Von: ka
Landtag – Gesetzentwurf der Landesregierung zu außeretatmäßigen Verbindlichkeiten. Anträge zu geschlechtergerechter Sprache und zur Unterstützung für Rojave/Syrien.
Prozesskosten des Landes
Landesgesetzentwurf Nr. 95/16: „Außeretatmäßige Verbindlichkeit“ (vorgelegt von der Landesregierung auf Vorschlag des Landeshauptmannes Kompatscher). Es gehe wie in ähnlichen Gesetzentwürfen, die heuer behandelt wurden, um Gerichtsspesen, erklärte LH Arno Kompatscher. Er warnte vor falschen Schlüssen: Diese Gesetze bedeuteten nicht, dass das Land mehr Prozesse führe oder verliere – oft müsse es auch zahlen, wenn es gewinne -, es habe sich nur das Genehmigungsverfahren geändert.
Es seien doch auch beachtliche Summen, insgesamt 164.000 Euro, an Verfahrensspesen, meinte Andreas Pöder (BU). Da gehe es zum Beispiel um den Rekurs eines EU-Ausländers wegen einer verweigerten Wohnbeihilfe, wobei das Landesgesetz hier klar sei. Pöder kritisierte auch die Spesen von 57.000 Euro für das Verfahren wegen des Thermenhotels, das vom Land bereits günstig verkauft wurde. Unter den Spesen seien auch Schadenersatzforderungen für Straßenunfälle – es zeige sich eine Amerikanisierung der Rechtspraxis: Pech gebe es nicht mehr, man suche immer einen Schuldigen.
Helmuth Renzler (SVP) beklagte, dass durch die Rekurse auch Rechtsunsicherheit bei den Beamten entstehe, so etwa bei einem Verfahren wegen Schwarzarbeit. Es sei ihm unverständlich, warum das Rechtsamt des Landes dieses Urteil einfach angenommen habe.
Paul Köllensperger (5 Sterne Bewegung) bat um Details zum Verfahren “Education Time”.
LR Florian Mussner unterstrich, dass nur zwei Fälle den Straßendienst beträfen, aber die Tendenz bleibe gleich. Jedes Jahr gebe es 12 bis 15 Verfahren, und die genannten zwei habe man verloren.
Die Bozner Justiz sei schneller der italienische Durchschnitt, aber immer noch nicht schnell, meinte LH Arno Kompatscher. Tendenziell würden die Gerichte im Zweifelsfall den Bürgern recht geben, aber auch wenn das Land recht bekomme, müsse es oft einen Teil der Spesen zahlen. Und am Ende treffe es die Steuerzahler.
Die 25 Artikel des Entwurfs wurden ohne Debatte genehmigt. Der Gesetzentwurf wurde mit 18 Ja und 16 Enthaltungengenehmigt.
Geschlechtergerechte Sprache
Beschlussantrag Nr. 637/16: Leitfaden für eine geschlechtergerechte Sprache (eingebracht von den Abg. Amhof, Deeg, Foppa, Hochgruber Kuenzer, Stirner und Stocker M. am 25.7.2016). Der Landtag möge das Präsidium beauftragen: 1. mit der Einsetzung einer Arbeitsgruppe für die Ausarbeitung eines Leitfadens für die Anwendung einer geschlechtergerechten Sprache unter Einbeziehung des Beirates für Chancengleichheit, des Amtes für Sprachangelegenheiten, des Übersetzungsamtes des Landtages und in Abstimmung mit den Frauen des Südtiroler Landtages. Als Grundlage des Leitfadens soll der vorliegende Leitfaden der Landesverwaltung dienen. 2. mit der Umsetzung des erarbeiteten Leitfadens für die Anwendung einer geschlechtergerechten Sprache bei der Endredaktion von Gesetzen, Beschlussanträgen, Begehrensanträgen und aller weiteren Dokumente des Südtiroler Landtages, in Abstimmung mit den jeweils Einbringenden.
