Indische Grenzstadt Poonch von Pakistan attackiert

Pakistans Premier kündigt Reaktion auf indische Angriffe an

Mittwoch, 07. Mai 2025 | 13:32 Uhr

Von: APA/dpa/Reuters/AFP

Pakistans Premierminister Shehbaz Sharif hat nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts eine Reaktion auf den indischen Angriff auf pakistanische Ziele angekündigt. Pakistan behalte sich das Recht vor, in Selbstverteidigung zu einem Zeitpunkt, an einem Ort und auf eine Weise seiner Wahl zu reagieren, sagte der Politiker am Mittwoch in Islamabad laut einer Mitteilung. “Die pakistanischen Streitkräfte sind ordnungsgemäß ermächtigt worden, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.”

Indien hatte in der Nacht mehrere Ziele in Pakistan und im pakistanisch kontrollierten Teil der Unruheregion Kaschmir angegriffen. Nach Angaben des pakistanischen Militärs wurden dabei 26 Menschen getötet und 46 weitere verletzt, was zu den schwersten Kämpfen zwischen beiden Staaten seit mehr als 20 Jahren führte. Beide Seiten meldeten getötete Zivilisten. Der Jahrzehnte alte Konflikt zwischen den Atommächten ist damit erneut eskaliert. International wird Zurückhaltung gefordert.

Premier Sharif sprach von einem “offenkundigen Kriegsakt”. Pakistan erklärte zudem, fünf indische Kampfjets abgeschossen zu haben. Indien bestätigte diese Angabe zunächst nicht. Zudem informierte Pakistan den UNO-Sicherheitsrat über sein Recht, angemessen auf die indische Aggression zu reagieren. Bei einem der indischen Angriffe in Pakistan wurden nach Angaben der islamistischen Extremistengruppe Jaish-e-Mohammad zehn Verwandte ihres Anführers Masood Azhar getötet. Die Regierung in Neu-Delhi sprach von einem Angriff auf Terrorziele.

Auslöser der Eskalation war ein Anschlag im indischen Teil Kaschmirs im April, für den Indien muslimische Extremisten aus Pakistan verantwortlich macht. Die Regierung in Islamabad bestreitet eine Verwicklung. Mehrere Fluggesellschaften strichen Flüge nach Indien und Pakistan. Flughäfen und der Luftraum wurden gesperrt. Später am Mittwoch wurden die Sperren wieder aufgehoben.

In Islamabad kam später das Sicherheitskabinett zusammengekommen, um über Pakistans weiteres Vorgehen im Konflikt mit Indien zu beraten, wie es aus Kreisen des Außenministeriums und des Geheimdienstes hieß. Die Ergebnisse werde Pakistans Premierminister Sharif nach der Sitzung verkünden, hieß es weiter.

“Ehre verteidigen”

“All diese Einsätze wurden als Verteidigungsmaßnahme durchgeführt”, sagte der pakistanische Militärsprecher Ahmed Sharif Chaudhry bezüglich der Angriffe. “Pakistan bleibt ein sehr verantwortungsvoller Staat. Wir werden jedoch alle notwendigen Schritte unternehmen, um die Ehre, Integrität und Souveränität Pakistans um jeden Preis zu verteidigen.” Entlang großer Teile der De-facto-Grenze in Kaschmir kam es zu intensivem Beschuss und schwerem Gewehrfeuer, wie Polizei und Augenzeugen berichteten.

Nach Angaben der indischen Polizei wurden durch Beschuss der pakistanischen Armee zehn Zivilisten im indischen Teil Kaschmirs getötet, 48 Menschen wurden demnach verletzt. Auf pakistanischer Seite wurden den Behörden zufolge mindestens sechs Menschen getötet.

