Von: apa
Die von der Regierung geplante Messenger-Überwachung droht am Widerstand der NEOS zu scheitern. Man sei noch nicht von der Verfassungskonformität des vorliegenden Entwurfs überzeugt, ließ der kleinste der drei Koalitionspartner am Dienstag, dem letzten Tag der Begutachtung, wissen. Amnesty International und epicenter.works schlossen in einer Pressekonferenz eine solche aus. Seitens des Innenministeriums wurde auf positive Expertenstellungnahmen verwiesen.
NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak äußerte sich gegenüber der “Tiroler Tageszeitung” und den “Oberösterreichischen Nachrichten” auch nach der Begutachtung erneut ablehnend. “Wenn das Regierungsprogramm gilt, gibt es diesen Beschluss nicht”, sagte er über die Möglichkeit zur Überwachung verschlüsselter Internet-Kommunikation. Im Regierungsprogramm von ÖVP, SPÖ und NEOS ist festgelegt, dass die Lösung “verfassungskonform” sein muss.
Scharfe Kritik
Generell ist der neuerliche Anlauf zur Überwachung in der Begutachtung auf scharfe Kritik gestoßen. Amnesty International und die Datenschützer von epicenter.works unterstrichen dies am Dienstag noch einmal. Beide Organisationen sprachen auch nicht von Messenger-Überwachung, sondern vom “Bundestrojaner” bzw. von “Spionagesoftware”. Ein verfassungs- und menschenrechtskonformer Einsatz dessen sei ausgeschlossen, sagte Charlotte Deiss von Amnesty. Thomas Lohninger von epicenter.works erinnerte daran, dass bereits vier Versuche für eine solche Regelung bereits gescheitert seien. Auch das nun fünfte Vorhaben könne nicht umgesetzt werden, es sei grundrechtsfeindlich und gefährdend.
René Mayrhofer von der Uni Linz sah die von Regierungsseite gewollte Überwachung nur möglich, wenn Sicherheitslücken genutzt würden, die man quasi staatlich fördere. Es werde damit in IT-Unsicherheit aller Geräte investiert, anstatt diese laufend zu verbessern. Bei Amnesty International warnt man davor, dass eine Einschränkung des Zugriffs per Software gar nicht möglich sei. Eine verhältnismäßige Lösung ohne schwerwiegenden Eingriff in das Privatleben sei also ausgeschlossen. Andererseits gibt es laut Lohninger aber durchaus Möglichkeiten für den Staat, um auf verfassungskonforme Art zu Ermittlungsergebnissen zu kommen: etwas das Beobachten von Gruppenkanälen via Social Engineering, den Zugriff auf Metadaten oder Cloud-Backups oder die forensische Sicherstellung von Geräten.
Redaktionsgeheimnis im Fokus
Der Verband österreichischer Zeitungen (VÖZ) bemängelte in seiner Begutachtungsstellungnahme, dass es häufig zu Verletzungen des journalistischen Quellenschutzes bzw. des Redaktionsgeheimnisses kommen könnte. Die Organisation “Reporter ohne Grenzen” lehnt die Vorlage überhaupt “klar” ab. Gerade in Zeiten politischen Umbruchs und unsicherer Zukunftsprognosen würde die Einführung der Möglichkeit einer derart intensiven staatlichen Überwachung die Gefahr von Repression, Verfolgung und Unterdrückung von kritisch denkenden und handelnden Personen und Organisationen immens verstärken, meint der “Verein gegen Tierfabriken”. Die Gemeinde Wien fordert, dass gesetzlich dafür Vorsorge getroffen wird, dass für die Überwachung ausgenützte. Sicherheitslücken nicht unbegrenzt lange bestehen bleiben.
Kritik übten auch die Grünen, die auf breit gestreute negative Stellungnahmen selbst von der Bischofskonferenz verwiesen. Seit fast zehn Jahren werde immer wieder versucht, den Bundestrojaner zu etablieren. Auch der aktuelle Entwurf sei von Machbarkeit weit entfernt, biete keinen wirklichen Rechtsschutz und sei mit großem Missbrauchspotenzial behaftet, wurde vor Journalisten betont.
Der Gesetzesentwurf, dessen Begutachtung am Dienstag ausläuft, sieht für die Sicherheitsbehörden die Möglichkeit des Zugriffs auf Messenger-Daten vor. Beschränkt werden soll dies auf Fälle, die auf terroristische und verfassungsgefährdende Aktivitäten hindeuten. Auch bei Spionage wäre der Einsatz möglich. Grundsätzlich kann laut Entwurf die Befugnis der Messengerüberwachung, die etwa WhatsApp und andere Dienste trifft, nur für die Dauer von drei Monaten angeordnet werden, wobei eine Verlängerung möglich wäre. Im Anschluss müssten die Betroffenen informiert werden, dass ihre Messenger überwacht wurden.
Innenministerium pocht auf Recht auf Sicherheit
Seitens des Innenministeriums hieß es gegenüber der APA, dass es von namhafter Juristenseite auch positive Stellungnahmen zu dem Vorhaben gegeben habe. Es sei epicenter.works unbenommen, einen Fokus auf die individuellen Rechte von Menschen zu legen. Sicherheitsbehörden und Strafverfolgungsbehörden müssten aber vor allem die kollektiven Rechte in einer demokratisch-rechtsstaatlichen Gesellschaft – nämlich das Recht auf Sicherheit – konsequent gewährleisten, und dafür brauche man die notwendigen und zeitgemäßen Werkzeuge.
Klar für die Messenger-Überwachung tritt im Begutachtungsverfahren die eigene Belegschaft ein. Die Vereinigung Kriminaldienst Österreich erkennt einen sicherheitspolizeilich notwendigen und den technischen Entwicklungen entsprechenden Schritt, um den Sicherheitsbehörden adäquate und effektive Instrumente zur Bekämpfung schwerwiegender Kriminalität und Terrorismus zur Verfügung zu stellen. Zuspruch kommt auch aus Teilen der Justiz. Strafrechtsprofessorin Susanne Reindl-Krauskopf hält in ihrer befürwortenden Stellungnahme fest, dass es bei den geplanten Maßnahmen weder um eine Massenüberwachung pro futuro noch um eine flächendeckende Maßnahme vergleichbar einer Vorratsdatenspeicherung gehe.
Grundsätzlich neutral äußert sich die Wirtschaftskammer. “Vorzugswürdig” wären für die Arbeitgeber-Vertretung heimische Softwarelösungen zur Durchführung der Überwachungsmaßnahmen.
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