Von: luk
Bozen – Die Stellungnahmen von Leiter Reber, Vettori, Tauber, Mattei, Amhof, Vettorato, Urzì, Bessone und Lanz zum Gesetzentwurf zur Wiederaufnahme der Tätigkeiten:
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) legte Wert darauf, dass er Franz Ploner als Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses vorgeschlagen habe. Die Konsequenzen des Lockdowns sei allen Selbständigen klar gewesen, und sie hätten sich eine Öffnung nach Ostern erwartet. Aber das sei nicht geschehen. Es sei gut, wenn Südtirol nun einen eigenen Weg einschlagen wolle. Das Gesetz habe Schwachstellen, der zwei-Meter-Abstand sei zu viel, aber er kommen den Menschen entgegen, die wieder arbeiten wollten. Leiter Reber wies auf die 14 Änderungsanträge der Freiheitlichen hin, einer davon fordere die öffentliche Finanzierung der Kinderbetreuung bis Herbst. Er kritisierte, dass manche die Autonomie stets so interpretierten, als sei sie gegen die Italiener. Er kritisierte auch die Reaktion der Lega auf die Feueraktion der Schützen. Die SVP sollte die Wünsche der Bevölkerung ernst nehmen und den Ausbau der Autonomie angehen.
Carlo Vettori (Alto Adige Autonomia) konterte auf die Äußerungen Nicolinis und betonte, dass der Gesetzentwurf auch seinen demokratischen Weg in der Mehrheit durchlaufen habe. Die Autonomie mache Schritte voran. Rom habe versprochen, aber nicht gehalten, das Land starte nun seinen Sonderweg. Die Südtiroler wüssten am besten, was für sie das richtige sei.
Die Bürger bräuchten jetzt eine Perspektive, meinte Helmut Tauber (SVP). In der letzten Verordnung Contes sei einiges nicht berücksichtigt worden, und dieses Gesetz wolle auch hier nachbessern. Wenn die Betriebe am Montag wieder öffnen könnten, könnten sie auch wieder planen. Nicht alle würden mit dem Gesetz zufrieden sein. Er selbst hätte gerne eine andere Bestimmung zu den Abständen, aber man müsse Verantwortung zeigen und mit der aktuellen Situation umgehen, im Bewusstsein, dass dieses Virus noch da sei. Das Gesetz räume auch die Möglichkeit für weitere Maßnahmen ein.
Rita Mattei (Lega Salvini Alto Adige Südtirol) betonte, dass nicht nur Südtirol einen Sonderweg wolle. Es wäre leichter, Rom die ganze Verantwortung zu überlassen, aber man müsse nun zwischen Risiko und Hunger entscheiden. Heute seien die Bürger viel besser vorbereitet, um die Verhaltensregeln einzuhalten. Das Gesetz enthalte eben solche Sicherheitsmaßnahmen, die vernünftig angewandt werden müssten, um verstanden zu werden. Die Betriebe zeigten bereits Verantwortung, denn auch sie fürchteten, dass sich Mitarbeiter oder Kunden anstecken würden. Der Vorwurf Nicolinis, man erkenne die Gefahr nicht, sei haltlos nach zwei Monaten Krise. Jeder hier wisse, worum es gehe. Es gehe nicht um ideologische Auseinandersetzungen mit dem Staat, sondern um einen praktischen und vernünftigen Umgang mit der Krise.
Magdalena Amhof (SVP) wies darauf hin, dass man der Erwartungshaltung der Bevölkerung in vielen Dingen nicht entsprechen werde, denn die Betonung liege weiter auf dem Gesundheitsschutz. Die Kinderbetreuung habe noch keinen festen Termin, weil viele Einrichtungen den Dienst nicht so schnell bieten könnten, aber auch weil viele Eltern noch Angst hätten.
Giuliano Vettorato (Lega) wehrte sich gegen die Kritik gegen den eigenständigen Weg. Am Sonntag seien alle von Conte enttäuscht gewesen. Die Gesundheit habe weiter Vorrang, aber der Lockdown habe die Bürger vieles gelehrt. Nun müsse man ihnen Antworten geben, wie es weitergehen solle. Und da habe jede Region ihre Besonderheiten. Auch wenige Wochen früher starten könne den Unterschied machen. Es sei schade, wenn man diese Situation politisch ausnutzen wolle. Wenn man den Eltern eine Betreuung für die Kinder biete, so habe das nichts mit Sezession zu tun, ebenso nicht, wenn die Läden wieder öffnen dürften.
