Von: APA/dpa
Im Zuge der heftigen Kämpfe an der Grenze zwischen Thailand und Kambodscha sind immer mehr Menschen auf der Flucht. Allein in Thailand mussten sich laut Regierung mehr als 130.000 Bewohner in Sicherheit bringen. In Kambodscha sollen es Berichten zufolge rund 35.000 sein. US-Präsident Donald Trump schaltete sich in den Konflikt ein und drängte die beiden Länder am Samstag zu einer Waffenruhe.
“Sie haben zugestimmt, sich unverzüglich zu treffen und schnell eine Waffenruhe und letztendlich FRIEDEN auszuarbeiten!”, schrieb der Republikaner auf der Plattform Truth Social. “Es war mir eine Ehre, mit beiden Ländern zu verhandeln.” Zuvor hatte Trump in separaten Telefonaten mit dem kambodschanischen Ministerpräsidenten Hun Manet und dem thailändischen Übergangsministerpräsidenten Phumtham Wechayachai gesprochen. “Zufälligerweise verhandeln wir gerade mit beiden Ländern über unsere Handelsbeziehungen, aber wir wollen mit keinem der beiden Länder einen Deal schließen, wenn sie kämpfen – und das habe ich ihnen auch gesagt!”, schrieb Trump.
Zuvor hatte auch ein Exodus von Tausenden kambodschanischen Arbeitsmigranten aus Thailand eingesetzt. Sie fühlen sich in der eskalierenden Situation nicht mehr sicher. Vermutlich haben aber noch weit mehr – womöglich Zehntausende Menschen – beantragt, die Grenze in Ban Laem in der Provinz Chanthaburi zu überqueren, wie der Sender Thai PBS aus dem Grenzgebiet meldete. In Online-Netzwerken war von einem “Massenexodus” die Rede.
Kambodschas Regierung zufolge lebten und arbeiteten 2024 mehr als 1,2 Millionen Kambodschaner in dem Nachbarland. Auf Bildern in sozialen Medien war zu sehen, wie zahlreiche Menschen mit ihren Habseligkeiten bepackt an dem Grenzübergang eintrafen. Die Kämpfe dauerten unterdessen an.
Gegenseitige Vorwürfe
Die Zusammenstöße entlang der 800 Kilometer langen Grenze zwischen den beiden südostasiatischen Ländern waren am Donnerstag entbrannt. Beide Seiten werfen sich gegenseitig vor, die Angriffe gestartet zu haben.
Kambodscha forderte nach einer Sitzung des UNO-Sicherheitsrates in New York “eine sofortige, bedingungslose Waffenruhe und eine friedliche Lösung des Konflikts”. Thailand könne Kambodscha nicht glaubwürdig vorwerfen, angegriffen zu haben, da dessen Armee nur ein Drittel so groß sei wie die Thailands, sagte der kambodschanische UN-Botschafter Chhea Keo.
Tote und Verletzte auf beiden Seiten
Thailands Militär hat nach eigenen Angaben auch mehrere Luftangriffe auf Militärstellungen geflogen. Kambodscha feuerte unter anderem BM-21-Raketen in das Nachbarland. Mittlerweile ist auch Thailands Marine involviert.
In Kambodscha seien bisher 13 Menschen ums Leben gekommen, darunter 8 Zivilisten, berichtete die Zeitung “Phnom Penh Post” unter Berufung auf das Verteidigungsministerium. Mehr als 70 Menschen wurden demnach verletzt, davon viele Zivilisten. Auch in Thailand wurden Regierungsangaben mehr als ein Dutzend Tote verzeichnet – fast alle waren Zivilisten. Auch hier gab es viele verletzte Bürgerinnen und Bürger zu beklagen.
Die Organisation Human Rights Watch rief beide Länder dazu auf Zivilisten und zivile Infrastruktur unbedingt zu schützen. “In nur zwei Tagen haben Kämpfe entlang der kambodschanisch-thailändischen Grenze Zivilisten, darunter auch Kinder, getötet und verletzt sowie medizinische Einrichtungen sowie religiöse und kulturelle Stätten beschädigt”, teilte John Sifton, Asien-Direktor der Menschenrechtsorganisation, mit. Beide Seiten müssten das humanitäre Völkerrecht aber unbedingt schützen, forderte er.
Wurden Streubomben eingesetzt?
Bei kambodschanischem Artilleriefeuer waren am Donnerstag unter anderem ein Krankenhaus und ein Supermarkt im thailändischen Grenzgebiet getroffen worden. Kambodscha wirft Thailand hingegen vor, bei Angriffen Streumunition eingesetzt zu haben – eine Beschuldigung, die Thailand zurückweist. “Human Rights Watch betrachtet jeden Einsatz dieser Waffe in besiedelten Gebieten als rechtswidrig und willkürlich”, hieß es.
Im Grenzgebiet waren in der Früh den dritten Tag in Folge Kämpfe entbrannt. Mittlerweile gebe es eine neue Front weiter südlich, speziell in der thailändischen Provinz Trat, berichtete die Zeitung “Khaosod” unter Berufung auf das Militär. Der thailändischen Armee zufolge wurde auch ein umstrittener Berg – Phu Makkhuea – von Soldaten eingenommen, die dort die thailändische Flagge hissten.
Am Freitagabend hatten Thailands Streitkräfte in acht Distrikten der Provinzen Trat und Chanthaburi das Kriegsrecht verhängt. Begründet wurde dies mit den “anhaltenden Bedrohungen der nationalen Sicherheit” durch das Nachbarland. Das Kriegsrecht erleichtere es dem Militär, alle notwendigen Operationen durchzuführen, um Frieden und Ordnung zu bewahren, teilte das Außenministerium mit.
Umgekehrt forderte der thailändische UNO-Botschafter Cherdchai Chaivaivid bei der UNO-Sitzung ein umgehendes Ende der Feindseligkeiten durch Kambodscha, um einen Dialog zu starten. Er sprach von einem “rechtswidrigen und willkürlichen Akt der Aggression”. Die beiden Länder seien aber enge Nachbarn – die Gewalt müsse beendet werden.
Worum streiten die Nachbarn?
Die beiden Länder trennt eine mehr als 800 Kilometer lange Grenze, deren Verlauf noch in der Kolonialzeit festgelegt wurde. Die Regierungen in Bangkok und Phnom Penh interpretieren diese Grenzziehung aber unterschiedlich. In der Vergangenheit kam es mehrmals zu blutigen Konflikten, zuletzt 2011.
Die Hintergründe der derzeitigen Eskalation sind aber unklar. Als Grund wird immer wieder der Streit um den Tempel Prasat Preah Vihear genannt, der seit 2008 zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört. Der Hindu-Tempel aus dem 10. bis 12. Jahrhundert wird von beiden Ländern beansprucht. Beobachter glauben aber, dass die Gewalt deutlich vielschichtigere Ursachen hat.
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