Von: luk
Bozen – Auf Antrag des Vorsitzenden der Fraktion “Team K” hielt der Landtag eine Aktuelle Debatte zum Thema “Covid19 – Krise: Analyse der Situation und Maßnahmen zur Eindämmung und Strategien für eine schrittweise Rückkehr zur Normalität” ab. Die Debatte hatte bereits am Dienstag begonnen. Heute gab es die Stellungnahmen der Abgeordneten und Landesräte sowie die Replik des Landeshauptmanns.
Die Bürger würden sich Sorgen um ihre Existenz machen, erklärte Ulli Mair (Freiheitliche). Die Familien wüssten nicht mehr, wie sie über die Runden kommen sollten. Die Investitionen der Unternehmen stünden in Frage. Die Kommunikation sei nicht ideal gewesen, man sei täglich mit neuen Regeln konfrontiert worden. Aus Rom seien immer nur Vertröstungen gekommen. Nun habe die Landesregierung endlich den Handlungsbedarf erkannt, Südtirol schlage nun seinen eigenen Weg ein und sollte sich von Rom nicht davon abbringen lassen. Das Gesetz sei nicht perfekt, aber die Stoßrichtung stimme. Diese Krise sei eine Zäsur, die man noch Jahre spüren werde. Südtirol müsse an europäische Standards anschließen.
Die täglichen Verordnungen aus Rom und Bozen hätten für Verwirrung gesorgt, meinte Josef Unterholzner (Team K). Die wirkliche Krise stehe noch bevor, und sie werde uns die nächsten fünf Jahre prägen. Dieses Gesetz sollte der Bevölkerung zugute kommen und nicht für weitere Verwirrung sorgen, daher seien ein paar Korrekturen nötig: man müsse klare, verständliche Regeln aufstellen. Man könne dabei von anderen abschauen, z.B. von Ländern, in denen die Unternehmen längst ihr Fördergeld erhalten hätten. Das Team K habe eine Reihe von Änderungen vorgeschlagen, die das Gesetz in diesem Sinne verbessern würden.
Franz Ploner (Team K) meinte, das Virus werde uns noch lange begleiten. Das wichtigste Ziel des Lockdowns, die Entlastung der Krankenhäuser, sei erreicht. Die wirtschaftlichen Schäden würden uns aber noch Jahre begleiten, die soziale Schieflage werde zunehmen. In dieser Krise wurde zu spät daran gedacht, die Risikogruppen zu schützen: Senioren und Sanitätspersonal. Die Tests seien nur schleppend voran kommen. Nur durch massive Testreihen könne man die Verbreitung eindämmen. Für die Phase 2 seien weiterhin Schutzmaßnahmen nötig, vor allem aber brauche es Überzeugungsarbeit. Auch seien die Botschaften klar zu halten, damit die Bevölkerung nicht die Geduld verliere. Erst in einem Jahr werde man wissen, ob der eingeschlagene Weg richtig war.
Maria Hochgruber Kuenzer (SVP) sah in der kommenden Phase viel Neuanfang. Vieles müsse neu begonnen werden, auch anders. Es werde immer Leute geben, die die Menschen mit unhaltbaren Versprechen lockten und Öl ins Feuer gießen würden. Besser sei es, die Kräfte der Menschen zu stärken, damit sie autonom handeln können.
Es brauche einen Plan B und einen Plan C, meinte Alex Ploner (Team K), da man erst später sehen werde, ob der eingeschlagene Weg richtig sei. Vor allem in Krisen sei der Erfahrungsschatz wichtig, daher sollte man sich Menschen mit Erfahrung an den Tisch holen. Nur aufgrund dieser Erfahrungen könne man Pläne für morgen schmieden. Beim Tourismus z.B. müsse man sich fragen, ob man morgen so weitermachen wolle wie bisher. Mit den Millionen für die IDM verkaufe man Altbekanntes. Ploner bedauerte das Denunziantentum während der Krise, das nun auch im Landtag angekommen sei. Kollege Franz Ploner sei öffentlich an den Pranger gestellt worden, weil er für einen Moment die Maske heruntergenommen habe.
Respekt vor den Anderen sei die Voraussetzung, um die Krise zu meistern, und das gelte für alle, erklärte Gert Lanz (SVP). Erfahrung sei gefragt, und er könne auf seine persönliche Erfahrung zurückgreifen, mit Notfällen in der engen Verwandtschaft.
Auch wenn man zur Normalität zurückkehren könne, werde man noch lange mit dem Virus leben müssen, gab Rita Mattei (Lega Salvini Alto Adige Südtirol) zu bedenken. Das Land habe hohe Summen bereitgestellt, um der Krise zu begegnen, und es sei dabei besser gewesen als Rom. Südtirols Wirtschaft hänge stark vom Tourismus ab, und hier sei die Frage, wann die Grenzen wieder offen seien. Bürger und Betriebe hätten große Disziplin gezeigt, dem sei Rechnung zu tragen. Daher verdienten sie auch Vertrauen in der Phase 2 – Rom wolle sie hingegen weiter an der Leine halten. Es wäre leicht, auf Rom zu warten, der eigenständige Weg bedeute hingegen Verantwortungsbewusstsein.