Alle seien dafür, dass die Wirtschaft wieder anfangen solle, meinte Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia). Aber hier habe man die Regeln der Demokratie missachtet. Es sei nicht geschickt, mit Rom zu brechen, während man mit Rom über mehrere hundert Millionen verhandle. Diese Gelder wären gerade für die Wirtschaft wichtig, die nun allein in die Gefahr geschickt werde. Es habe Hilfen gegeben, aber die seien zurückzuzahlen. Urzì kritisierte, dass niemand an die Phase 3 denke, die Zeit, nachdem man bemerkt habe, dass in der Phase 2 die Kunden und Gäste ausgeblieben seien. Auch andere Regionen seien mit der Regierung unzufrieden, aber niemand habe die Auseinandersetzung so gesucht wie Südtirol.
Massimo Bessone (Lega) betonte, dass man mit der Öffnung nicht dem Druck der Wirtschaftslobby erliege. Es gehe vor allem um kleine Betriebe. Man wolle das Virus nicht kleinreden, aber man müsse auch an die Arbeiter und die Handwerker denken, nicht nur an die Einwanderer oder die Bezieher des Bürgereinkommens. Die Lega habe schon längst die Wiederöffnung gefordert, nicht erst im Schlepptau der SVP. Das System Südtirol funktioniere gut, man müsse Zusammenhalt und Föderalismus fördern, nicht die Sezession.
Gerhard Lanz (SVP) sah die Zukunft unsicher. Man müsse auf die Daten schauen und dabei auch die regionalen Unterschiede berücksichtigen. Die Situation in Südtirol, Schweden oder Südkorea sei auch deswegen so unterschiedlich, weil man eine unterschiedliche Bevölkerungsdichte habe. Nur auf regionaler Ebene kenne man die Bedürfnisse der Bevölkerung und die Voraussetzungen für den Neustart. In den letzten Wochen habe es viel Austausch zwischen den Fraktionen gegeben, und nun habe man ein Paket mit sinnvollen Maßnahmen, über das man diskutiere. Das Maßnahmenpaket sei nicht perfekt, aber ein erster Schritt. Die Regeln müssten einfach und klar sein. Die SVP wolle nicht ein Gesetz mit ihrem Namen drauf, aber es sei die Mehrheit, die dann für die Umsetzung verantwortlich sein. Und deswegen müsse das Gesetz im Großen und Ganzen auch die Handschrift der Mehrheit tragen. Viele schauten nach Österreich oder Deutschland, aber dieses Gesetz sei viel umfangreicher. Lanz zeigte sich bereit, die Vorschläge der Opposition einzeln zu prüfen.
Präsident Josef Noggler erklärte die Generaldebatte hiermit für abgeschlossen und teilte mit, dass eine Reihe von Tagesordnungen und rund 70 Änderungsanträge vorgelegt wurden.
Anschließend stimmte das Plenum mit großer Mehrheit dafür, die Sitzung heute Abend bis zum Ende der Arbeiten fortzusetzen.
Von den 14 vorgelegten Tagesordnungen wurden 4 von der Landesregierung angenommen und die anderen zurückgezogen. Die vier angenommenen Tagesordnungen: Einrichtung eines Schalters für Unternehmen zur Information über die verfügbaren Unterstützungsmaßnahmen (Team K), Wiedereinführung der Voucher (Team K), Arbeitstisch mit Kulturträgern zur Wiederzulassung von Veranstaltungen (Demokratische Partei), eine Studie zum Verhältnis zwischen Bürgern und Behörden bzw. Polizeikräften während des Lockdowns (Grüne).
Anschließend wurde der Übergang zur Artikeldebatte beschlossen und die Sitzung für eine Stunde unterbrochen. Sie beginnt wieder um 18.40 Uhr.
