Orban will vom Europaparlament nichts hören (Archivbild)

Orban will Direktwahl des Europaparlaments abschaffen

Sonntag, 11. Februar 2024 | 22:05 Uhr

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán will den EU-Bürgern das Recht zur Wahl der Europaabgeordneten nehmen. “Wir sollten erwägen, zum früheren System zurückzukehren, bei dem die nationalen Parlamente ihre Vertreter in das Europäische Parlament entsenden, anstatt Direktwahlen durchzuführen”, sagte Orbán in einem Gespräch mit Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP), das die “Presse am Sonntag” veröffentlichte. Vom österreichischen Europapolitikern gab es scharfe Kritik.

“Einer der Gründe für unsere Schwäche ist, dass das Europäische Parlament heute nicht funktioniert. Es ist ein Tollhaus”, begründete Orbán seinen Vorschlag. Das Europaparlament wird seit dem Jahr 1979 in direkter Volkswahl bestimmt und ist die einzige EU-Institution mit einer entsprechenden unmittelbaren demokratischen Legitimation. Die 720 EU-Abgeordneten, die Anfang Juni neu gewählt werden, bestimmen gemeinsam mit Vertretern der 27 EU-Regierungen über europäische Gesetze. Während Orbán im Kreise der EU-Regierungen regelmäßig die Vetokarte zu spielen versucht, sind die 13 EU-Abgeordneten seiner rechtskonservativen Fidesz-Partei im Europaparlament marginalisiert. Seit ihrem Abgang aus der Europäischen Volkspartei (EVP) suchen sie erfolglos Anschluss an eine der drei europaskeptischen oder rechtspopulistischen Fraktionen.

Während Ex-Kanzler Schüssel die demokratiefeindliche Aussage Orbáns unkommentiert ließ, kam von EU-Abgeordneten scharfe Kritik. “Das ist ein Anschlag auf die europäische liberale parlamentarische Demokratie”, sagte der Vizepräsident des Europaparlaments, Othmar Karas (ÖVP), am Sonntag in der “ZiB2”. Er erwarte sich von allen Staats- und Regierungschefs, “dass sie diesen Zerstörungsgelüsten der europäischen Demokratie eine Absage erteilen”, forderte Karas. SPÖ-Europasprecher Jörg Leichtfried verurteilte den Vorschlag ebenfalls entschieden. “Es ist beunruhigend, dass Orbán ernsthaft erwägt, das Wahlrecht der EU-Bürger einzuschränken. Dies würde einen schwerwiegenden Rückschlag für die Demokratie in Europa bedeuten”, teilte der frühere EU-Abgeordnete am Sonntag mit.

Orbán sprach sich im Gespräch mit Schüssel dafür aus, dass die “Initiative” in der Europäischen Union von den Mitgliedsstaaten ausgehen solle, “was bedeutet, dass der Rat aktiver, entschlossener und stärker dazu bereit sein sollte, politische Maßnahmen zu ergreifen”. Auch die EU-Kommission solle “erkennen, dass sie ein von den Mitgliedstaaten, repräsentiert durch den Rat, geleitetes Organ ist, nicht ein politisches”, so Orbán, dessen Land im zweiten Halbjahr den EU-Ratsvorsitz innehaben wird.

Befragt zu den Prioritäten des ungarischen Ratsvorsitzes nannte Orbán die EU-Erweiterung um die westlichen Balkanländer als “unsere oberste Priorität”. “Wenn wir Serbien nicht so schnell wie möglich integrieren, werden wir es verlieren. Serbien hat andere Möglichkeiten. Es hat gerade ein Freihandelsabkommen mit China abgeschlossen.” Ungarn werde auch daran arbeiten, die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu verbessern. Zur Ukraine sagte er: “Wir werden unser Bestes tun, um zumindest einen Waffenstillstand zu erreichen und eine Situation zu schaffen, in der wir verhandeln können.”

Diesbezüglich legte Orbán seine bekannten Standpunkte dar. So verbat sich der ungarische Premier einen von Schüssel gemachten Vergleich mit dem Ungarn-Aufstand des Jahres 1956. “Sie verteidigen Europa nicht, im Gegensatz zu Ungarn damals. Die Ukraine bietet uns Europäern keine zusätzliche Sicherheit, denn die meisten von uns sind bereits Mitglied der NATO, die viel stärker ist als Russland. Es besteht keine Gefahr, dass Russland ein NATO-Mitglied angreift”, sagte Orbán.

“Russland wird niemals ein EU- und NATO-Mitglied wie die Ukraine vor seiner Haustür akzeptieren. Nie”, sagte der ungarische Regierungschef. Diesbezüglich sieht er den Zug für Kiew bereits seit 16 Jahren abgefahren. Bis 2008 sei Russland zu schwach gewesen, eine NATO-Erweiterung in Richtung der Ukraine zu blockieren. “Diese Chance wurde jedoch auf dem NATO-Gipfel in Bukarest nicht genutzt. Wir versäumten es, die Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Georgien erfolgreich abzuschließen, wodurch die Perspektive der Ukraine als zukünftiges Mitglied der Europäischen Union und der NATO verloren ging.” Heute sei “die beste Perspektive” für die Ukraine, eine “Pufferzone zwischen Russland und dem Westen” zu bilden. “Wenn das nicht gelingt, wird die Ukraine ihr Land verlieren. Die Russen werden die Ukraine wieder und wieder und wieder zerstören”, so Orbán, der sich offenbar nicht vorstellen kann, dass der Aggressorstaat Russland zu alter Schwäche zurückfinden kann.

