Von der Leyen verhandelte Corona-Impfstoff-Deal

Von der Leyen kassiert Niederlage in “Pfizergate”-Affäre

Mittwoch, 14. Mai 2025 | 14:25 Uhr

Von: APA/dpa/Reuters

Im Rechtsstreit um Textnachrichten an einen Pharma-Konzernchef hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Niederlage kassiert. Die Kommission habe “keine plausible Erklärung” gegeben, warum sie nicht über die angeforderten Dokumente verfüge, urteilte das Gericht der Europäischen Union am Mittwoch. Den Beschluss, die angefragten Nachrichten nicht herauszugeben, erklärte es für nichtig. Das Urteil in der sogenannten “Pfizergate”-Affäre ist noch nicht rechtskräftig.

Die EU versprach daraufhin “ausführlichere Erläuterungen”. Im Fokus steht ein Deal zwischen der Kommission und dem Impfstoff-Hersteller Biontech/Pfizer aus dem Frühling 2021. Die Parteien einigten sich auf die Lieferung von bis zu 1,8 Milliarden Dosen Corona-Impfstoff, das Vertragsvolumen wurde damals auf 35 Milliarden Euro geschätzt. Wie die “New York Times” berichtete, war der persönliche Kontakt zwischen von der Leyen und Pfizer-Chef Albert Bourla für den Abschluss entscheidend. Dabei sollen sie auch per SMS kommuniziert haben.

“New York Times”-Journalistin beantragte Zugang zu Textnachrichten

Eine Journalistin der “New York Times” beantragte daraufhin im Jahr 2022 zusammen mit ihrer Zeitung den Zugang zu sämtlichen Textnachrichten, die von der Leyen und Bourla zwischen dem 1. Jänner 2021 und dem 11. Mai 2022 ausgetauscht hatten. Die Kommission wies dies mit der Begründung ab, in ihrem Besitz befänden sich keine solchen Dokumente. Das fochten die Journalistin Matina Stevis und ihre Zeitung vor dem EU-Gericht an.

Die Kommission muss nun auf ein Neues über die Bitte um Offenlegung der “New York Times” befinden. Zudem kann sie das Urteil noch am Europäischen Gerichtshof anfechten.

Die Richterinnen und Richter machten deutlich, die Antworten der Kommission zu der Anfrage basierten “entweder auf Hypothesen oder auf wechselnden oder ungenauen Informationen”. Sie habe nicht erklären können, warum die Textnachrichten nicht in ihrem Besitz seien. Sollten sie gelöscht worden sein, müsse auch das hinreichend erklärt werden.

“Sieg der Transparenz”

“Die Entscheidung ist ein Sieg für Transparenz und Rechenschaftspflicht in der Europäischen Union und sendet die deutliche Botschaft, dass flüchtige Kommunikation nicht außerhalb der öffentlichen Kontrolle liegt”, sagte eine Sprecherin der “New York Times”. Von der Kommission hieß es, sie werde das Urteil genau prüfen und eine neue Entscheidung erlassen, die eine ausführlichere Erklärung enthält.

Im Prozess mit der “New York Times” bestritt die Kommission nicht, dass Bourla und von der Leyen per SMS im Austausch standen. Es seien aber keine SMS gefunden worden, die wesentlich für die Verhandlungen gewesen seien. Beschäftigte der Kommission müssten Chats und andere Dokumente nur dann archivieren, wenn sie als wichtig klassifiziert werden, heißt es aus der Behörde.

Impfstoff-Verträge immer wieder kritisiert

Während der Pandemie hatte die EU-Kommission im Namen der Mitgliedstaaten Verträge über Hunderte Millionen Dosen Impfstoff verhandelt und abgeschlossen. Das Vorgehen stand immer wieder in der Kritik, weil die Verträge nur teilweise öffentlich gemacht wurden oder weil es Verzögerungen bei der Lieferung des Impfstoffs gab. Die milliardenschweren Käufe von Corona-Impfstoff gerieten auch in das Visier der europäischen Staatsanwaltschaft.

Als “Sieg für Transparenz, Pressefreiheit und Antikorruption” wertete die freiheitliche EU- und Außenpolitiksprecherin Susanne Fürst das Urteil. Der FPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament erklärte: “Es wird enger für Frau von der Leyen: Paukenschlag um von der Leyens Geheim-SMS an Pfizer-Chef.” Auch SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder begrüßte das Urteil: “Das Urteil ist ein Warnschuss, wir haben von der Leyen unser Vertrauen ausgesprochen, jetzt ist es an ihr zu beweisen, dass sie sich dieses Vertrauen auch verdient hat.”

“Das Versteckspiel auf von der Leyens Handy muss ein Ende haben”, sagte der deutsche Abgeordnete Daniel Freund, der für die Grünen im Europaparlament sitzt. “Dienstliche Nachrichten müssen systematisch gespeichert, archiviert und gegebenenfalls offengelegt werden.”

Österreichischer Journalist stellte erste Anfrage

Der österreichische Journalist Alexander Fanta hatte die erste diesbezügliche Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz gestellt. Er hatte die Kommission im Jahr 2021 zur Einsichtgewährung in die Chats aufgefordert. Diese wies die Anfrage jedoch ab. Ombudsfrau O’Reilly sprach 2022 von einem Missstand in der Verwaltungstätigkeit und forderte Aufklärung durch die EU-Kommission.

“Das Urteil macht deutlich, dass die Kommission die ‘New York Times’ in die Irre geführt hat. Das lässt an der Vertrauenswürdigkeit von von der Leyen und ihren Beamten zweifeln”, sagte Fanta von der investigativen Medienplattform “Follow the Money” gegenüber dem Nachrichtenmagazin “profil” (online). “Die Kommission sollte die Chats jetzt offenlegen, um das Vertrauen in ihren Umgang mit dem Thema Transparenz wiederherzustellen”, ergänzte der ehemalige APA-Journalist.

“Bei diesem Urteil geht es um mehr als nur um Transparenz: Es geht darum, die institutionelle Rechenschaftspflicht wiederherzustellen, die die Europäische Kommission schmerzlich vermissen lässt”, sagte Shari Hinds von der Nichtregierungsorganisation Transparency International.

Nicht das erste Mal Ärger um SMS

Es ist nicht das erste Mal, dass es Ärger um SMS von der Leyens gibt. In ihrer Zeit als deutsche Verteidigungsministerin wurden die Daten auf einem ihrer Handys gelöscht. Das Verteidigungsministerium in Berlin begründete die Löschung 2019 mit einem “Sicherheitsvorkommnis”. Kritiker monierten, dass dadurch Beweise in der Berateraffäre verloren gegangen seien, in der es um Vorwürfe von unkorrekter Auftragsvergabe bis zu Freunderlwirtschaft ging.

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