“Die geschlechtergerechte Sprache ist auch im Südtiroler Landtag immer wieder Thema”, erklärte Magdalena Amhof(SVP). “Obwohl sich in den letzten Jahren viel getan hat, ist es bis dato dennoch nicht gelungen eine einheitliche geschlechtergerechte Sprache anzuwenden. In Gesetzen, Beschlussanträgen, Anfragen usw. finden wir alle Formen und Möglichkeiten: Doppelbenennung, Schrägstrich, Binnen-I, Klammerform oder die abwechselnde Benennung von Männern und Frauen. Manchmal werden Frauen auch nur „mitgemeint“ oder in eine Fußnote verbannt und nicht explizit sichtbar gemacht.” Es gehe nun um eine einheitliche Regelung. Der Vorwurf, die deutsche Sprache unbequem oder hässlich zu machen, sei bekannt. Es sei mittlerweile erwiesen, dass sich Kinder leichter täten, wenn z.B. Berufsbezeichnungen für beide Geschlechter verfügbar seien.
Andreas Pöder (BU) sprach sich gegen den Antrag aus, das sei eine ideologische Indoktrinierung. Er habe auch Probleme damit, wenn der Leitfaden “in Abstimmung mit den Frauen des Landtags” erarbeitet werden solle anstatt etwa mit den Fraktionen. Er verwahre sich dagegen, dass seine Anträge von jemandem anhand des Leitfadens umgeschrieben werden, das verstoße gegen sein verfassungsmäßiges Recht. Wenn das passiere, verklage er jeden, der da mitgemacht habe.
Auch unter den Frauen gebe es unterschiedliche Meinungen dazu, meinte Ulli Mair (Freiheitliche), das “Gendern” führe zur Verhunzung der Sprache. Die Männer würden solchen Vorstößen nur zustimmen, weil sie das Thema endlich vom Tisch haben wollten. Damit werde der Emanzipation und den Frauen nichts Gutes getan. Das Ganze sei eine Luxusdebatte, die man sich angesichts der tagtäglichen Frauenprobleme nicht leisten könne. Auch sie wolle es nicht zulassen, dass ihre Anträge umformuliert würden. Man sollte auch einmal den Mut haben, auch die weibliche Form für negative Erscheinungen vorzuschlagen. Die Unterzeichnerinnen des Antrags seien bei den wahren Problemen der Frauen eingeknickt, etwa bei der Zuwanderung und er Sicherheit.
Man rede hier immer nur von der deutschen Sprache, bemerkte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Das meistverwendete Wort, Flüchtling, gebe es übrigens nur männlich. Und es sei eine Verarmung, wenn man Wörter, die es weiblich nicht gebe, nicht mehr verwende. Die Pluralform sei nicht dazu da, Frauen zu diskriminieren. Und es wäre unzulässig, einfach neue Wörter einzuführen. Beschlussanträge und Gesetzentwürfe seien das geistige Eigentum der Einbringer und dürften nicht verändert werden.
Alessandro Urzì (Alto Adige nel cuore) bezeichnete die Diskussion als lächerlich. Das Ganze sei ein Ausfluss des Relativismus, hier würden bewährte Regeln über den Haufen geworfen. Die Sprache sollte einfach und verständlich sein.
Brigitte Foppa (Grüne) präzisierte, dass laut Antrag die Umformulierung der Anträge und Entwürfe “in Abstimmung mit den Einbringern” erfolgen müsse. Ulli Mair tue so, als wäre das Thema nicht wichtig, dabei werde im Landtag oft über die Sprache gesprochen. Natürlich brauche man mit einer geschlechtergerechten Formulierung mehr Wörter, aber nicht viel mehr. Immer wenn es Sprachveränderungen gegeben habe, sei auch von Verhunzung geredet worden, aber die Sprache habe sich dennoch entwickelt. Auch die Frauen hätten das Recht, in diesem Landtag angesprochen zu werden.
