Der Landtag tagt diese Woche

Tiny Houses und Klimabäume: Anträge im Landtag abgelehnt

Donnerstag, 06. Juli 2023 | 12:36 Uhr

Von: luk

Bozen – Am heutigen Donnerstagvormittag wurden die Arbeiten im Landtag mit der Behandlung der Anträge der Opposition fortgesetzt. Zur Debatte standen Anträge von Perspektiven Für Südtirol und den Grünen zu den Themen Tiny Houses und Klimabäume. Beide Anträge wurden letztlich abgelehnt.

Beschlussantrag Nr. 724/23 Tiny Houses: bezahlbare Unterkünfte für StudentInnen, zugewanderte Fachkräfte und junge SüdtirolerInnen? (eingebracht vom Abgeordneten Faistnauer am 15.06.2023; Änderungsantrag vom 05.07.2023): Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. die rechtlichen Rahmenbedingungen zu definieren und zu prüfen, in welchen Bereichen innerhalb des bebauten Ortskerns und den verschiedenen Sondernutzungsgebieten die Errichtung von sogenannten Minihäusern sinnvoll und möglich ist; 2. die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit im Hofbereich (Bauparzelle) von landwirtschaftlichen Betrieben bis zu drei mobile Tiny Houses errichtet werden können; diese sollen insbesondere StudentInnen, zugewanderten Fachkräften und jungen SüdtirolerInnen zum vergünstigten Mietzins zur Verfügung gestellt werden; 3. einen Arbeitstisch unter der Federführung der Abteilung Raum und Landschaft mit allen Interessenvertretern, u.a. Eurac, Freie Universität Bozen, Unternehmerverband, SBB, LVH und anderen einzurichten, um die gesetzliche und praktische Umsetzung samt den Rahmenbedingungen (z.B. verpflichtend Holzbauweise, Dachbegrünung, GIS-Hebesätze, Erschließungskosten, u.a. mehr) auszuarbeiten.

Peter Faistnauer (Perspektiven Für Südtirol) führte in den Prämissen des Antrags aus, dass die Suche nach einer passenden und vor allem leistbaren Wohnung für viele junge Südtirolerinnen und Südtiroler und Studierende an der Freien Universität Bozen oftmals sehr aufwändig sei, lange dauere und auch dann nur teilweise von Erfolg gekrönt sei. Generell herrsche am Südtiroler Wohnungsmarkt seit Jahren Wohnungsnot. Dies spürten vor allem jene besonders stark, die bei der Suche nach einer Bleibe auch noch das Budget im Auge behalten müssen, wie es bei jungen Leuten und Studierenden häufig der Fall sei. Hier böten sogenannte Tiny Houses erschwingliche und kreative Wohnlösungen. Kleine Wohnungen seien ideal für alle jene, die z.B. beim Studieren oder Arbeiten Ruhe brauchten. Doch nicht nur Studierende und junge Südtiroler auf ihrem Weg ins Arbeitsleben seien auf der Suche nach leistbaren Unterkünften. Auch die vielen in Südtirol tätigen Saisonarbeitskräfte für Industrie, Handwerk und Dienstleistung suchten nach günstigen Wohnmöglichkeiten. Der Bedarf zeige auch künftig weiter nach oben. Hier könnten Tiny Houses eine gute Lösung – oder zumindest eine gute Zwischenlösung – sein. Die aus den USA stammende Idee von teilweise mobilen Minihäusern zu Preisen für den kleinen Geldbeutel treffe seit einigen Jahren auf gesteigertes Interesse in Europa und habe längst auch Südtirol erreicht. In Südtirol, insbesondere in Bozen und der näheren Umgebung, würde sich – wie bereits in anderen Ländern – geeigneter Platz auf Bauernhöfen finden. So wäre zweifach geholfen: Studierende würde eine geeignete und leistbare Wohnlösung geboten und den Bauern ein zusätzliches Standbein, das, insbesondere in Hinblick auf den aktuell viel diskutierten Overtourism, nicht rein auf Tourismus ausgerichtet sein müsse. Nebenbei biete sich die Möglichkeit, dass die jungen Leute Einblick in die einheimische landwirtschaftliche Tätigkeit erhielten. Tiny Houses ermöglichten zu der kostengünstigen auch eine nachhaltige Lebensweise. Für viele speziell junge Menschen sei es wichtig, wie sie mit Ressourcen umgehen und in dieser Welt leben wollen. Somit lasse sich für Tiny Houses Gewinn auf der ganzen Linie verzeichnen: Kleiner Wohnraum, niedrige Miete, niedrige laufende Unterhaltungskosten und somit geringer Ressourcenverbrauch für ein nachhaltiges Lebensmodell.