Grüne: “Lasst uns Nutzen aus dieser Krise ziehen”
“Das letzte Dekret von Premier Conte hat auch uns sprachlos zurückgelassen. Wie die meisten Bürgerinnen und Bürger in Italien hofften wir auf klarere Aussagen und schnellere Schritte hin zur Öffnung”, so die Grünen.
“Aber es fällt uns schwer, dem von der SVP gewählten Kurs zuzustimmen: Wir sind nicht hundertprozentig sicher, dass wir uns hiermit auf verfassungsrechtlich sicherem Boden bewegen. Außerdem haben wir kein epidemiologisches Gutachten gesehen, auf dem die im Gesetz vorgeschlagenen Entscheidungen basieren. Auch wir sind der Meinung, dass das gewohnte Leben wieder von neuem beginnen muss. Doch wir haben nicht vergessen, dass wir in dieser Aula auf die Verfassung und das Autonomiestatut geschworen haben. Obwohl ich mit einem Großteil des Inhalts dieses Gesetzes einverstanden bin, wird uns heute eine Gewissensentscheidung abverlangt”, betont Hanspeter Staffler in seiner Rede. “Erinnern wir uns daran, dass der Feind nicht Rom, sondern das Virus ist, wie wir heute in einem Südtiroler Wochenmagazin lesen konnten. Und diese Krankheit eint uns alle, von Nord bis Süd, von Ost nach West. Wir verstehen sehr gut, dass so viele Unternehmen wieder so schnell wie möglich öffnen- und dass die Bürgerinnen und Bürger ihre Grundrechte wieder ausüben können müssen. Eine plötzliche und komplette Öffnung – (“alles muss jetzt sofort öffnen!”) – ist aber riskant und wirft Fragen auf: Haben wir die richtigen „Werkzeuge“, um mit Phase 2 umzugehen? Sind wir in der Lage, die Situation auf unserem Gebiet im Blick- und unter Kontrolle zu halten? Wir wissen, dass das Schlimmste vielleicht vorbei ist, aber auch, dass der schwierige Teil erst jetzt beginnt”, heißt es weiter.
“Bis heute sagen uns die Daten, dass wir zu den am stärksten betroffenen Regionen in Europa gehören, also ist Bescheidenheit und Demut gefragt. Die Rhetorik, der sich in den letzten Wochen bedient wurde, ist einer regierenden und verantwortungsbewussten Partei, wie sie die SVP normalerweise ist, nicht würdig”, mahnte Riccardo Dello Sbarba in seiner leidenschaftlichen Rede.
Brigitte Foppa merkte an, dass uns diese Krise um gefühlt 50 Jahre zurückwirft. “Der ‘starke Mann’ ist zurückgekehrt, die Frauen wurden in den privaten Raum zurückgedrängt. In Südtirol ist die Trennung der Sprachgruppen wieder Realität geworden. Und nicht zuletzt ist die Umwelt in Gefahr: Einwegmaterialien sind wieder mehr als salonfähig und die Menschen haben wieder angefangen, Müll auf die Straße zu werfen” – so die Fraktionssprecherin der Grünen in der Generaldebatte Auf diese Gegebenheiten müssen wir jetzt reagieren. Die Gelder müssen dorthin gelangen, wo wir sie am nötigsten brauchen: Zu den vulnerabelsten Personen, dorthin, wo wir Gefahren für die Umwelt ausmachen, wo die Kultur zu sterben droht, ins Südtiroler Gesundheitssystem, in die Schulen, usw. Unsere Vorschläge und Änderungsanträge zu diesem Gesetz, das leider viele Unklarheiten enthält, gehen in diese Richtung. Genau darauf werden wir unser Augenmerk richten, denn gerade in diese unsicheren Bereiche nistet sich das Virus am leichtesten ein.”
“Die Lehren, die wir aus dieser Krise gezogen haben, dürfen wir nicht vergeuden: Neugestaltung muss das Schlüsselwort auf diesem Weg sein, auf den wir uns nun begeben. Lasst uns neue Wege gehen! Es ist kein Zufall, dass sich das Virus so stark in den am stärksten verschmutzten Orten der Erde ausgebreitet hat. Lasst uns die Autonomie nicht missbrauchen; und wenn wir dieses Gesetz schon machen, dann sollten wir unsere Energien darauf verwenden, dass es ein gutes Gesetz wird”, so die Grünen.