Nicusor Dan wird rumänischer Präsident

Proeuropäer Nicusor Dan gewinnt Präsidentenwahl in Rumänien

Montag, 19. Mai 2025 | 06:15 Uhr

Von: APA/dpa/AFP

Der als Underdog ins Präsidentenrennen gezogene parteifreie bisherige Oberbürgermeister von Bukarest Nicusor Dan wird Rumäniens neues Staatsoberhaupt. Nach Auszählung der Stimmen in knapp 99 Prozent der Wahllokale lag er uneinholbar vor dem Rechtspopulisten George Simion, wie aus Angaben der Wahlbehörde in Bukarest hervorging. Der Proeuropäer und Liberalkonservative liegt dem aktuellen Auszählungsstand nach bei rund 54,1 Prozent, Simion bei rund 45,9 Prozent.

Die Wahlbeteiligung war bei der Stichwahl mit 65 Prozent höher als in der ersten Runde vor zwei Wochen, als sie 53 Prozent betragen hatte. Der rumänische Politologe Sergiu Miscoiu bezeichnete die hohe Beteiligung als “fast beispiellos und geprägt von einem Aufschwung der Demokratiebefürworter”. “Noch nie ist eine Wahl so entscheidend gewesen, mit so offensichtlichen geopolitischen Auswirkungen”, sagte er der Nachrichtenagentur AFP.

Rumänischen Demoskopen zufolge kann Dans Wahlsieg selbst mit den verbliebenen noch auszuzählenden Stimmen der Auslandsrumänen nicht mehr gekippt werden. “Wir leben in einer Zeit der Hoffnung. Aber bitte haben Sie Geduld für die kommende Zeit. Es wird eine schwierige Zeit sein, die notwendig ist, um die Wirtschaft, diese Wirtschaft, ins Gleichgewicht zu bringen, um die Grundlagen für eine gesunde Gesellschaft zu schaffen. Bitte haben Sie dafür Geduld”, sagte Dan am Wahlabend.

Jubel auf den Straßen Bukarests

Vor Dans Bukarester Wahlkampfsitz versammelten sich am späten Sonntagabend Abertausende Rumäninnen und Rumänen, die ihm ausgelassen zujubelten. Der Wahlsieger selbst trat mit zwei Fahnen vor die Menschen – als Erstes schwenkte er die Fahne der Europäischen Union und erst danach die rumänische. In einer ersten Reaktion nach Bekanntgabe der beiden Exit Polls hatte der parteilose liberalkonservative Politiker versprochen, angesichts der schweren politischen Krise bereits am Montag auf Tuchfühlung zu den proeuropäischen Parteien zu gehen, um schnellstmöglich eine Mehrheitsfindung zu ermöglichen.

Im Wahlkampf hatte Nicusor Dan mehrfach betont, sich den liberalen Reformpolitiker und aktuellen interimistischen Staatspräsidenten Ilie Bolojan als künftigen Regierungschef zu wünschen. Den rumänischen Bürgerinnen und Bürgern im Allgemeinen und den Anhängern seines rechtspopulistischen Opponenten George Simion im Besonderen versprach Dan, “nicht zwei, sondern ein einziges Rumänien wiederaufbauen” zu wollen. Das Ergebnis dieser Stichwahl stelle eindeutig unter Beweis, dass die Bürger einen tiefgehenden Wandel wünschen – einen besser funktionierenden Staat, ein florierendes Unternehmertum, eine dezidiertere Korruptionsbekämpfung und nicht zuletzt eine Gesellschaft, die auf Dialog, nicht auf Hass basiere, sagte Dan.

Ultrarechter Simion räumt Niederlage ein

Der unterlegene Rechtspopulist Simion vermied es zunächst, seine Wahlniederlage einzuräumen. In einer ersten Reaktion nach Veröffentlichung der Exit Polls, die ihn um knapp zehn Prozentpunkte hinter Dan liegen sahen, hatte der 38-Jährige nichtsdestotrotz behauptet, der “überdeutliche Wahlsieger” zu sein, der seinen Sieg “im Namen des Volkes” beanspruche. Später gestand er Dan den Sieg zu: “Ich möchte meinem Gegner, Nicusor Dan, gratulieren”, sagte Simion in der Nacht zu Montag in einem im Onlinenetzwerk Facebook veröffentlichten Video. “Er hat die Wahl gewonnen, und das war der Wille des rumänischen Volkes.”

Richtungsweisende Wahl

Der Ausgang der Wahl ist für die Zukunft des an die Ukraine grenzenden EU- und NATO-Mitglieds Rumänien und die Beziehungen innerhalb Europas von großer Bedeutung. Der rumänische Präsident hat die Befugnis, wichtige Posten zu besetzen und an den Gipfeltreffen der EU und der NATO teilzunehmen.

Rumänien steckt seit Monaten in einer politischen Krise. Im November hatte der zuvor weitgehend unbekannte Rechtsradikale Calin Georgescu überraschend die erste Runde der Präsidentenwahl gewonnen. Das Verfassungsgericht erklärte den Urnengang jedoch wegen des Verdachts der Wahleinmischung durch Russland für ungültig, Georgescu wurde von der Wiederholungswahl ausgeschlossen. An seiner Stelle trat Simion als Kandidat des rechten Lagers an.

Vorwürfe wegen Desinformation

Das Außenministerium deckte eigenen Angaben zufolge auch bei der Stichwahl wieder eine Desinformationskampagne auf, die “Hinweise auf Einmischung durch Russland” aufweise. “Während der laufenden Wahl in Rumänien sehen wir erneut typische Merkmale russischer Einmischung”, erklärte der Sprecher des rumänischen Außenministeriums in Onlinedienst X vor Schließung der Wahllokale. “Eine virale Kampagne mit Falschinformationen auf Telegram und anderen sozialen Medienplattformen zielt darauf ab, den Wahlprozess zu beeinflussen”, fügte er hinzu.

Zuvor hatte der Gründer des Messengerdienstes Telegram Pavel Durov, erklärt, dass Frankreich sich in die Wahl eingemischt und Telegram gebeten hatte, “konservative Stimmen in Rumänien vor den heutigen Präsidentschaftswahlen zum Schweigen zu bringen”.Das französische Außenministerium wies die Anschuldigungen zurück und erklärte bei X, die Vorwürfe seien “Ablenkungstaktik angesichts der realen Einmischungsversuche gegen Rumänien”.

Die Stimmung während des Wahlkampfs war angespannt. Der bisherige Ministerpräsident und Sozialdemokrat Marcel Ciolacu hatte am Montag überraschend seinen Rücktritt eingereicht. Der neue Präsident hat die Macht, den neuen Regierungschef zu bestimmen.

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