Von: mk
Bozen – In schneereichen Wintern wie dem heurigen wird das Problem mangelnder Räumschneekonzepte offensichtlich: Die Gemeinden wissen nicht wohin mit den Schneemassen und wählen den einfachsten Weg – die Entsorgung in unsere Bäche und Flüsse, auf Kosten der Umwelt. Darauf macht der Fischereiverband Südtirol in einer Presseaussendung aufmerksam.
Während das Einbringen von Räumschnee in die Gewässer in Deutschland sowie Oberösterreich verboten und in Tirol und der Schweiz zumindest genau geregelt ist, hinkt Südtirol hinterher. Bei uns sind die Regelungen zum Umgang mit Räumschnee derzeit zu unspezifisch und unverbindlich gehalten.
Im Band B des Entwurfes zum Gewässerschutzplan heißt es etwa recht schwammig, dass die Einbringung von Räumschnee in Fließgewässer nur in Ausnahmefällen zulässig ist, und zwar bei außergewöhnlich starken Niederschlägen, wenn die Lagerflächen, welche die Gemeinden ausweisen “sollen”, ihre maximale Kapazität erreicht haben und sofern es sich um “geeignete” Fließgewässer handelt (im Sinne des Abflussverhaltens des Gewässers, wohlgemerkt, nicht etwa aus ökologischer Sicht). Der Fischereiverband stellt sich nun die Frage: Aber wie sind “außergewöhnlich starke” Niederschläge definiert? Werden Gemeinden Lagerflächen ausweisen, wenn sie es nur “sollen”?
Aus ökologischer Sicht gebe es keine Fließgewässer, die für das Einbringen von Räumschnee “geeignet” sind. Der übermäßige Eintrag von verunreinigtem Räumschnee wirke sich durch mechanische und chemische Belastungen negativ auf den ökologischen Zustand eines Gewässers aus, insbesondere auf die Fischfauna und die Fischnährtiere. Die chemische Belastung auf die Ökologie in den Gewässern werde bis dato in der Bewertung von Räumschnee komplett unterschätzt. Neueste Erkenntnisse, auch im Zusammenhang mit dem Abrieb von Reifen, würden aber aufzeigen, wie stark chemische Verunreinigungen auf Fische und Fischeier wirken.
„Hinlänglich bekannt ist hingegen, dass der mit dem Schnee eingebrachte Streusplitt problematisch ist. Das scharfkantige Material besitzt andere Ablagerungseigenschaften als z.B. Kies. Es ist davon auszugehen, dass sich der Splitt im Lückensystem des Gewässergrundes dauerhaft hält. Davon sind sowohl Laichplätze von Fischen betroffen als auch Jungfischlarven, die einen Teil ihrer Entwicklung im Lückensystem der Gewässersohle verbringen. Beim Schlagen der Laichgruben können sich Fische am scharfkantigen Splitt Haut- und Flossenverletzungen zufügen, was wiederum Pilzerkrankungen fördern kann. Wird das Lückensystem verstopft, droht eine Unterversorgung der Fischlarven mit Sauerstoff. Auch das Schlüpfen der Fischlarven ist nicht mehr oder nur mehr erschwert möglich“, erklärt der Fischereiverband Südtirol.
Die schabende Wirkung der abdriftenden Eis- und Schneeschollen könne außerdem zum Abrieb des Aufwuchses auf der Sohle, zur Beeinträchtigung des Fischlaiches und zu einer ausgedünnten Besiedelung durch Makrozoobenthos sowie Phytobenthos führen.
„Die Folge wäre eine nur sehr dünne Besiedelung vor allem der flachen Uferbereiche und Schotterbänke durch Fischnährtiere. Ein weiterer negativer Aspekt kommt bei Kleinstgewässern zum Tragen. Werden große Schneemengen eingebracht, wird das Gewässer oberhalb zumindest teilweise zurückgestaut, unterhalb fällt es trocken. Bei zahlreichen Gräben im Etschtal und im Vinschgau ist dies leider Realität“, erklärt der Präsident des Fischereiverbandes Südtirol, Markus Heiss.
Sein Fazit lautet: „Zahlreiche unserer Fließgewässer sind bereits heute einer Häufung von unterschiedlichen Beeinträchtigungen ausgesetzt: harte Uferverbauungen, nicht fischpassierbare Querbauwerke, fehlende Habitats-Strukturvielfalt, hydrologische Belastungen wie Schwall und Restwasser, Einträge von chemischen Substanzen wie Hormone und Medikamente, die durch Kläranlagen nicht entfernt werden, sowie Fischprädatoren.“
Eine weitere Verschärfung der Situation in unseren Fließgewässern sollte unterbleiben, auch weil sie sich im Fall von Räumschnee vermeiden lasse.
Dem Fischereiverband Südtirol sei durchaus bewusst, dass die Gemeinden eine Verpflichtung haben, innerörtliche Straßen, Gehsteige und Parkplätze zu räumen und dies zurecht auch als geschätzten Dienst an ihren Bürgern sehen. „Straßen laufen meist entlang von Gewässern und die Entsorgung von Räumschnee in diese bietet sich an, da es immer schon so gemacht wurde und da die Schneeräumung dadurch zweifelsfrei beschleunigt wird und zudem kosteneffizient ist. Allerdings sollten wir uns in einem Südtirol, das gerne zum grünen Vorzeigeland werden möchte, schon fragen, ob die derzeitige gelebt Praxis des Entsorgens von verschmutztem Räumschnee in unsere Gewässer noch zeitgemäß ist. Vor allem da die Öffentliche Verwaltung in diesem Fall der Hauptakteur ist“, so der Fischereiverband Südtirol.