Gert Lanz (SVP) sagte, es wundere, wie man es schaffe, ein Thema so zu verzerren, dass es einen negativen Beigeschmack bekomme. Er sei sich unklar, ob man sich einen Dienst erweisen würde, wenn es ermöglicht werde, im Hofbereich solche Gebäude aufzustellen. Das Thema sei aber durchaus zu diskutieren. Als Gesellschaft müsse man bereit sein, auch darüber zu diskutieren, ob Wohnen auch auf kleinem Raum möglich ist. Von der Raumordnungsseite gehe er davon aus, dass es die Möglichkeiten gebe – die Herausforderung, die offen sei, sei, dass Tiny-Häuser auch etwas mit Flexibilität zu tun hätten.

Das Thema Tiny Houses sei vor einiger Zeit diskutiert worden, so Hanspeter Staffler (Grüne). Das Konzept habe als Nischenwohnform – vor allem aber nicht nur in urbanen Bereichen – seine Berechtigung. Es sei eine relativ kostengünstige Möglichkeit. Warum es auf Bauernhöfen stattfinden solle, verstehe er aber nicht. Man müsse und wolle künftig, was das Bauern betreffe verdichten und in die Höhe gehen; Tiny Houses seien aber eingeschossige Gebäude, die im Verhältnis sehr viel Fläche okkupieren würden. Das Problem sei die Zurverfügungstellung von Grund; wenn Gemeinden Grundstücke hätten und zur Verfügung stellten, dann könnte es Sinn machen – doch die Wohnform bleibe eine Nischenwohnform, die es gelte an die Dörfer anzudocken.

LR Maria Hochgruber Kuenzer erklärte, dass die Idee der Tiny Houses aus den USA komme, wo – was die Flächen anbelange – in anderen Maßstäben gehandelt wird. Für Südtirol aber sei es eine denkbar schlechte Lösung. Im neuen Gesetz für Raum und Landschaft habe man zugelassen, dass auch in Gewerbegebieten Studentenunterkünfte entstehen könnten. Sie glaube nicht, dass neue Sondernutzungsgebiete für Tiny Houses ausgewiesen werden sollten. Wenn die Gemeinden interessiert seien, dann könnten sie sich innerhalb des bebauten Ortskerns bewegen. Es gebe bereits einige Instrumente, mit denen man der Wohnungsnot entgegenwirken könne. Sie schlage vor, den Antrag abzulehnen.

Die LR habe einige Instrumente, aber nicht alle, antwortete Peter Faistnauer (Perspektiven Für Südtirol), und wenn man mit den Tiny Houses ein Instrument mehr habe, dann sei das wünschenswert. Auf Bauernhöfen gebe es die Infrastrukturen, um Tiny Houses einfach zu errichten. Zuletzt höre er immer, dass man mehr bauen müsse – auch von der grünen Seite. Tiny Houses sollten nicht in “Ghettos” ausgewiesen werden, wo 100 Häuser entstehen. Er sei überzeugt davon, dass die Zeit für das Instrument Tiny Houses reif sei – zugeschnitten auf die Südtiroler Realität.

Der Antrag wurde getrennt nach Prämissen und einzelnen Punkten abgestimmt: Die Prämissen, Punkt 1, Punkt 2 und Punkt 3 wurden jeweils mehrheitlich abgelehnt.

