Autonome Wohnbaupolitik neugestalten – ein Kommentar

Teurer Traum von den eigenen vier Wänden

Donnerstag, 15. Juni 2023 | 01:39 Uhr

Bozen – Anlässlich der Vorstellung der ASTAT-Publikation „50 Jahre autonome Wohnbaupolitik in Südtirol“ blickte das Land stolz auf ein halbes Jahrhundert selbstverwalteten Wohnbau zurück. Das geschah vollkommen zu Recht. Dank vielfältiger Anreize und Förderungen konnte im Laufe der Jahrzehnte der Anteil jener Südtiroler, die in ihren eigenen vier Wänden wohnen, auf über 70 Prozent gesteigert werden.

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Seit einigen Jahren zeigt dieses Erfolgsmodell aber nicht wenige Risse. Die Preise für die Wohnungen sind den immer schmäleren Brieftaschen der Südtiroler längst enteilt. Im ganzen Land, aber ganz besonders in den Städten und Tourismushochburgen, schaffen es immer weniger Familien und junge Paare, sich ihren Traum vom Eigenheim – und sei es auch noch so klein – zu verwirklichen. Die ehemals ausreichenden finanziellen Förderungen erweisen sich heutzutage nur mehr als Tropfen auf dem heißen Stein. Wer nicht vermögende Eltern oder Schwiegereltern im Rücken weiß, muss sich daher oft damit abfinden, dass der Traum ein Traum bleibt.

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Zum Leidwesen vieler einheimischer Käufer erfüllen sich in Südtirol hingegen viele finanzkräftige In- und Ausländer, von denen früher nicht wenige das Landl als Touristen kennen und schätzen lernten, ihren Traum von der Zweitwohnung im Urlaubsparadies. Das Buhlen um die besten Wohnplätze sorgt dafür, dass die Quadratmeterpreise in immer luftigere Höhen schießen. Die geltenden Gesetze, die nicht wenige Schlupflöcher aufweisen, lassen es zu, Wohnungen an diesen und jenen zu verkaufen. Benötigt wird nur das nötige „Kleingeld“.

Die für Normalverdiener nicht mehr stemmbaren Wohnkosten sind inzwischen das vielleicht größte Problem Südtirols. Sie sorgen inzwischen dafür, dass junge Menschen das Land verlassen und gut ausgebildete Auslandssüdtiroler trotz attraktiver Arbeitsangebote nicht in ihre Heimat zurückkehren.

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Es genügt daher nicht, auf vergangene Erfolge zu verweisen. Die autonome Wohnbaupolitik bedarf dringend einer weitreichenden Überarbeitung. Der Anteil geförderter Baugründe muss massiv erhöht und der Ausverkauf der Heimat gestoppt werden. Durch geeignete steuerliche Maßnahmen soll von Einheimischer kaufbarer und an Einheimische vermietbarer leer stehender Wohnraum in den Markt gedrängt werden. Wie ein halbes Jahrhundert erfolgreiche autonome Wohnbaupolitik beweist, besitzt das Land weitreichende Zuständigkeiten, regulierend in den Markt einzugreifen.

Das ist auch bitternotwendig. Soll das Land in naher Zukunft nicht wie Florida in den USA zum Rentnerparadies für auswärtige Betuchte werden, ist die einheimische Politik gefordert, eine rasche Kehrtwende zu vollziehen.

Von: ka

Bezirk: Bozen