In Muzaffarabad, der Hauptstadt von Pakistanisch-Kaschmir, waren bei Sonnenaufgang Schäden der Angriffe sichtbar. Sicherheitskräfte sperrten eine kleine Moschee in einem Wohnviertel ab, die getroffen worden war. Das Minarett war eingestürzt. Ein pakistanischer Militärsprecher teilte dem Sender Geo mit, dass zwei Moscheen zu den von Indien angegriffenen Zielen gehörten. Der pakistanische Verteidigungsminister erklärte, alle Ziele seien zivil gewesen. Er wies damit anderslautende indische Angaben zurück.

Nach den Angriffen wurden alle Schulen in Pakistanisch-Kaschmir, der Hauptstadt Islamabad, weiten Teilen des indischen Kaschmirs und der bevölkerungsreichen pakistanischen Grenzprovinz Punjab geschlossen. Der pakistanische Regierungschef Shehbaz Sharif sagte, seine Regierung werde auf die indischen Angriffe reagieren. Er nannte jedoch keine Einzelheiten. Die Provinz Punjab rief den Notstand aus. Krankenhäuser und Notdienste wurden in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Nach den Angriffen erklärte die indische Armee auf der Online-Plattform X: “Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan.”

Terrorvorwürfe

Indien erklärte, neun pakistanische “terroristische Infrastruktureinrichtungen” angegriffen zu haben. Einige davon stünden in Verbindung mit dem Angriff islamistischer Militanter auf hinduistische Touristen, bei dem am 22. April 26 Menschen im indischen Kaschmir getötet worden waren. Indische Streitkräfte zielten auf die Hauptquartiere der militanten Islamistengruppen Jaish-e-Mohammed und Lashkar-e-Taiba ab, wie es in indischen Sicherheitskreisen hieß.

Das indische Verteidigungsministerium erklärte, es sei bei der Auswahl der Ziele und der Ausführung der Angriffe größtmögliche Zurückhaltung geübt worden. Die Regierung in Islamabad meldete, dass sechs pakistanische Standorte angegriffen worden seien. Dabei habe es sich nicht um Anlagen militanter Gruppen gehandelt. Nach Angaben eines pakistanischen Militärsprechers wurden mindestens 26 Zivilisten getötet und 46 verletzt. Der indische Außenminister Subrahmanyam Jaishankar schrieb auf der Plattform X: “Die Welt darf dem Terrorismus keine Toleranz zeigen.”

Operation “Sindoor”

Mit dem indischen Angriff eskalieren die jüngsten Spannungen zwischen den beiden Atommächten erheblich. Ausgelöst wurden sie durch den Anschlag vom 22. April. Die Regierung in Neu-Delhi wirft Pakistan eine Beteiligung vor, Islamabad weist den Vorwurf zurück. Seit dem Anschlag überzogen sich Indien und Pakistan mit Strafmaßnahmen, wiesen unter anderem Staatsbürger der jeweils anderen Seite aus und reduzierten die diplomatischen Beziehungen. Experten stuften besonders Indiens Entscheidung als schwerwiegend ein, den sogenannten Indus-Wasservertrag mit dem Nachbarn auszusetzen. Der Vertrag regelt die Wassernutzung beider Seiten des Indus und seiner Nebenflüsse. Islamabad nannte die Aussetzung des Vertrags eine Kriegshandlung und drohte mit entsprechenden Gegenmaßnahmen.

Die Kaschmir-Region im Himalaya ist zwischen Pakistan und Indien geteilt, beide beanspruchen aber das ganze Gebiet für sich. Die Ursprünge des Konflikts reichen bis in die Kolonialzeit zurück. 1947 entließen die Briten den indischen Subkontinent in die Unabhängigkeit und teilten diesen auf. Aus der Teilung entstand neben dem überwiegend hinduistischen Indien der neue Staat Pakistan für Muslime. Die gewaltvoll verlaufene Teilung nährt bis heute eine erbitterte Rivalität. Seit ihrer Unabhängigkeit führten beide Länder drei Kriege gegeneinander, zwei davon um Kaschmir.