Beschlussantrag Nr. 729/23 Klimabäume gegen die Klimakrise (eingebracht von den Abgeordneten Staffler, Foppa und Dello Sbarba am 16.06.2023): Der Landtag möge die Landesregierung beauftragen, 1. den Baumbestand in den Ortszentren zu erheben mit dem Ziel, die Bedeutung als Klimabäume festzuhalten und diese vor unbedachter Schlägerung zu schützen; 2. ein landesweites klimafittes Straßenbaumsortiment mit Anpflanzungs- und Pflegetipps auszuarbeiten, damit Neupflanzungen von Bäumen in Hinblick auf klimatische Veränderungen geschehen; 3. eine Sensibilisierungs- und Ausbildungskampagne zum Thema „Bedeutung und Pflege von Klimabäumen in Ortschaften“ für Gemeindereferentinnen und Gemeindemitarbeitern zu lancieren; 4. Anreize wie Förderungen, Incentives oder Preise für Gemeinden vorzusehen, die „Klimabäume“ strategisch schützen und anpflanzen; 5. eine einschlägige Durchführungsverordnung zum Gesetz für Raum und Landschaft anzupeilen, um für die Gemeindeverwaltungen eine Verbindlichkeit in Sachen Klimabäume zu erreichen.

Hanspeter Staffler (Grüne) berichtete, dass die Grünen zuletzt vermehrt Meldungen bekommen hätten, dass Bäume gefällt wurden und die Bevölkerung nicht verstanden habe weshalb. Dort, wo es Stadtgärtnereien gebe, werde um jeden Baum gerungen. Bäume seien gerade an Hitzetagen sehr wichtig, weil sie Schattenspender und “Kühloasen” seien, das hätte man in den Südtiroler Städten verstanden, doch nicht in den Dörfern, wo gesunde Bäume – aus welchen Gründen auch immer – geschlägert würden. Man habe hier eine Lücke ausgemacht: Die Schlägerung der Bäume in den Dörfern falle laut Raumordnungsgesetz nicht in die Kompetenz der Forstbehörde, sondern in die Kompetenz der Gemeinde. In den Dörfern gebe es keine Dorfgärtnerei und keine Fachexpertise – und wenn nun Anrainer einen Baum fällten möchten, dann werde diesen Ansinnen, diesen Drängen häufig nachgegeben. Die rechtliche Kompetenz hätten die Gemeinden also, nicht aber die fachliche – das Ergebnis sei, das Bäume gefällt würden, die nicht müssten. Es sei notwendig, dass die Landesregierung hier interveniere; es gelte zunächst die Bäume in den Ortskernen zu kartieren, dazu müssten “klimafitte” Bäume in den Ortskernen und Gewerbegebieten – die nicht vergessen werden dürften – gepflanzt werden. Er schlage eine Durchführungsverordnung zum Thema vor.

Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) erklärte, er wolle eine Unterscheidung zwischen politischem und inhaltlichem Teil des Beschlussantrags machen, denn es entspreche nicht den Tatsachen, dass Gemeinden sorglos Bäume fällten – und in Städten nicht. Dass manche Bäume gefällt wurden, habe auch einen Grund, etwa hohes Allergiepotenzial, Früchte, die auf Autos fielen, etc. Zum inhaltlichen Teil: Zu den beschließenden Punkten sei nichts dagegen zu sagen.

Er werde den Antrag mittragen, schickte Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) voraus. Er erinnerte daran, dass Minister Fraccaro initiiert habe, 2 Mio. Bäume in Italien zu pflanzen. Bäume helfen gegen den Klimawandel. Städte seien sich nicht immer des Nutzens der Bäume bewusst, sondern schauten mehr auf das Risiko – sodass sie die Tendenz haben, potenziell gefährliche Bäume zu fällen und Bäume an die Gegebenheiten anzupassen. Doch Bäume seien nicht nur ein Risiko, sondern auch ein Reichtum – dieses Bewusstsein fehle. Auch Bäume seien Lebewesen und wenn man einen Baum pflanze, dann müsse man sich dessen bewusst sein und dieses Leben auch respektieren.

Franz Ploner (Team K) sagte, man werde dem Beschlussantrag zustimmen, denn es sei gerade jetzt wichtig, dass man sich in der Klimakrise auf die Wichtigkeit der Bäume besinne. Er stamme aus Brixen und es falle ihm schwer zu sagen, dass man dort auf Bäume besondere Rücksicht genommen hätte. Er sehe im Ansatz des Abg. Staffler vieles Positive; der Abg. Ploner erinnerte dann aber an seinen Beschlussantrag zum Auwald, wo der Abg. Staffler gesagt habe, er könne nicht zustimmen. Es gelte Bäume und Kulturen im Sinne der Klimakrise – diese Nachhaltigkeit sei in diesem Hause noch nicht angekommen.

