Zerstörungen ohne Ende

Sechs Tote bei russischen Angriffen in der Ukraine

Mittwoch, 30. August 2023 | 15:58 Uhr

Von: APA/dpa/Reuters

Bei russischen Angriffen in der Ukraine sind mindestens sechs Zivilisten getötet und mehr als 15 weitere verletzt worden. Nach Angaben der ukrainischen Behörden vom Mittwoch setzte das russische Militär dabei Marschflugkörper, Drohnen und Artillerie ein. Betroffen waren mehrere Regionen im ganzen Land. Alleine in der Hauptstadt Kiew und der umliegenden Region wurden nach Angaben der Staatsanwaltschaft mindestens zwei Menschen getötet und sechs weitere verletzt.

Opfer gab es auch in den ukrainisch kontrollierten Gebieten der umkämpften Region Donezk im Osten des Landes. Der Staatsanwaltschaft zufolge starben im Dorf Bahatyr rund 60 Kilometer westlich der von Moskau besetzten Industriestadt Donezk zwei Nachtwächter eines Agrarbetriebs nach einem Raketeneinschlag. In der nahen Ortschaft Kurachowe wurden laut lokalen Behörden ein Mensch getötet und acht weitere Personen verletzt, nachdem ihre Wohnhäuser unter russischen Beschuss geraten waren. Im Dorf Swarkowe im Nordosten des Landes starb nach Behördenangaben in der Nacht auf Mittwoch eine 82-jährige Frau als ihr Haus von russischer Artillerie getroffen wurde.

Die Raketenangriffe auf Kiew waren die heftigsten seit Monaten. In mindestens zwei Stadtbezirken fielen Raketentrümmer auf Gebäude, wie Bürgermeister Vitali Klitschko Mittwochfrüh bei Telegram mitteilte. “Kiew hat seit dem Frühjahr keinen so starken Angriff mehr erlebt”, erklärte der Chef der Militärverwaltung der Dreimillionenstadt, Serhij Popko. “Der Feind hat einen massiven, kombinierten Angriff mit Drohnen und Raketen gestartet.” Zwei Menschen seien verletzt worden. Zudem brachen mehrere Feuer aus, darunter in einem Verwaltungsgebäude und in einem Gewerbebetrieb.

Der Welle von Marschflugkörpern aus dem Bereich des Kaspischen Meeres war ein Angriff mit Drohnen aus dem Norden vorausgegangen. Im ganzen Land war Luftalarm ausgelöst worden. Berichte über anfliegende Raketen gab es auch für das südukrainische Gebiet Odessa. Die Luftabwehr habe in der Nacht alle 28 russische Raketen und 15 von 16 auf die Ukraine abgefeuerten Drohnen abgeschossen, erklärte der ukrainische Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj. Laut Popko wurden allein über Kiew “20 feindliche Ziele zerstört”.

Nach Angaben aus Moskau zerstörten in der Nacht auf Mittwoch russische Truppen vier ukrainische Militärschiffe im Schwarzen Meer. Ein Flugzeug “zerstörte gegen Mitternacht Moskauer Zeit (23.00 MESZ) vier Hochgeschwindigkeitsmilitärschiffe” mit “bis zu 50 Soldaten” einer Spezialeinheit an Bord, erklärte das russische Verteidigungsministerium auf Telegram. Am Mittwoch vermeldete die russische Armee die Zerstötung von zwei weiteren Schnellbooten im Schwarzen Meer. Das sechste soll sich im Raum der Schlangeninsel befunden haben.

Laut Kreml griff die Ukraine außerdem die Bucht von Sewastopol am Schwarzen Meer mit Drohnen an. Das russische Militär habe den Angriff abwehren können, schrieb der von Moskau eingesetzte Gouverneur der Hafenstadt auf der Krim, Michail Raswoschajew, Mittwochfrüh in seinem Telegram-Kanal. Über die Zahl und Art der zerstörten Ziele lagen demnach zunächst keine genauen Informationen vor. Zuletzt gab es verstärkt Meldungen über ukrainische Angriffe auf militärische Objekte der seit 2014 von Moskau annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim.

Zudem meldeten mehrere russische Regionen Drohnenangriffe. Der schwerste betraf den Flugplatz der nordwestrussischen Stadt Pskow, wo laut Rettungsdiensten vier Militärtransportflugzeuge vom Typ Iljuschin Il-76 beschädigt wurden. Gouverneur Michail Wedernikow teilte mit, dass es keine Verletzen gegeben habe. Alle Starts und Landungen an dem Flughafen wurden demnach für Mittwoch abgesagt. Konkret handelte es sich um acht Starts und Landungen von zwei Chartergesellschaften, hieß es von der Luftfahrtaufsicht. In der 600 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernten Stadt ist auch eine Fallschirmjäger-Division stationiert, die an der ersten Angriffswelle auf die Ukraine im Februar 2022 beteiligt war.

Die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa zeigte wegen der Angriffe mit dem Finger auf die westlichen Verbündeten der Ukraine. Ohne Informationen aus dem Westen hätten die Drohnen keine so große Entfernung zurücklegen können, sagte sie. Die Angriffswelle werde “nicht ungestraft bleiben”.

Im westrussischen Brjansk wurde durch Drohnentrümmer das Gebäude der Ermittlungsbehörde beschädigt worden, meldete die Stadtverwaltung auf ihrem Telegram-Kanal. Nach Angaben von Gouverneur Alexander Bogomas wurden sechs Drohnen abgeschossen. Zwei Drohnen sollen das benachbarte Gebiet Orlow angegriffen haben. Eine sei abgeschossen worden und habe die Verglasung eines Wohnhauses beschädigt, hieß es von Gouverneur Wladislaw Schapscha. Eine weitere Drohne sei auf ein leeres Tanklager gestürzt und dort explodiert. Der Brand sei gelöscht worden. Größere Schäden habe es nicht gegeben.

Auch im Gebiet Rjasan südöstlich von Moskau sind nach offiziellen Angaben in der Nacht zwei Drohnen abgeschossen worden. Medien berichteten zudem unter Berufung auf Augenzeugen über Explosionen im Bereich eines Industriebetriebs in der für ihre Rüstungsindustrie bekannten Region Tula südlich von Moskau. Eine offizielle Bestätigung für einen Drohnenangriff in dem Gebiet gibt es allerdings bisher nicht.

Unterdessen wehrte die russische Luftabwehr offiziellen Angaben zufolge erneut eine Drohne ab, die in Richtung der Hauptstadt Moskau unterwegs war. Das unbemannte Luftfahrzeug sei abgefangen worden und über Rusa im Moskauer Gebiet abgestürzt, berichtete das russische Verteidigungsministerium Mittwochfrüh auf Telegram. Laut dem Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin gab es keine Schäden oder Verletzte. Die Rettungsdienste seien vor Ort. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig prüfen.

Die EU-Verteidigungsminister berieten indes im spanischen Toledo über die militärische Unterstützung des Beitrittskandidatenlandes Ukraine im Verteidigungskampf. Der estnische Ressortchef Hanno Pevkur monierte, dass das Programm zur Lieferung von einer Million Artilleriegeschoßen nur langsam vorankomme. Es gebe erst Zusagen für etwa 226.000 Geschoße, sagte er. Die Ukraine verbrauche derzeit 6.000 Geschoße pro Tag, Russland an Spitzentagen 60.000 bis 70.000. Pevkur sagte, dass neben der Erhöhung der Produktionskapazitäten auch die Aufbereitung alter Munition oder der Einkauf in Drittstaaten in Erwägung gezogen werden solle.