Der Angeklagte legte ein Geständnis ab

Bedingte Haft für Pistolen-Lieferanten des Wien-Attentäters

Dienstag, 30. Mai 2023 | 18:24 Uhr

Während jener Mann, der dem Attentäter von Wien den Waffendeal vermittelt hat, im Februar erstinstanzlich zu lebenslanger Haft verurteilt worden ist, gibt es für den Verkäufer der Waffe eine neunmonatige bedingte Haftstrafe. Der 32-jähriger Slowene soll am 25. September 2020 eine Pistole samt Munition nach Wien geliefert haben. Er legte ein Geständnis ab, betonte aber, er habe die Pistole nicht direkt dem Attentäter gegeben. Er habe weder ihn noch dessen Absichten gekannt.

Schuldig erkannt wurde der Mann nach knapp 40-minütiger Verhandlung wegen insgesamt drei Verstößen nach dem Waffengesetz – dem unrechtmäßigen Besitz und der Weitergabe der Faustfeuerwaffe der Marke Tokarev sowie von 35 Schuss Munition. Die kurze Verhandlungsdauer rührte daher, dass der Angeklagte überraschend gestand, hatte er die Vorwürfe bisher doch stets bestritten. “Sie müssen die Freiheitsstrafe nicht im Gefängnis verbringen, wenn Sie sich in den nächsten drei Jahren wohlveralten”, erklärte der Richter dem 32-Jährigen. Dieser nahm die Strafe an, die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab. Das Urteil ist damit nicht rechtskräftig.

Er habe die Waffe für Adam M. – jenen Mann, der Anfang Februar am Wiener Landesgericht für die Vermittlung des Waffen-Deals nicht rechtskräftig zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe u.a. wegen Beihilfe zum Mord verurteilt wurde – besorgt. Den späteren Attentäter habe er “weder gesehen, noch mit ihm gesprochen, noch habe ich von ihm gehört. Adam hat mich darum (gemeint: die Waffe zu besorgen, Anm.) gebeten und ich habe ihm einen Gefallen getan.”

In Slowenien habe er öfter einen Schießstand besucht und dort “Leute kennengelernt”, die ihm die Waffe besorgt hätten. “Illegal” und “schwarz”, wie der Richter darauf festhielt. Weshalb M. eine Waffe gebraucht habe, habe er nicht weiter nachgefragt. “Ich dachte er möchte die Pistole zum Selbstschutz”, so der Angeklagte. Mit seinem Auto sei er zum Wohnhaus von M. in Wien gefahren. Dieser habe die Tasche mit Pistole und Munition genommen und weggebracht und danach die 2.000 Euro, die der Slowene für das Geschäft erhielt, zum Auto gebracht. Dann seien sie gemeinsam weggefahren, so der Slowene. Auf die Frage des Richters hin betonte der Angeklagte, dass dies “kein normales Geschäft” sei: “Ich habe einem Freund einen Gefallen getan, aber es tut mir aufrichtig leid.”

Anders schilderte das in der Vergangenheit eben jener Adam M.. Ihm zufolge sei der Slowene bei der Übergabe der Waffe an den späteren Attentäter dabei gewesen, wofür es auch einen zweiten Zeugen gebe, dessen Stellungnahme heute verlesen wurde. Die Chance, ihn ein weiteres Mal zu belasten, bekam Adam M. heute aber nicht, obwohl er als Zeuge geladen und unter Aufsicht der Justizwache auch schon bereitgesessen wäre. Aufgrund des Geständnisses befanden sowohl Richter, Staatsanwältin als auch Verteidigung die Einvernahme als nicht notwendig.