Seit einem Waffenstillstand von 2003, zu dem sich beide Länder 2021 erneut bekannten, sind gezielte Angriffe zwischen Indien und Pakistan äußerst selten. Dies gilt besonders für indische Angriffe auf pakistanische Gebiete außerhalb von Pakistanisch-Kaschmir. Experten warnen, das Ausmaß des jüngsten indischen Angriffs – genannt “Operation Sindoor” – erhöhe das Risiko einer Eskalation. “Sindoor” ist das Hindi-Wort für Zinnober, ein rotes, mineralisches Pulver, das hinduistische Frauen als Zeichen der Ehe auftragen.

Der nun erfolgte indische Angriff stellt eine erhebliche Eskalation gegenüber früheren Aktionen Neu-Delhis auf Angriffe in Kaschmir dar, die Pakistan zugeschrieben wurden. Dazu gehört etwa ein Luftangriff 2019 nach der Tötung von 40 indischen paramilitärischen Polizisten. Teile von Kaschmir stehen zu allem Übermaß unter chinesischer Kontrolle, was das Konfliktpotenzial rund um unklare Grenzverläufe zusätzlich erhöht.

UNO und Weltmächte für Zurückhaltung

“Angesichts des Ausmaßes des indischen Angriffs, der weit größer war als das, was wir 2019 gesehen haben, können wir eine beträchtliche pakistanische Reaktion erwarten”, sagte Michael Kugelman, ein in Washington ansässiger Südasien-Analyst für die Zeitschrift “Foreign Policy”. “Alle Augen richten sich auf Indiens nächsten Schritt. Wir haben einen Angriff und einen Gegenangriff erlebt, und was als Nächstes kommt, wird der stärkste Hinweis darauf sein, wie ernst diese Krise werden könnte.”

UNO-Generalsekretär António Guterres zeigte sich nach den gegenseitige Angriffen “sehr besorgt”. “Die Welt kann sich eine militärische Konfrontation zwischen Indien und Pakistan nicht leisten”, sagte er laut einer Mitteilung seines Büros. Er rief beide Atommächte zur militärischen Zurückhaltung auf.

US-Präsident Donald Trump äußerte seine Hoffnung, dass der Konflikt zwischen den beiden Atommächten nicht weiter eskaliert. “Ich hoffe nur, dass es sehr schnell endet”, sagte Trump bei einer Veranstaltung im Weißen Haus mit Blick auf den Angriff. US-Außenminister Marco Rubio schrieb auf der Plattform X, er werde weiter sowohl die indische als auch die pakistanische Führung auf eine friedliche Lösung hinweisen.

Auch China, Russland und der Iran forderten beide Seiten zur Zurückhaltung auf. Man bedauere die Militäraktion Indiens und sei über die Entwicklung der Lage besorgt, teilte ein Sprecher des Außenamtes in Peking mit. China fordere beide Seiten auf, Frieden und Stabilität Vorrang einzuräumen und weitere Handlungen zu vermeiden, die die Lage verkomplizieren würden. Während das chinesisch-indische Verhältnis unter anderem wegen Grenzkonflikten im Himalaya-Gebirge als äußerst angespannt gilt, unterhält Peking enge Wirtschaftsbeziehungen zu Pakistan.

Man sei sehr besorgt wegen der sich verschärfenden militärische Konfrontation zwischen Indien und Pakistan, teilte das russische Außenministerium in Moskau mit. Russland verurteile jede Form von Terrorismus. Russland unterhält zu beiden Staaten gute Beziehungen.

China sei bereit, eine “konstruktive Rolle” in möglichen Verhandlungen zur Beilegung des Konflikts einzunehmen, hieß es in Peking außerdem. Auch die einstige Kolonialmacht Großbritannien erklärte seine Bereitschaft, zwischen Indien und Pakistan zu vermitteln.

Ein Sprecher der Kommission rief beide Seiten zu Schritten der Deeskalation, zu Verhandlungen und einer “einvernehmlichen, dauerhaften und friedlichen Lösung” auf. Der Konflikt werde die EU-Außenminister bei ihrem Treffen ab Mittwoch in Warschau beschäftigen.

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