Zahl der Videokameras erhöht

Sicherheit: Rösch klärt auf und fordert mehr Staatspolizei

Donnerstag, 24. Oktober 2019 | 08:03 Uhr

Meran – Bei der Pressekonferenz am Mittwoch hat Bürgermeister Paul Rösch Stellung zur Sicherheitslage in Meran genommen. Die Stadtregierung habe sowohl die Zahl der Polizeibeamten als auch der Videokameras erhöht. Mehr Engagement wünscht sich Rösch dagegen von der Staatspolizei.

„Alle Übergriffe der letzten Tage wurden in kürzester Zeit aufgeklärt, teilweise noch am selben Tag. Die Täter wurden identifiziert, einer sitzt bereits in Untersuchungshaft. Nun werden die Staatsanwaltschaften und Gerichte ihre Arbeit tun müssen“, unterstrich Rösch.

„Dass diese Fälle so schnell aufgeklärt wurden, ist ein Zeichen dafür, dass die Polizei in Meran gute Arbeit leistet“, sagte Rösch. Die Stadtregierung hat das Personal der Ortspolizei erst kürzlich auf 42 Polizeibeamte aufgestockt und damit unter anderem die Präsenz in den Stadtvierteln erhöht.

„Gemessen an der Einwohnerzahl gibt Meran mehr als doppelt so viel für die Ortspolizei aus wie eine durchschnittliche Südtiroler Gemeinde“, erklärte Rösch.

Auch die Videoüberwachung von öffentlichen Straßen und Plätzen ist in Meran bereits umfangreich: Es gibt insgesamt 123 Kameras, die von der Ortspolizei kontrolliert werden, weitere 17 sind bereits in Planung. 39 der Kameras dienen der Verkehrskontrolle, die restlichen überwachen öffentliche Straßen, Plätze und Räumlichkeiten.

„Dass die jüngsten Vorfälle alle so rasch aufgeklärt werden konnten, liegt auch an diesen Kameras. Wer jetzt nach noch mehr Kameras schreit, hat wohl nicht mitbekommen, wie die Ordnungskräfte heute schon arbeiten“, so Rösch.

Bürgermeister fordert mehr Staatspolizei

Die Forderung nach mehr Polizeipräsenz will der Bürgermeister nur in einer Hinsicht gelten lassen. „Es ist nicht akzeptabel, wenn die staatlichen Sicherheitskräfte nach und nach abgebaut und ihre Aufgaben und Kosten auf die Gemeinde und die Ortspolizei abgewälzt werden. Genau das ist nämlich in den letzten Jahren geschehen“, betonte Rösch.

Bereits morgen werde er den Präfekten Vito Cusumano in Bozen treffen. „Cusumano hat uns bereits letzte Woche zugesichert, dass er die Personalressourcen der Staatspolizei in Meran wieder aufstocken wird. Ich gehe fest davon aus, dass er Wort halten wird“, so der Bürgermeister.

Überwachung und Sanktionierung seien aber nur eine Seite der Medaille. „Mindestens genauso wichtig sind Jugendarbeit und Initiativen zur Gewaltprävention“, sagte Rösch. Die Gemeinde Meran stellt jedes Jahr mehr als 330.000 Euro an Beiträgen für die Jugendarbeit zur Verfügung.

„Wir müssen Jugendliche, die an der Schwelle zur Kriminalität stehen, wieder zurück in die Gemeinschaft holen und ihnen eine Perspektive bieten. Und wir müssen eine Kultur fördern, die Gewalt in Worten und Taten ablehnt. Unser Ziel kann ja letztendlich nicht die Bestrafung sein. Wir wollen eine Gesellschaft, in der Gewalt als Lösung prinzipiell ausgeschlossen ist – und nicht nur, weil die Polizei jeder Bürgerin und jedem Bürger über die Schulter schaut“, so Rösch.

Mutmaßlich versuchte Vergewaltigung: Kommission für Chancengleichheit nimmt Stellung

Die Ratskommission für Chancengleichheit, der alle Frauen des Gemeinderats angehören, hat folgende Stellungnahme zur Gewalt gegen Frauen veröffentlicht.