Manfred Vallazza (SVP) stimmte mit dem Abg. Staffler darin überein, dass man Bäume schütze. Doch in den Siedlungsgebieten sei dies bereits durch Gesetze und Dekrete vorgesehen sei. Ein Baum habe private Eigentümer und wenn er geschützt werde und er bei einem Sturm umfalle oder sonst wie Schaden verursache, dann stelle sich die Frage, wer dafür hafte. Er erinnerte zudem an das Beispiel des abgestorbenen Baumes in Ulten, der sich kürzlich in ein Haus bohrte.

Paula Bacher (SVP) sagte, sie sei in Brixen für die Gärtnerei zuständig gewesen und erinnerte daran, dass ein neues Gebäude um einen Baum herum errichtet worden sei. Zudem gebe es ein Baum- und Strauchkataster. In 30 Jahren sei nicht ein Baum mehr abgeholzt als gepflanzt worden.

Es sei eine etwas merkwürdige Diskussion, die sich entwickelt habe, meinte Brigitte Foppa (Grüne), Mitunterzeichnerin des Antrages. Es gehe nicht darum, ob die Stadt- oder Landgemeinden es besser machten. Es gehe vielmehr darum, dass Südtirol ein Land sei mit vielen Bäumen und dass es Pflanzen gebe, die schützenswert seien. Mit dem Antrag sei nicht gemeint, dass man in Südtirol keinen Baum mehr abholzen dürfe. Neu sei das Bewusstsein, dass Bäume eine besondere Bedeutung beim Klima hätten – und dass sie der Klimaerwärmung entgegenwirken könnten. Dieser Antrag solle das Bewusstsein dafür schärfen, wie wichtig Bäume seien als Anpassungsstrategie an den Klimawandel.

Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) unterstrich, er habe es gerne, wenn Beschlussanträge in der Realität anwendbar seien – doch wenn er den vorliegenden Antrag anschaue, wisse er nicht, wie weit es sinnvoll sei, dass man in einem kleinen Dorf mitten in der Natur den Baumbestand erhebe. Er sei gegen das Andenken einer Durchführungsverordnung zum verbindlichen Pflanzen von Klimabäumen in den Gemeinden. Plätze seien in den vergangenen Jahren kahler geworden, aber nicht, weil nicht an die Klimabäume gedacht werde, sondern weil der Fokus, etwa der architektonische, ein anderer sei. Er sprach sich gegen eine Förderung der Gemeinden aus, dieses Ziel sollten sie aus eigener Kraft stemmen können.

LR Maria Hochgruber Kuenzer wies auf ein Dekret des Landeshauptmanns hin, das die Gemeinden zu Grünflächen in den Plänen verpflichte. Ein weiteres Dekret schreibe die Bepflanzung bestimmter Flächen vor. Es seien detaillierte Vorgaben, die jede Gemeinde berücksichtigen müsse. Die Entsiegelung und die Aufwertung mit Baumbestand sei heute ein Ziel. Kuenzer sprach sich gegen den Antrag aus, da er eigentlich alles beinhalte, was bereits geregelt sei.

Hanspeter Staffler (Grüne) antwortete, dass das von der LR vorgestellte Regelwerk nicht funktioniere. Es gelte sich umzusehen, wie es moderne Städte wie Wien oder München machten. Und es gehe darum, die Sache heute in die Hand zu nehmen und dadurch die zukünftigen Problematiken anzugehen. Der Beschlussantrag versuche in die Zukunft zu blicken, damit rechtzeitig agiert wird, auf die Ausbildung gesetzt und auf die Analyse, mit der dann planerisch gearbeitet werden könne. Es wäre eine Riesenchance. Er sei eigentlich empört, dass das nicht wahrgenommen werde.

LR Maria Hochgruber Kuenzer stellte klar, sie habe nicht gesagt, dass sie etwas nicht mache, sondern dass es verbindliche Regeln gebe.
Der Beschlussantrag wurde getrennt nach Prämissen und einzelnen Punkten abgestimmt: Die Prämissen, Punkt 1, 2, 3, 4 und 5 wurden jeweils mehrheitlich abgelehnt.

 

Bezirk: Bozen