Von: ka
Bozen – Beschlussantrag Nr. 616/22: Maßnahmen zur Bekämpfung des Borkenkäfers – um zu retten, was noch zu retten ist (eingebracht von den Abg. Locher, Noggler und Vallazza am 15.09.2022). Der Landtag fordert die Landesregierung auf, 1) ein flächendeckendes und lückenloses Monitoring der Verbreitung des Borkenkäfers in die Wege zu leiten und dessen Ergebnisse im Abstand von 3 Monaten zu veröffentlichen; 2) eine Expertengruppe, unter Beteiligung von Fachleuten aus den Nachbarländern, einzusetzen, die dieses Monitoring überwacht und entsprechende Empfehlungen zur Ergreifung von Maßnahmen ausspricht sowie einen Managementplan auch in Hinblick auf gezielte Aufforstungsprogramme erarbeiten wird; 3) ein Förderprogramm für Privat- und Gemeindewälder zu erstellen, das den
Entwicklungen und damit den tatsächlichen Erfordernissen entspricht.
“Begünstigt durch das Jahrhundertereignis des Sturms „Vaia“ im Jahr 2018, den Schneedruckschäden in den Jahren 2019 und 2020 und den Rekordtemperaturen im Sommer 2022 hat die Entwicklung des Borkenkäfers ungeahnte Ausmaße angenommen. Zunehmend kleine und größere braune Flecken in den heimischen Wäldern, aber bereits auch großflächig abgestorbene Waldbestände „zieren“ unser einzigartiges Landschaftsbild und die Aussichten sind mehr als trüb”, erklärte Franz Locher (SVP). “Allein in diesem Jahr wird die Schadholzmenge etwa im Pustertal höher sein als der jährliche Hiebsatz (2022: Schadholz 1.000.000 m³, jährlicher Hiebsatz 700.000 m³).” Es gehe nicht nur ums Geschäft, es gehe auch um die Bindung von CO2 und um den Wasserschutz. 40 Prozent der Waldfläche seien Schutzwald, 20 Prozent indirekter Schutzwald.
Die Ursache seien die Erderhitzung und die daraus folgenden Wetterkapriolen, erklärte Hanspeter Staffler (Grüne). Was man heute erlebe, sei womöglich ein Kippeffekt: Das Ökosystem kippe. Das sei dann nicht mehr so ohne weiteres umkehrbar. In den letzten Jahrzehnten sei nie eine klimaschonende Politik gemacht worden, das sei den konservativen Parteien anzulasten. Der Antrag enthalte Anpassungsstrategien, denen man zustimmen könne. Aber es fehle ein Vorschlag, wie man Treibhausgase einsparen könne, die Hauptursache. Zum Antrag schlug er vor, auch einheimische Fachleute einzubinden.
Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) nannte Peter Wohlleben als Experten, der ein vielbeachtetes Buch über Bäume geschrieben habe. Er sehe in der Monokultur den größten Fehler und den Klimawandel als Ursache. Schlimm sei eine Flächenrodung, noch schlimmer die Bepflanzung wieder mit Fichten. Auch das Befahren des Waldbodens mit schweren Maschinen sei ein Problem.
Bei einer Wanderung sehe man schnell den schlechten Zustand vieler Wälder, berichtete Andreas Leiter Reber (Freiheitliche). Es seien sehr große Flächen betroffen. Eine echte Rettung sei nur mehr bei kleinen befallenen Flächen möglich. Er fragte, ob das Monitoring derzeit lückenlos sei.
Peter Faistnauer (Perspektiven Für Südtirol) fragte, wer diese Kontrolle alle drei Monate durchführe, da es laut Schuler zu wenige Förster gebe, und forderte Maßnahmen zur Steigerung der Rentabilität des Holzes und zur Abrechnung der Beiträge für die Räumung des Waldes nach dem Sturm Vaia, auf die viele noch warten.
