Galateo stimmt mit der Mehrheit

Wohnraum für Alleinlebende: Antrag vom Team K abgelehnt

Mittwoch, 07. Juni 2023 | 18:48 Uhr

Bozen – Die Landtagsabgeordnete Maria Elisabeth Rieder vom Team K ist verwundert. Mit knapper Mehrheit und nur mit Unterstützung des Landtagsabgeordneten Marco Galateo von fratelli d’italia konnten die beiden Regierungsparteien SVP/LEGA den von ihr eingebrachten Beschlussantrag ‚Wohnraum für Alleinlebende‘ ablehnen. Sie spekuliert über eine Vorbereitung auf eine mögliche „Koalition“ zwischen Fratelli d’Italia und SVP bereits vor den Landtagswahlen.

Doch der Reihe nach: Der Landtag hat sich heute mit dem Beschlussantrag Nr. 718/23: Wohnraum für Alleinlebende in Südtirol (eingebracht von den Abgeordneten Rieder, Köllensperger, Ploner F. und Ploner A. am 19.05.2023; Ersetzungsantrag vom 31.05.2023) befasst: Der Landtag möge demnach die Landesregierung verpflichten, 1. eine Erhebung durchzuführen, wie hoch der Bedarf an Wohnungen für Alleinlebende aktuell in Südtirol ist und wie sich dieser Bedarf in den nächsten Jahren entwickeln wird; 2. beim Neubau von Wohnungen des Wobi zukünftig die Flexibilität einzuplanen, um aus großen Wohneinheiten „aufsplittbare Wohneinheiten“ zu machen und umgekehrt und damit auf Veränderungen der Familienstruktur entsprechend vorbereitet zu sein; 3. bei Renovierungen und Neubau von Wohnungen des Wobi die Nasszellen „sehschwachgerecht und pflegegerecht“ zu konzipieren.

Man spreche heute über eine Personengruppe im Land, so Maria Elisabeth Rieder (Team K), über die im Landtag nicht oft gesprochen werde: die Alleinlebenden. Laut Astat sei die Zahl der „Einpersonenhaushalte“ in den vergangenen Jahren gewachsen; demzufolge gibt es ca. 46.000 alleinlebende Frauen und ca. 43.700 Männer. Mit zunehmendem Alter nehme die Anzahl der Alleinlebenden zu. Die Wohn- und Lebenshaltungskosten seien ein wichtiges Thema für diese Gruppe, insbesondere auch weil kleine Wohnungen im Verhältnis teuer seien. Deshalb seien viele auf sogenannte leistbare Wohnungen des Wobi angewiesen. Das Problem sei hier, dass diese Wohnungen für Alleinlebende – die zuvor mit ihren Familien in derselben Wohnung gelebt haben – oft zu groß seien, andererseits lebten Familien in zu kleinen Wohnungen. Deshalb brauche es beim Neubau von Wobi-Wohnungen eine vorausschauende Planung. Gefragt wäre eine Flexibilität in der Gebäudestruktur. Dadurch könnten Personen, die in Wobi-Wohnungen lebten, und deren Familiensituation sich im Laufe der Zeit ändere, in den Wohnungen bleiben.

Alex Ploner (Team K), Mitunterzeichner des Beschlussantrags, unterstrich, man müsse auf die zukünftigen Entwicklungen reagieren – die zunehmende Alterung sei eine Tatsache. Das müsse man gerade auch bei den Nasszellen bedenken, denn diese nutze man täglich. Beim Wobi sei in diesem Bereich in den vergangenen Jahren aber nicht hingeschaut worden. Ihm liege ein Briefwechsel aus dem Jahr 2013 vor, in dem es um eben diese Nasszellen ging, und in dem ein Fachmann darauf hingewiesen habe, dass dieser Punkt keine Beachtung finde, obwohl es die Möglichkeiten gebe. Der Abgeordnete kündigte eine Anfrage zur Barrierefreiheit der Wobi-Wohnungen an und verwies darauf, dass Barrierefreiheit im Gegensatz zu mundgeblasenen Gläsern den Bewohnern nützte.

Brigitte Foppa (Grüne) erklärte, dass die Alleinlebenden – in der Mehrzahl Frauen – eine Tatsache in der heutigen Gesellschaft seien. Während früher die Großfamilie üblich war, habe sich inzwischen vieles geändert. Sie habe sich im Rahmen der Vorbereitungen zum Wohnbaugesetz mit der sogenannten Genderplanung befasst. Allerdings sei es Realität, dass Wohnungen mit einem bestimmten Standard gemacht würden, aber man nicht an mögliche Veränderungen denke. Doch modulares und flexibles Bauen sei notwendig. Man werde sich künftig noch viel mit dem Thema befassen.

Wenn man die Statistiken anschaue, so Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten), dann sehe man, wie sich die Strukturen innerhalb der Städte änderten: In Bozen beispielsweise gebe es 43 Prozent Alleinlebende, und wenn man die Paare ohne Kinder dazuzähle, dann habe man 68 Prozent. Das seien die Daten, die die Grundlage für Entscheidungen bilden müssten. Eine Überprüfung durchzuführen und den Bedarf zu erheben, sei zweckmäßig. Es gebe zahlreiche Personen, die nicht hierher kommen, um zu arbeiten, weil sie keine Wohnung fänden. Der Bedarf müsste Stadtviertel für Stadtviertel überprüft werden, es sollte auch Planungen für behindertengerechte Wohnungen geben.

Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) sagte, der Beschlussantrag beinhalte einige wichtige Aspekte. Man müsse sich vor Augen führen, was es bedeute, wenn man mit Menschen in einer Wohnung gelebt habe, die diese dann verlassen und man alleine zurückbleibt. Wer trenne sich gern von so einer Wohnung, wenn in dieser die gesamten Lebenserinnerungen steckten? Doch für manchen sei das Kinderzimmer auch ein Mehrwert, weil darin dann die eventuell benötigte Pflegekraft wohnen könne. Er stimme dem Punkt zu, dass ein barrierefreies Badezimmer von Anfang an geplant werden solle. Nicht jeder werde eine kleine Wohnung für sich alleine finden. Das Mehrgenerationenhaus sei für viele ein abschreckendes Modell – doch es gebe Beispiele dafür, wie ein solches gestaltet werden könne, damit es einen Mehrwert habe.

Es sei schwer, bestehende Wohnungen für mehrere Bewohner aufzuteilen, meinte Gert Lanz (SVP). Man wisse aber, dass es in Zukunft mehr kleinere Wohnungen brauchen werde. Es gebe auch Personen, die sich von einer größeren Wohnung trennen wollten, weil ihnen der Aufwand zu groß sei. Hier sei sicher mehr zu sensibilisieren. Es sei aber die Frage, ob das Land hier eingreifen müsse, es gehe um privates Eigentum. Die Entscheidung liege bei den Menschen selbst. Man könne ihnen aber die Sache erleichtern, z.B. über eine Wohnungsbörse.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) legte das Augenmerk besonders auf Punkt zwei des Antrags: die Häuser so planen, dass sie später teilbar bzw. anpassbar seien. Die Wünsche hätten sich geändert, das unveränderbare Eigenheim sei nicht mehr unbedingt das Lebensziel.

Eine solche Flexibilität werde bei Wohnbauzonen bereits mitgedacht, aber das sei nicht immer umsetzbar, meinte Magdalena Amhof (SVP). Diese Flexibilität bedeute erheblichen Mehraufwand, da auch die Sanitäranlagen u.a. zu berücksichtigen seien. Amhof kündigte an, den Antrag abzulehnen.

Wohnen sei die soziale Frage der Zukunft, betonte LR Waltraud Deeg. Man müsse sicherstellen, dass dieses Grundrecht gewährleistet sei. Die Menschen müssten auch entscheiden können, wie sie wohnen wollten. Sie könne der Debatte viele Anregungen entnehmen und teile auch die Grundausrichtung des Antrags. Man müsse, mit Blick auf die demografische Entwicklung, Menschen den Anreiz bieten, sich zu verändern. Das Astat habe die nötigen Daten, es rechne mit einem drastischen Anstieg der Ein-Personen-Haushalte bis 2030. Man werde demnächst auch eine Erhebung zur Wohnraumentwicklung vorstellen. Eine Wohnungsbörse wäre grundsätzlich eine gute Geschichte, sie habe dazu bereits den KVW um Vorschläge gebeten. Auch die Verbraucherschutzzentrale käme in Frage. Das Beispiel von den mundgeblasenen Fenstern in einem Wobi-Gebäude sei ein Sonderfall: Es handle sich um ein denkmalgeschütztes Gebäude in Brixen, an dass sich kein Privater gewagt habe; die Restaurierung sei in jahrelanger Arbeit erfolgt. Es sei ein europaweiter Trend, dass die Wohnungen kleiner würden, doch Wohnungen seien Grundlage für die Familiengründung. Deshalb müsse man künftig Wohnraum für Familien bereitstellen.

Maria Elisabeth Rieder (Team K) fasste zusammen, dass aus der Diskussion heraus Einigkeit darüber herrsche, dass sich die Lebenssituationen und die Wohnbedürfnisse zukünftig änderten. Man müsse in diesem Bereich nach Gemeinden schauen, weil es in Bozen andere Bedürfnisse gebe als zum Beispiel im Ahrntal. Sie habe sich in ihrem Antrag zunächst auf die Wohnungen des Wobi beschränkt, weil das Land dort sehr wohl eingreifen könne; bei Privaten müsse man dagegen sensibilisieren. Künftig werde sich nicht mehr jede Familie im Land das Reihenhaus leisten können, das sei wegen der Kosten nicht mehr möglich, aber auch wegen des Platzbedarfs. Deshalb müsse man in diesem Bereich sehr genau hinschauen. Zudem werde man zukünftig mehr Mietwohnungen brauchen. Es heiße oft, dass die öffentliche Hand vorangehen solle, damit andere nachziehen, in diesem Fall solle das Wobi bei bestimmten Entwicklungen vorausgehen, dann zögen andere vielleicht nach.

Der Beschlussantrag wurde mit 13 Ja und 14 Nein abgelehnt.

Von: mk

Bezirk: Bozen