Auf die Frage nach seinem Beruf antwortete der Angeklagte, er sei “Händler” und präzisierte weiter: “Bauwesen und Spedition”. Ein professioneller Waffenhändler sei er nicht. Die Staatsanwaltschaft Wien billigte ihm zu, dass er nicht gewusst haben muss, dass mit dieser Waffe ein Mord begangen werden würde. Im Verfahren gegen Adam M., der im Gegensatz zu dem Slowenen nach dem Kriegsmittelgesetz verurteilt wurde, war ein wichtiges Argument der Staatsanwältin, dass dieser bei der Vermittlung des Sturmgewehres der Marke Zastava wissen hätte müssen, dass damit Menschen umgebracht werden würden. “Das benutzt man nicht zum Jagen”, sagte die Staatsanwältin damals. M. wurde von dem Geschworenengericht mit 5 zu 3 Stimmen schuldig gesprochen, als einziger der damals Angeklagten jedoch nicht wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.

“Es wäre mir in 100 Jahren nicht eingefallen, dass die Waffe für solche Zwecke verwendet werden würde. Ich habe gedacht, ich kenne Adam und er ist ganz in Ordnung”, betonte der Angeklagte. Als er zum ersten Mal davon erfahren habe, dass diese Waffen für den Anschlag verwendet wurden – vor dem Untersuchungsrichter in Slowenien -, sei er geschockt gewesen. “Ich wusste nicht, dass Adam in solchen Kreisen und zu solchen Taten fähig war.”

Der Attentäter hatte die Pistole beim Terror-Anschlag am Abend des 2. November 2020 in die Innenstadt mitgenommen, wo er vier Passanten mit einem Sturmgewehr tötete, ehe er von der Polizei erschossen wurde. Auch das Gewehr soll er von dem Slowenen bekommen haben. Die Zastava M70 – ein im ehemaligen Jugoslawien hergestelltes, auf der Technik des Kalaschnikow-Sturmgewehrs AK-47 beruhendes Modell – ist allerdings nicht mehr Prozessgegenstand – aufgrund eines “inakzeptablen Fehlers” der Staatsanwaltschaft Wien, wie Justizministerin Alma Zadic (Grüne) am Pfingstwochenende eingeräumt hatte.

Die Anklagebehörde hatte 2021 irrtümlich vorzeitig ein Verfahren eingestellt, in das der Slowene einbezogen war. Marsel O. kann daher nicht mehr für die im bereits im Juni 2020 erfolgte Zustellung der Zastava – ein möglicher Verstoß gegen das Kriegsmaterialgesetz – zur Verantwortung gezogen werden. Die Zastava wurde in der heutigen Hauptverhandlung auch mit keinem Wort erwähnt. Der erst vor wenigen Tagen bekannt gewordene Lapsus bei der Staatsanwaltschaft hatte indes bereits Folgen. Justizministerin Zadic leitete eine dienstrechtliche Prüfung ein und ordnete eine Stärkung der internen Fachaufsicht sowie strukturelle Änderungen in der Wiener Anklagebehörde an.

Vor der Verhandlung wartete der Angeklagte neben Journalisten und Journalistinnen vor dem großen Schwurgerichtssaal. Er kam auf freiem Fuß, da die Staatsanwaltschaft Wien nie seine Festnahme beantragt hatte. “Dafür hat es keinen Grund gegeben”, betonte dessen Anwältin Maja Ranc im Gespräch mit der APA. In Slowenien wurde in dieser Sache nie ermittelt, bekräftigte sie. Das Verfahren rund um die das Sturmgewehr der Marke Zastava sei “zurecht eingestellt worden”, betonte Ranc.

Am Ende der Verhandlung zeigte sich der Angeklagte reumütig: “Es tut mir unendlich leid. Wenn es möglich wäre, würde ich die Tat ungeschehen machen und nicht mehr so unbedacht handeln. Als ich gehört habe, was mit der Waffe passiert ist, konnte ich es einfach nicht glauben und war unendlich traurig”. Dieses “umfassende, reumütige Geständnis” sowie sein “bisher ordentlicher Lebenswandel” wirkten sich mildernd auf die Strafhöhe von Neun Monaten bedingte Haftstrafe unter einer Probezeit in der Dauer von drei Jahren aus. “Auch wenn er zugestanden hat, dass es ihm leid tue, solche Handlungen haben Auswirkungen auf die Gesellschaft”, sagte die Staatsanwältin, die eine “empfindliche” Strafe forderte.

Von: apa