Man kenne die Bedeutung und die Schutzfunktion des Waldes, meinte Gerhard Lanz (SVP). Vieles könne auch von den Privaten getan werden, und es sollte nicht so laufen wie nach dem Sturm Vaia, als viele das Holz schnell nach Österreich verkauft hätten. Man könnte auch Betriebe fördern, die dieses Schadholz verarbeiten.
Südtirol sei nicht alleine mit dem Problem, erklärte LR Arnold Schuler mit Verweis auf Deutschland, wo große Schäden entstanden seien. Es gebe keine Patentlösung dazu. Derzeit seien in Südtirol 2 Prozent der Waldfläche betroffen, das sei nicht wenig, weil sich das Phänomen ausbreite. Man habe ein Netzwerk und fachlichen Austausch mit anderen Regionen, es gebe ein internes Pilotprojekt, das auch Richtlinien ausarbeite. Nach Vaia habe man 21 Mio. ausgegeben, insgesamt seien in vier Jahren 50 Mio. ausgegeben worden. Das Land zahle etwa 3.000 Euro für diese Schutzwaldpflege. Das Monitoring, betreut von der Uni Padua, umfasse Überwachungsstationen im ganzen Land. Staffler könne er ziemlich in allem zustimmen, auch bezüglich der Ursache. Als Folge des Klimawandels habe man jüngst sehr warme Jahre gehabt, und das wirke sich auch auf die Verbreitung des Borkenkäfers aus. So einfach wie Atz Tammerle es darstelle, lägen die Dinge nicht. Der Großteil der Südtiroler Waldgebiete sei ideal für die Fichte, und das werde so bleiben. Eine interne Expertengruppe gebe es bereits, von den internationalen Experten, die man zu einer Tagung eingeladen habe, erwarte man sich zusätzliche Informationen.
Franz Locher erwartete sich, dass internationalen Experten auch in die Expertengruppe einbezogen würden. Derzeit würden von den verarbeitenden Betrieben 30 Euro pro Kubikmeter bezahlt, das sei zu wenig, 60 müssten es sein angesichts des Gaspreises. So vermeide man, dass Holz nach Österreich oder nach Venetien verkauft werde. Der Borkenkäferbefall sei ein Problem der ganzen Gesellschaft. Locher stimmte auch den von Staffler vorgeschlagenen Änderungen zu (lokale Experten und Waldverjüngungsmaßnahmen).
Der Antrag wurde mit 33 Ja einstimmig angenommen.
Beschlussantrag Nr. 621/22: Mehr Energieunabhängigkeit und Unterstützung der Unternehmen und BürgerInnen (eingebracht von den Abg. Tauber, Amhof und Lanz am 20.09.2022, Ergänzungsantrag vom 13. 10. 2022). Der Landtag fordert die Landesregierung auf, 1. in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Stakeholdern unter Einbeziehung des Südtiroler Landtags unverzüglich weitere Schritte zu unternehmen, um den Grundsatz „Nachhaltige Energie für alle“ in Gesellschaft und Wirtschaft verstärkt voranzutreiben; 2. die Unterstützungsmaßnahmen im Bereich der erneuerbaren Energien auf staatlicher Ebene auf eventuelle Ungleichgewichte hin zu überprüfen und gegebenenfalls sich dafür zu verwenden, dass auch kleinere private Produktionsanlagen entsprechend berücksichtigt werden; 3. das bestehende Fördersystem vor dem Hintergrund der sich immer weiter zuspitzenden Versorgungs- und Marktsituation umgehend auf Adäquanz und Potenziale hin zu überprüfen, sowie weitere, auch steuerliche Anreize für Unternehmen und Haushalte auszuloten, um die Produktionskapazitäten erneuerbarer Energie zu steigern und somit die Abhängigkeiten von fossilen Energieträgern zu reduzieren; 4. im Sinne einer nachhaltigen, unbürokratischen und umweltschonenden Energieversorgung kurz-, mittel- und langfristige investitionsfördernde Maßnahmen für innovative Energieerzeugersysteme wie z.B. Nachverstromung, Windenergieanlagen, (verstärkte) Nutzung von Trinkwasserleitungen, Stauanlagen, Sonnenenergie, Wärmepumpensysteme etc. bereits ab dem kommenden Jahr vorzusehen; 5. innerhalb des Jahres dem Landtag ein Konzept zum mittel- und langfristigen Ausbau von regionaler erneuerbarer Energie (Produktion, Verteilung, rechtliche und ökonomische Aspekte…) zur Diskussion vorzulegen.