Maria Hochgruber Kuenzer (SVP) wies ebenfalls darauf hin, dass es für die Umformulierung von Dokumenten das Einverständnis der Einbringer brauche. Natürlich hätten Frauen auch andere Probleme, aber da sein Grund nicht auch dieses Problem anzugehen.
Die neue Rolle der Frauen sei eine der einschneidendsten Veränderungen der vergangenen Jahrhundert, meinte RiccardoDello Sbarba (Grüne), und diese Änderung müsse auch sprachlich anerkannt werden. Es sei nicht wahr, dass die Texte der Anträge tabu seien, sie würden übersetzt, und einmal angenommen, gehörten sie dem Landtag, nicht den Einbringern.
Hans Heiss (Grüne) meinte bezüglich Verhunzung und Komplexität, der Art. 107 des Raumordnungsgesetzes verunstalte die Sprache mehr als jede Genderregel. Die Freiheitlichen seien jüngst wieder gegen die Verhüllung von Frauen aufgetreten. Mit diesem Antrag arbeite man gegen den Burka in der Schrift, das sprachliche Verstecken von Frauen.
Er habe selten so viele frustrierte Frauen gehört, meinte SigmarStocker (Freiheitliche). Man sollte die Frauen einmal befragen, was sie über das Thema denken. Aber wahrscheinlich hätten die Einbringerinnen Angst vor einer solchen Befragung. Mit solchen Vorstößen mache man die Frauen, die andere Probleme hätten, lächerlich. Heiss’ Vergleich mit dem Burka sei unterste Schublade.
Tamara Oberhofer (Freiheitliche) teilte die Meinung ihrer Fraktion. Foppa fordere mehr Toleranz, aber bei der Behandlung der freiheitlichen Anträge zeige nichts davon. In Gesetzen gehe es um die Inhalte, sie sollten keine Plattform für die Streitereien zwischen Geschlechtern sein.
Andreas Pöder betonte, dass ein Antrag auch nach der Annahme nicht umformuliert werden dürfe. Das wäre Dokumentenfälschung.
Ulli Mair präzisierte, dass sie nicht die Einbringerinnen nicht lächerlich machen wollte. Sie habe den Inhalt der Forderung gemeint.
Vor Jahren hätten Landtagsreden immer noch mit “liebe Kollegen” begonnen, bemerkte LR Martha Stocker. Heute verwende man beide Anreden und könnte sich gar nichts anderes mehr vorstellen. Die Doppelform schaffe sicher etwas mehr Komplexität, aber die Frauen im Landtag seien Garantinnen dafür, dass das nicht ausarten werde. In der deutschen und der italienischen Traditionen gebe es unterschiedliche Traditionen, jedenfalls sollte man der Realität mehr Rechnung tragen.
Das Thema wühle die Gemüter auf, bemerkte MagdalenaAmhof in ihrer Replik. Es gehe hier nicht um eine Ideologie, aber die Frauen wollten genannt und nicht nur mitgemeint sein. Das geistige Eigentum bleibe gewahrt, aber wenn ein Antrag genehmigt sei, gehöre er dem Landtag, und dann könne er in Absprache mit dem Einbringer angepasst werden. Geschlechtergerechte Sprache bedeute nicht automatisch eine Verkomplizierung, es gebe oft praktische Lösungen.
Der Antrag wurde mit 14 Ja, 11 Nein bei 4 Enthaltungenangenommen.
Hilfe für Rojava
Beschlussantrag Nr. 663/16: Solidarität und Unterstützung für die Bevölkerung und für die demokratischen Bestrebungen im Gebiet von Rojava (eingebracht von den Abg. Steger, Bizzo, Kompatscher, Hochgruber Kuenzer, Noggler, Schiefer, Stirner, Theiner, Widmann, Tommasini, Amhof, Achammer, Deeg, Mussner, Renzler, Schuler, Stocker, Tschurtschenthaler und Wurzer am 29.8.2016). Es handle sich um mehrheitlich kurdisches Gebiet, insgesamt aber mit einer multiethnischen und multireligiösen Bevölkerung, erklärte Erstunterzeichner Dieter Steger (SVP). Die dortigen Verwaltungseinheiten würden die demokratischen Grundsätze, die kulturelle Vielfalt und die Gleichberechtigung der Frau achten. Südtirol mit seiner Autonomie und seinen drei Sprachgruppen erkenne sich in diesen Grundsätzen wieder. Es gehe um ein Thema, bei dem Südtirol Kernkompetenz habe, meinte Steger.