“In diesen Tagen wurde die Nachricht einer mutmaßlichen versuchten Vergewaltigung in Meran veröffentlicht. Vorgestern Abend, ebenso in Meran, ist ein Mann, der wegen seines bedrohlichen Verhaltens seiner ehemaligen Partnerin gegenüber bereits verwarnt worden war, der Frau in der Innenstadt gefolgt, wo er sie angegriffen und ihr dann das Mobiltelefon entrissen hat. Vorgestern ist in Adria nach elf Tagen Koma eine Frau gestorben, die von ihrem Ehemann bei einem Streit erwürgt wurde. Letzte Nacht wurde in Turin eine Frau entstellt und fast umgebracht (sie befindet sich immer noch in kritischem Zustand), und zwar von einem Mann, der vor elf Jahren bereits eine andere Frau ermordet hatte und dafür zu einer Haftstrafe von nur zwölf Jahren verurteilt worden ist. Als er diese zweite Straftat beging, war der Mann vorübergehend auf freiem Fuß, weil er gerade eine Arbeitsfreigang genoss. Nicht vergessen wollen wir Hevrin Khalaf, Generalsekretärin der Partei Zukunft Syriens und bekannte Frauenrechtlerin, die vor wenigen Tagen vergewaltigt, gesteinigt und ermordet wurde.

2018 wurden in Südtirol vier Frauen ermordet, über 100 hingegen in ganz Italien. Dies entspricht im Durchschnitt einem Frauenmord alle 60 Stunden. Bezüglich der Gewalt jeder Art gegen Frauen gibt es eine hohe Dunkelziffer: Laut ISTAT werden von Frauen in Italien nur 11,4 Prozent der Gewalttaten zur Anzeige gebracht, im Ausland 17 Prozent der Fälle. Das dies so ist, ist nach Angaben jeder dritten betroffenen Frau auch auf das Verhalten der ÄrztInnen und der KrankenpflegerInnen zurückzuführen, die sie zwar erstversorgt hätten; gleichzeitig taten sie jedoch so, als würden sie von der Gewalttat nichts wissen, deren Anzeichen doch so offensichtlich waren. Wenn man die erfundenen Berichte beiseite läßt, die nur darauf zielen, den Ausländerhass zu schüren, so wird bald klar, dass über 80 Prozent der Vergewaltigungen von italienischen Frauen von italienischen Männern – in vielen Fällen sind es ihre Ehemänner oder Verwandte – verübt werden. Sexuelle Gewalttaten werden nur in 15,1 Prozent der Fälle von Ausländern begangen.

Es handelt sich also um ein schreckliches und grenzenloses Phänomen. Ein Beispiel ist der Vorfall, der sich kürzlich in London ereignet hat. Nach der Vergewaltigung einer Frau wurden zwei junge Italiener von einer Videoüberwachungskamera aufgenommen, wie sie das von ihnen selbst gemachte Video der Vergewaltigung anschauten und sich dabei jubelnd gegenseitig zum Erfolg des “Unterfangens” gratulierten. Wir müssen über dieses Jubeln, eine Frau überwältigt und vernichtet zu haben, nachdenken. Und wir sollten auch über die Statistiken und die Häufigkeit dieser Gewalttaten reflektieren. Und uns so klare Antworten geben, dass wir eingreifen können, und zwar sofort. Diese Gewalttaten sind die Frucht einer Kultur, die Gewalt verherrlicht und Frauen immer tiefer hasst, die Teenager mit pornographischen Videos verführt, in denen Sex nur Unterdrückung ist und Frauen von Männergruppen erniedrigt und vergewaltigt werden, als wäre das alles selbstverständlich.

Das Szenario für diese Gewalttaten ist immer dasselbe: Der Mann duldet das Ende einer Beziehung nicht und betrachtet die Frau als Gegenstand, als Privatbesitz, als Jagdtrophäe. In seinen Vorstellungen muss sie sich einfach zu benehmen wissen. Und wenn sie sich erlaubt, eigene Meinungen zu vertreten oder sogar Parteisekretärin werden zu wollen, dann reicht es nicht mehr, sie umzubringen, nein, sie muss vernichtet, in der Gruppe vergewaltigt und vor laufenden Kameras gesteinigt werden.

Wir haben es hier mit einer Kultur zu tun, welche die Sexualerziehung in den Schulen verhindern oder aufs Minimum einschränken möchte. Kirche und Rechtsparteien verbreiten Angst vor einer angeblichen”Gender-Theorie” verbreiten; Männer und leider auch viele Frauen kommentieren die Berichte über Gewalttaten, ja sogar über Frauenmorde auf niederträchtige Weise, als wäre das Opfer selbst daran Schuld gewesen: “Das ist ihr nur recht geschehen”, “Das wäre alles nicht passiert, wenn sie nicht betrunken gewesen wäre”, “Wer weiß, wie sie angezogen war”. Dabei dürfen wir nie vergessen, dass eine Vergewaltigung nie gerechtfertigt werden kann. Es gibt dafür keinen mildernden Umstand.