“Die Energiepreise in Italien steigen in bisher ungekannte Höhen; Haushalte und Unternehmen leiden unter den gestiegenen Kosten für Energie”, erklärte Helmut Tauber (SVP). “Ein möglicher Ausweg ist neben der im Klima- und Energieplan vorgesehenen weiteren Steigerung der Energieeffizienz die Unterstützung zur Errichtung und Nutzung von Produktionsanlagen lokal verfügbarer Energiequellen. Dies würde die Abhängigkeit von Energieimporten reduzieren und wäre ein wichtiger Schritt in Richtung Energieautarkie.”
Für steuerliche Anreize für Haushalte und Unternehmen habe das Land wenig Instrumente, gab Helmuth Renzler (SVP) zu bedenken. Unternehmen könnten abschreiben, Haushalte nicht. Punkt 3 könne er daher nicht unterstützen.
Peter Faistnauer (Perspektiven Für Südtirol) begrüßte den Antrag, hatte aber auch Fragen. Er fragte, was mit kleineren Anlagen gemeint sei. Zu Punkt 3 habe bereits Renzler alles gesagt. Er fragte, wie die Landesregierung vorgehen wolle, um unbürokratisch Windräder zu ermöglichen. Zustimmung äußerte er zu Punkt 5.
Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) kritisierte, dass der Antrag alles und nichts enthalte. Er sei nach der gestrigen Annahme des Freiheitlichen-Antrags auch obsolet. Käme er von der Opposition, würde er abgelehnt.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) teilte die Bedenken Renzlers zu den steuerlichen Anreizen. Er fragte, wie sich das Fördersystem auf die Produktionskapazitäten auswirken solle.
Der Antrag enthalte, wie viele Anträge der Mehrheit, viel Rhetorik und Populismus, kritisierte Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung). Man hätte sich früher bewegen können. Er habe z.B. schon vor geraumer Zeit einen Gesetzentwurf zum Energieeinkommen vorgelegt. Der Antrag enthalte auch Ungenauigkeiten, etwa zu den Wärmepumpen.
Er habe Punkt 5 gestern vorgelegt, damit es zum Thema auch einen Austausch mit dem Landtag gebe, erklärte Gerhard Lanz (SVP). Südtirol habe in Summe genügend Energie, aber in gewissen Zeiten zu wenig, daher müsse man eine Produktionssteigerung anpeilen. Die öffentliche Hand habe mehrere Möglichkeiten zur Förderung, nicht nur den Steuerhebel. Er sei für die freie Marktwirtschaft, in der der Staat Anreize geben könne, aber sich nicht in den Produktionsprozess einmische.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) kritisierte Punkt 1, der nichts besage. Bei den anderen Punkten seien durchaus sinnvolle Dinge drin. Er fragte, was aus dem Vorschlag zu Solaranlagen entlang der Bahnstrecke geworden sei und welche innovativen Projekte es für die Skianlagen gebe.
LR Giuliano Vettorato erklärte die Zustimmung der Landesregierung zum Antrag, dessen Forderungen man teile.
Morgen werde man über eine schnelle Hilfe gegen die Preissteigerungen entscheiden, erklärte Helmut Tauber, in diesem Antrag gehe es mittelfristig um einen weiteren Schritt zur Unabhängigkeit.
Punkt 1 wurde mit 15 Ja, 3 Nein und 11 Enthaltungen angenommen, Punkt 2 mit 17 Ja und 12 Enthaltungen, Punkt 3 mit 14 Ja, 1 Nein und 14 Enthaltungen, Punkt 4 mit 14 Ja und 15 Enthaltungen, Punkt 5 mit 15 Ja und 13 Enthaltungen.
Die Arbeiten werden morgen um 10 Uhr wieder aufgenommen.