Biologen warnen vor Zerstörung von Lebensraum

Naturdenkmal „Unterplatters Wies“: Warum kein „Trittsteinbiotop“?

Samstag, 01. April 2023 | 16:14 Uhr

Kastelbell-Tschars – Kürzlich ist die Vereinigung der Südtiroler Biologen auf das Naturdenkmal „Unterplatters Wies“ zwischen Staben und Tabland im Gemeindegebiet von Kastelbell-Tschars aufmerksam geworden. Bei der Ausweisung des Naturdenkmals sei die Chance vertan worden, ein echtes Trittsteinbiotop zu schaffen. Stattdessen hätten Gemeinde, die Kommission für Raum und Landschaft sowie die Landesrätin für Raumordnung, Landschaftsschutz und Denkmalschutz der weiteren Zerstörung von Lebensräumen und Natur zugestimmt. „Das ständige Beschwören Biodiversität und Lebensräume erhalten und die Ökologisierung der Landwirtschaft vorantreiben zu wollen, erscheint gerade an diesem Beispiel unglaubwürdig“, kritisiert die Vereinigung.

Ein paar Recherchen hätten folgenden Sachverhalt ergeben: Im Mai 2022 beschließt die Gemeinde Kastelbell-Tschars, Landwirtschaftsgebiet auf der Grundparzelle 657/2 K.G. Tschars im Ausmaß von 4.426 Quadratmeter in Wald umzuwidmen und diesen als Naturdenkmal auszuweisen. Diese Abänderung des Landschaftsplanes wurde dann durch das Dekret 22262/2022 der Landesrätin für Raumordnung, Landschaftsschutz und Denkmalschutz genehmigt. Die offizielle Beschreibung des Naturdenkmales liest sich folgendermaßen: „Das Naturdenkmal Unterplatters Wies stellt heute im intensiv genutzten Talboden des Untervinschgaus in landschaftsökologischer Sicht eine Bereicherung dar, die als Trittsteinbiotop im Sinne eines ökologischen Netzes positive Auswirkungen auf die Umgebung ausstrahlt. Es handelt sich um einen Erlenwald, der sich am Tablander Schwemmkegel deutlich von den umliegenden Obstwiesen abhebt und auf eine erhöhte Bodenfeuchtigkeit hinweist…“

Betrachte man die Grundparzelle 657/2 vom Luftbild aus, stelle sich unweigerlich die Frage, warum die entscheidende Kommission nicht die akute Notwendigkeit erkannt und die Verantwortung dafür wahrgenommen habe, die ganze Parzelle als Schutzobjekt vorzuschlagen und nicht nur die Hälfte davon, meinen die Biologen. Die Parzelle sei gerade mal ein Hektar groß. „Um wie viel mehr hätte dieses ‚Trittsteinbiotop‘ an ökologischem Wert gewonnen, wenn es um den anderen Teil erweitert worden wäre. Dieser umfasst eine Wiesenfläche und eine randliche Reihe mit mehreren Baum- und Straucharten“, erklären die Biologen.

Dem Dekret der Landesrätin sei zu entnehmen, dass sich die Kommission für Raum und Landschaft für den Antrag des Eigentümers ausspricht, „der die restliche Grundstücksfläche einer intensiven landwirtschaftlichen Nutzung zuführen wird, inklusive der Rodung des dort befindlichen Erlenstreifens“.

Die Vereinigung Südtiroler Biologen findet eine solche Art der politisch abgesegneten Zerstörung von Naturskandalös. „Die Zerstörung von Restnatur ist zudem völlig widersinnig, wenn die Ökologisierung der Landwirtschaft tatsächlich ernst gemeint sein sollte“, so die Biologen, die auf das Strategiepapier des Landesrates für Landwirtschaft „Landwirtschaft 2030“ verweisen. Es sei nämlich viel kostspieliger, neue ökologische Ausgleichsflächen zu schaffen, als bestehende zu erhalten.

Im Falle der Unterplatters Wies stellt die Vereinigung Südtiroler Biologen folgende Fragen an die verantwortliche Landeskommission für Raum und Landschaft sowie an die verantwortliche Landesrätin: „Warum ist die Parzelle 657/2 der K.G. Tschars als verbliebener Rest extensiver Kulturlandschaft nicht vollständig als Naturdenkmal ausgewiesen worden? Warum haben die Verantwortlichen nicht mehr Mut aufgebracht diese Restnatur vollständig zu schützen, anstatt sich auf die Ausweisung eines Erlenbestandes zu beschränken, der wohl auch ohne Ausweisung eines Naturdenkmals rein durch das bestehende Naturschutzgesetz geschützt wäre?“

Die Biologenvereinigung macht darauf aufmerksam, dass in Anbetracht des anhaltenden Verlustes an Lebensräumen und Biodiversität jegliche natürlichen und naturnahen Restflächen zu erhalten seien. Das gelte insbesondere für die nahezu vollständig ausgeräumte Talsohle des Etschtales. „Die Kommissionen, die darüber befinden, müssen entsprechende Sensibilität entwickeln, den Mut für zeitgerechte und höchst überfällige Entscheidungen aufbringen und Rückendeckung durch die Politik erhalten“, erklären die Biologen.

Von: mk

Bezirk: Vinschgau