältigende Herausforderung ist. Für Menschen im Homeoffice ist die Notfallbetreuung jedoch nicht zugänglich. Warum? Die Politik – und sogar offizielle Vertreterinnen und Vertreter von Familieninteressen – vertraut darauf, dass Eltern allein zurechtkommen. Und irgendwie – so die Hoffnung der zuständigen Politikerinnen und Politiker – wird diese Rechnung auch aufgehen, weil Eltern immer für ihre Kinder da sind. Nachsatz: Bis zum Zusammenbruch. Und darunter leiden Arbeit und Kinder“, heißt es in dem Brief.

Die Entscheidung für eine derartige „Notfallbetreuung“ habe gravierende Konsequenzen. „Viele Eltern und Erziehungsberechtigte sind bereits jetzt, nach über acht Wochen Coronanotfalldienst zu Hause an ihren physischen und psychischen Grenzen angelangt, sie sind müde und kraftlos, viele sogar zu schwach, um sich innerhalb der 24 Stunden für die Notbetreuung zu melden oder sich jetzt darüber aufzuregen. Und das alles in jenem Moment, als Eltern erfahren, dass auch die Sommerbetreuungsangebote ersatzlos gestrichen wurden“, erklärt die Elterngruppe aus Meran. „Wie haben das Gefühl, dass sich die Entscheidungsträgerinnen und -träger der Konsequenzen ihres Tuns nicht bewusst sind.“

Die Gruppe fordert deshalb:

1) die Notfallbetreuung unverzüglich auszuweiten auf alle Eltern, die Unterstützung brauchen,

2) allen Eltern und Erziehungsberechtigten sofortigen und bürokratisch einfachen Zugang zu psychologischer Betreuung zu ermöglichen und zwar auch bei freiberuflichen Expertinnen und Experten, wie dies bereits seit langem in vielen EU-Länder üblich ist, ohne lange Wartezeiten,

3) alles zu unternehmen, dass die Sommerbetreuung der Vereine wieder aktiviert wird,

4) jenen Eltern, die sich in gegenseitiger Hilfe inzwischen selbst organisiert haben und ein gut funktionierendes Betreuungsangebot auf die Beine gestellt haben, sollen finanziell unterstützt werden, denn sie bieten einen Dienst für die Gemeinschaft,

5) Die Erfahrung aus der Krise zu nutzen, um flexiblere Arbeitszeitmodelle und eine Family-first-Politik voranzutreiben in Abstimmung mit Elterngruppen.

„Wir sind müde, weil wir gezwungen sind die Last des Systems zu tragen, ohne überhaupt gefragt worden zu sein. Unsere Stimme mag zwar leiser sein, als die von Unternehmer- oder Wirtschaftslobbies. Sie ist ernst zu nehmen“, so die Eltern. Es sei ein stiller Schrei, von jenen, die alles geben. Und es seien meist weibliche Stimmen, so wie es auch Elisabeth Raether in ihrem Essay (zeit.de) erst kürzlich auf dem Punkt gebracht hat: „Die unbezahlte Arbeit der Frauen ist eine Quersubventionierung der Privatwirtschaft.“ Mittlerweile gebe es auch immer mehr Väter, die Kinderbetreuung als sinnvoll erachten und sich zu Hause engagieren.

Es sei höchste Zeit, dass Landesräte und Medienschaffende sich endlich mehr und ganzheitlich für Familien und ihre Bedürfnisse einsetzen, und zwar auf allen Ebenen. „Es geht schließlich auch um die Wirtschaft. Wie steht es denn um die Gesundheit von Mitarbeitenden in den systemrelevanten Berufen und nicht, wenn sie über Monate Distress ausgesetzt sind, ohne Möglichkeit, dem zu entkommen? Wie ist es denn erst im Herbst – bei einer möglichen Grippewelle – um das Immunsystem dieser Menschen bestellt, wenn sie weiterhin dieser x-fachBelastung ausgesetzt sind? Der mächtigste Gegner des Coronavirus bleibt immer noch ein gesundes Immunsystem. Warum also nicht dort ansetzten, wo langfristig die größten und sichersten Erfolge zu erwarten sind?“, fragen die Eltern.

Es sei hinlänglich bewiesen, dass Distress das Immunsystem schwäche und langfristig negative Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit habe. Die Folge seien mehr Krankenstände, Burnout sowie fehlende Motivation durch Überlastung. „Dass die offizielle Krankenstatistik kaum Krankenstände bei den Südtirolern aufweist, unterstreicht die Dramatik der Situation: Südtirolerinnen und Südtiroler gehen nämlich arbeiten, auch wenn sie physisch oder psychisch schon längst krank sind. Will Südtirol mit kranken Mitarbeitern die Wirtschaft stemmen? Ist das das Ziel?“, so die Gruppe

Jetzt, wo viele Familien nicht mehr auf die Unterstützung der Großeltern zurückgreifen können, drohe der Kollaps und nicht alle hielten dies noch weitere vier Wochen durch, bzw. drei Monate, da ja der Urlaub bei den meisten aufgebraucht sei. „Lassen wir endlich die Großeltern Großeltern sein“, heißt es in dem Brief. „Es ist beschämend, dass unsere so stark sich selbst preisende Wirtschaft darauf gründet, dass die Großeltern die Elternarbeit ersetzen. Wir wünschen uns, dass unsere Anliegen ernst genommen werden. Wir wünschen uns auch mehr Entscheidungsmacht und finanzielle Unterstützung. Mögen Sie nun unverzüglich dazu über gehen ganzheitliche, familienzentrierte Sachpolitik zu betreiben, die das Wohl und die Gesundheit der Familien in den Mittelpunkt stellt“, so die Eltern.

Bezirk: Burggrafenamt