Das von der “Presse am Sonntag” auszugsweise publizierte Gespräch fand für das neue englischsprachige Debattenmagazin “European Voices” statt, das am Donnerstag erstmals erscheint. Wie es im Bericht der “Presse am Sonntag” heißt, enthält die erste Ausgabe der vierteljährlichen Zeitschrift unter anderem Beiträge des Soziologen Ivan Krastev, der estnischen Regierungschefin Kaja Kallas, des Schriftstellers Ilija Trojanow, der Politikwissenschafterin Nathalie Tocci und des früheren Präsidenten der Europäischen Investitionsbank (EIB), Werner Hoyer.

Von: apa

Kommentare
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Zugspitze947
2 Monate 17 Tage

Was dieser Despot alles will… Das beste wäre man würde IHN ABSCHAFFEN !!!!!!! Dann würde vieles viel besser funktionieren 👌😝

Doolin
Doolin
Kinig
2 Monate 17 Tage

…rechte Populisten sind doch erfinderisch im Aushebeln von Demokratie…

Faktenchecker
2 Monate 17 Tage

Es gab Menschen die hatten ihn im Griff!

https://youtu.be/LnDMBtgxnAI?feature=shared

So ist das
2 Monate 17 Tage

Klein Putin möchte wieder mal auffallen 🫢

user6
user6
Tratscher
2 Monate 17 Tage

politiker mit hirn. nicht selbstverständlich

OrtlerNord
OrtlerNord
Universalgelehrter
2 Monate 17 Tage

user..
Wenn der Orban deiner Meinung nach Hirn hat, tust du mir nur leid!

Zugspitze947
2 Monate 16 Tage

user6: der und Hirn ? Um die EU und alle Demokraten zu betrügen schon, mehr aber ganz sicher NICHT 🙁

Hustinettenbaer
2 Monate 17 Tage

Dampfplauderer.
“Die Militärausgaben von Ungarn haben im Jahr 2022 rund 2,57 Milliarden US-Dollar betragen. Das entspricht rund 1,53 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.”

“Der republikanische Präsidentschaftsbewerber Donald Trump würde Nato-Partnern, die ihren finanziellen Verpflichtungen [2%-Forderung des BIP] nicht nachkommen, nach eigenen Angaben keinen Schutz vor Russland gewähren…«Nein, ich würde Euch nicht beschützen.» Vielmehr noch: Er würde Russland «sogar dazu ermutigen, zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen.»

Von den EU-Staaten erfüllt nur Polen (2,4%) das “Schutz-“Kriterium.

Militärausgaben von Ungarn bis 2022 | Statista
Verteidigung: Trump: Säumige Nato-Mitglieder nicht vor Russland schützen | ZEIT ONLINE
Anteil der Militärausgaben am BIP ausgewählter Länder 2022 | Statista

OrtlerNord
OrtlerNord
Universalgelehrter
2 Monate 17 Tage

Husten……
Ich habe schon lange behauptet das Trampel Europa seinem Möchtegernzar schenkt und er sich mit China beschäftigt!

Tigre.di.montana
Tigre.di.montana
Universalgelehrter
2 Monate 17 Tage

Dieser verbrecherische Zwerg will Serbien in der EU haben, das Land des Völkermords 1991 an den Kosovoalbanern. Und er will die Interessen des Verbrecherstaats Russland wahren.
Werft doch Ungarn den Russen zum Fraß vor…

Faktenchecker
2 Monate 17 Tage

Der hat schon lange einen Deal mit Putin.

Doolin
Doolin
Kinig
2 Monate 17 Tage

…gewisse user hier freut das…

Selbstbewertung
Selbstbewertung
Universalgelehrter
2 Monate 17 Tage

Ein Autokrat will definitionsgemäß weder Europa noch ein Parlament und schon gar kein Europaparlament! Er will eine hörige Duma! Damit kann er Europas korruptestes Land weiterhin als Fressnapf für sich und seine Freunde nutzen….

Unioner
Unioner
Superredner
2 Monate 17 Tage

Man kann von Victor Orban natürlich geteilter Meinung sein. Er repräsentiert die Meinung der Magyaren die ihn gewählt haben. Viele europäische Regierungschefs sind viel weiter von ihrem Volk entfernt. Zu einer Demokratie gehören unterschiedliche Meinungen und Orban hat eine. Meinungen kann man nur durch sehr gute Argumente ändern, also muss man nur mit ihm sprechen.

Tigre.di.montana
Tigre.di.montana
Universalgelehrter
2 Monate 15 Tage

@Unioner: Nein. Orbán kann man sehr gut unter Druck setzen. Entzug der Gelder.

Plodra
Plodra
Tratscher
2 Monate 17 Tage

Die Strategie ist, sich im eigenen Land eine demokratisch gewählte Mehrheit verschaffen und dann diese Mehrheit auf der europäischen Bühne ausspielen. Die Perfidie dieses Despoten wird so lange unterschätzt, bis der politische Supergau passiert und die EU zerbröselt wird. 

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