Bei Vergewaltigungen und Gewalttaten können wir nicht halbherzig dagegen sein. Wir müssen ernsthafte Maßnahmen ergreifen, uns tief mit diesem Thema befassen, wenn wir ein kulturelles Verhalten verändern wollen: Ein Akt der Gewalt hat kulturelle, nicht psychopathologische Wurzeln.

Selbst wenn diese Gewalttaten immer wieder vorkommen und wir dazu neigen, den Mut zu verlieren, so gibt es doch eine Hoffnung. Diese Hoffnung heißt, wie immer, Bildung. Wir müssen unsere Kinder erziehen und ihnen beibringen, dass man andere Menschen nicht zwingen kann, dass die Kultur der Akzeptanz die Grundlage für einen respektvollen Umgang mit den anderen Mitmenschen bildet. Wir müssen dafür sorgen, dass den Kindern in den Schulen Solidarität, Toleranz und Gleichberechtigung zwischen Männer und Frauen beigebracht wird, sodass jeder Form von Diskriminierung vorgebeugt werden kann.

Um Vorurteile und stereotypisierte Rollenklischees zu beseitigen, sind zwar auch Veranstaltungen und Flash Mobs sehr wichtig. Es ist jedoch notwendig, schon mit den Kindern zu arbeiten, denn sie lernen bereits in der Wiege, dass “ein Mädchen hübsch ist und ein Bub stark”. Geschlechterbewusste Erziehung – die, wie gesagt, nichts mit der bereits erwähnten “Gender-Theorie” zu tun hat – sollte bereits in den Kindergärten ein pädagogisches Thema sein. Dabei müsste man die Eltern einbeziehen und ebenso Männer, die alternative Vorbilder darstellen können.

Wir müssen auch endlich aufhören, Angst vor Sex zu haben: Denn auch die Tabuisierung der Sexualität hat zur Verbreitung dieser Macho-Subkultur beigetragen, wonach die Frauen sexuelle Handlungen erdulden müssen. Es ist diese Subkultur, die das Ritual der Vergewaltigung legitimiert hat, als wäre die Sexualität eine notwendige Leistung, um wahre Männer zu werden, und die Frau ein untergeordnetes Wesen, das nur dazu dient, die Wünsche eines Mannes zu erfüllen.

Wenn es uns am Herzen liegt, in einer gesunden und respektvollen Gesellschaft zu leben, wenn wir die Kultur der Gewalt gegen Frauen und die Kultur der Vergewaltigung besiegen wollen, dann müssen wir nicht nur strengere Strafen für Gewalttätige fordern, sondern uns auch den Tabus stellen und den Jugendlichen (Jugendliche erleben im Durchschnitt ihren ersten Geschlechtsverkehr immer früher) beibringen, dass man/frau zur sexuellen Handlung nicht verpflichtet werden kann, und dass der sexuelle Akt im gegenseitigen Respekt und mit der Zustimmung der Beteiligten stattfinden muss.

Und vor allem müssen wir den Jugendlichen erklären, dass “Nein” auch “Nein” bedeutet, dass Liebe keine Einbahnstraße ist und Frauen keine Gegenstände, die man einfach “erobert” oder besitzt.

Als Mitglieder der Ratskommission für Chancengleichheit der Stadtgemeinde Meran wollen wir die tragischen Eregnisse der letzen Tage an den Pranger stellen und alle – StadtverwalterInnen und BürgerInnen – dazu aufrufen, konkrete Initiativen zu deren Vorbeugung zu fördern und sich für die Themen der Gesetzmäßigkeit, der Gewaltlosigkeit, der Gerechtigkeit, der Aufwertung der Vielfalt und des respektvollen Umgangs mit anderen Menschen einzusetzen, vor allem mit Frauen und mit den schwächeren Personen. Nur wenn wir in kulturelle Bildung investieren und das Bewusstsein für eine gerechte und breite Beteiligung an den Entscheidungsverfahren stärken, können wir eine Veränderung in die Wege leite, die uns allen, Männern wie Frauen, eine bessere Zukunft ermöglicht.”

Von: mk

Bezirk: Burggrafenamt