Von: mk
Bozen – Er überquert die Ziellinie als letzter und trotzdem jubelt ihm die Menge zu. Oleh Yordan hat als Soldat in der Ukraine an der Front für sein Land gekämpft und wurde schwer verwundet. Nach seiner Behandlung in Südtirol setzt er nun ein bemerkenswertes Zeichen: Er hat in Bozen an einem Marathon teilgenommen und wurde von ukrainischen Landsleuten als Held gefeiert, schreibt die Zeitung Alto Adige.
Mit fest umklammerten Wanderstöcken stemmte sich der 32-Jährige die letzten Meter ins Ziel, während er um Atem rang: Dabei trat er symbolisch auf ein stilisiertes, blutverschmiertes Foto von Kreml-Despot Wladimir Putin. Gleichzeitig zeigte er sich tief gerührt, als ihn Ukrainer empfingen, die sich derzeit ebenfalls in Südtirol aufhalten.
“Rocket”, sagt Oleh auf Englisch und imitiert mit seiner Hand die Flugbahn einer Rakete. Am 2. Dezember 2022 wurde er an der Front verwundet. Eine lange Narbe zieht sich heute über seinen Rücken. “Man hat mir gesagt, ich würde nie wieder laufen können”, erzählt Oleh laut Alto Adige. Mit Hilfe von Freunden kam er nach Südtirol, wo er in Meran operiert und in der Cityklinik behandelt wurde. Ein Team aus Ärzten und Physiotherapeuten habe “das Unmögliche möglich gemacht” und ihm ein Leben zurückgegeben, das wieder der Normalität ähnelt, erklärt Oleh.
Trotz seiner Verletzungen ist sein Kampfgeist ungebrochen. Erst am Samstag legte er mit dem Handbike 80 Kilometer im Eisacktal zurück. “Ich halte mich fit und versuche, schnell zu gesund zu werden”, sagt er. Bozen gefalle ihm, weil Ähnlichkeiten zu seiner Heimatstadt Lwiw bestünden. Dennoch vermisse er seine Heimat, seine Freunde und seine Familie.
Der Wunsch, zurückzukehren und weiterzukämpfen, treibt ihn an. “Wer kein Ukrainer ist, kann das nicht verstehen. Es ist wichtig, dass mein Land gerettet wird. Wir wollen wieder frei sein”, seufzt er. In ein paar Monaten hofft er, gesund in die Ukraine zurückzukehren, um seinen “Beitrag zu leisten”.
Erinnerung an die Gefallenen
Am Sonntag haben sich in Bozen rund 50 Ukrainer zum “Marathon der Helden” getroffen. Jeder Teilnehmer trug ein Foto eines gefallenen Soldaten bei sich – meistens junge Männer unter 25 Jahren. Viele sind Brüder, Cousins und Verwandte von Menschen, die nun auf der Flucht vor dem Krieg in Südtirol leben. Luba Starovska, die Präsidentin des Vereins “Soniashnyck” (auf Deutsch Sonnenblume, Anm.), leitete die Veranstaltung und sang mit den Anwesenden ukrainische Lieder. “Es ist wichtig, dass wir die Aufmerksamkeit auf das Geschehen in unserem Land aufrechterhalten”, so Starovska.
Auch Oksana Dovhan, die 2022 mit ihren betagten Eltern nach Bozen floh, war dabei. Gemeinsam mit ihrer Freundin Olha Marchyn sammelt sie Spenden für die Anschaffung von Sanitätsmaterial und Rollstühlen für Kriegsversehrte. “Krieg und Zerstörung halten in unserer Heimat schon viel zu lange an”, sagt sie. “Jetzt wollen wir Frieden.”
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