Die Solidarität mit dem Gebiet sei ein nobles Anliegen, meinte Bernhard Zimmerhofer (STF) kritisierte aber die positive Darstellung des Multikulturellen. Die Lösung für solche Gebiete stünde eigentlich in Art. der SVP-Statuten, die Selbstbestimmung. Den Rest des Antrags könne er unterstützen.
Volle Unterstützung kam von Paul Köllensperger (5SB). Italien sollte sich dafür einsetzen, dass der Nato-Partner Türkei diese Gebiete nicht mehr bombardiert. Er plädierte dafür, den Antrag um konkrete humanitäre Projekte im Gebiet zu erweitern.
Riccardo Dello Sbarba (Grüne) kündigte seine Unterstützung an. Dieser syrische Teil Kurdistans sei derzeit von zwei Seiten unter Beschuss. Die Verwaltung von Kobane sei ein basisdemokratisches, zum Teil sozialistisches Projekt. Und es sei auch ein territoriales Projekt, unabhängig von Sprache und Religion. Eigenartig am Antrag sei, dass damit die Landesregierung zu etwas aufgefordert werde und alle Mitglieder der Landesregierung unterschrieben hätten. Aber es sei richtig, auch im Landtag darüber zu reden.
Sigmar Stocker (F) fragte, welche Projekte Südtirol derzeit im mittelitalienischen Erdbebengebiet unterstütze.
Hans Heiss (Grüne) wies auf den Bozner Betrieb Iveco hin, dessen Panzerfahrzeuge jüngst auch an Russland geliefert wurden. Und Russland gehe in Syrien mit aller Brutalität vor.
Zuerst sollte man eruieren, was die Bevölkerung in diesem Gebiet wolle, meinte Sven Knoll (STF). Menschenrechtsorganisationen würden schwere Vorwürfe gegen die dortige Regierung erheben, auch die Ermordung von politischen Gegnern. Er sei grundsätzlich für die Unterstützung kleiner, konkreter Projekte, wo ein kleines Land wie Südtirol auch etwas bewirken könne.
Myriam Atz Tammerle (STF) teilte die Skepsis. Im Humanbeirat der Region, der solche Projekte prüfe, wende man strengere Regeln an. Im vorliegenden Antrag werde die Kontrolle der Projekte nicht erwähnt, ebenso wenig die Summe, die man dafür ausgeben wolle.
Andreas Pöder (BU) erklärte, er könne nur einigen Punkten zustimmen.
Eine NGO habe vorgesprochen, weil die Autonomie eine Lösungsmöglichkeit für das Gebiet sein könnte, erklärte LH ArnoKompatscher. Es gehe in dem Antrag nicht darum, die dortige Regierung zu unterstützen, sondern der Bevölkerung. Es sei kein Entwicklungshilfeprojekt, sondern eine politische Unterstützung, daher würden dafür auch keine Mittel veranschlagt. Bei Entwicklungsprojekten arbeite man in der Euregio zusammen, das habe sich bewährt. Als Euregio wolle man auch ein Wiederaufbauprojekt im Erdbebengebiet in Mittelitalien durchführen, dazu lasse man alle Mittel zusammenfließen. Zudem können Landesbedienstete auf ein paar Stunden Lohn verzichten, die dann gespendet würden.
Der Antrag wurde in mehreren Teilabstimmungen mehrheitlichgenehmigt.
Der Landtag tritt im Oktober wieder zusammen.