Philipp Achammer (SVP) kritisierte, dass sich in der Öffnungsdebatte in den letzten Tagen viele widersprüchliche Vorschläge gekreuzt hätten. Die Politik gebe kein gutes Bild ab, wenn sie das anstehende Gesetz bereits als nutzlos hinstelle. Im Mittelpunkt stehen sollten die Existenzen, die auf dem Spiel stünden, die Betriebe und Familien mit ihren dringenden Problemen. Heute habe man die Gelegenheit, zu beweisen, dass Südtirol zusammenhält.
Giuliano Vettorato (Lega) kritisierte ebenfalls manche Äußerungen im Vorfeld. Es sei für die Landesregierung nicht leicht, in einer sich ständig ändernden Situation schnelle Entscheidungen zu treffen. Er verwies aber auf die Schule, die sich innerhalb einer Woche neu erfunden habe. Und es sei nicht leicht gewesen, allen die nötige Ausrüstung zur Verfügung zu stellen. Auch in der Kultur habe man schnellstens intervenieren können. Sein Ressort habe nahtlos weitergearbeitet, ohne, dass die Bürger Nachteile zu spüren bekommen hätten.
Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia) kritisierte, dass man so tue, als ob es das Virus nicht mehr gebe. Das Land habe in der Krise viele Fehler gemacht, angefangen bei der Schutzausrüstung. Und diese Landesregierung verlange nun volles Vertrauen ohne Widerspruch. Ihre Information sei nicht zuverlässig, so würden z.B. die neuen Abstriche nicht gesondert ausgewiesen. Und nun schicke sie die Betriebe ohne geeignete Schutzausrüstung und ohne Sicherheitsvorgaben des INAIL in die Phase 2. Die Selbstsicherheit der Landesregierung könne für alle einen großen Schaden bedeuten.
Peter Faistnauer (Team K) wies auf die Bedeutung der Landwirtschaft in Krisenzeiten hin. Heute sei man von der Selbstversorgung weit entfernt, die Südtiroler Landwirtschaft decke nur einen kleinen Teil des Eigenbedarfs ab. In der Bildung laufe es nicht so rund, wie LR Vettorato es darstelle. Lehrer und Schüler würden immer wieder an ihre Grenzen stoßen. Fernunterricht sei nur eine Notlösung.
Jasmin Ladurner (SVP) wies auf die Belastung der Jugendlichen durch die Beschränkungen hin. Vor kurzem habe man noch von Fachkräftemangel gesprochen, heute sähen die Arbeitsmarktchancen für die Jugend anders aus.
Außerordentliche Zeiten würden außerordentliche Maßnahmen erfordern, meinte Magdalena Amhof (SVP), und die Landesregierung habe dabei Verantwortungsbewusstsein bewiesen. Dieses sei auch von der Bevölkerung gespürt und mitgetragen worden. Auch die Politik sei von der Krise betroffen. Einige hätten sich aus Verantwortungsbewusstsein zurückgenommen, andere nicht. Gemessen an den Voraussetzungen, die vorlagen, habe das meiste wunderbar funktioniert. Der Fernunterricht sei ein Probieren an allen Ecken und Enden gewesen, nun müsse man untersuchen, was geklappt habe und was nicht. Zur Eindämmung der Krise habe es Sofortmaßnahmen gebraucht, auch für Arbeitnehmer, und diese hätten auch ihre Wirkung gezeigt. Der Wiedereinstieg könne nur gemeinsam gelingen.
Waltraud Deeg (SVP) sah es als große Herausforderung, die Chance in der Krise zu sehen. Krisen brächten immer auch die Schwachstellen einer Gesellschaft an die Oberfläche, aber auch die besten Seiten des Menschen. Das habe sie z.B. bei den Mitarbeitern in den Altenheimen gesehen, die unter großem Risiko andere betreuten. Man dürfe sich von den Ängsten nicht lähmen lassen, sonst könne man die Krise nicht überwinden. Ihre größte Sorge seien die Zukunftschancen der Jugend. Der Weg zum Ziel beginne, wenn jeder seine Verantwortung übernehme.
Auch der Zivilschutz sei vor neuen Herausforderungen gestanden, berichtete Arnold Schuler (SVP). Es habe viele Unbekannte gegeben, auch bei den Folgen der Epidemie. Auch die Wissenschaftler hätten ständig dazulernen müssen. Die Landwirtschaft sei insgesamt weniger betroffen als andere Sektoren, außer die Weinwirtschaft und einige andere Bereiche, vor allem jene, die vom Tourismus abhängen. Europa produziere weniger Lebensmittel als es konsumiere. Es brauche einen bestimmten Grad von Selbstversorgung, und das bedeute auch eine moderne Landwirtschaft mit der entsprechenden Ausrüstung. Stark betroffen sei natürlich der Tourismus, der nun das Hauptaugenmerk verdiene.
Natürlich hätte man vieles besser machen können, meinte Massimo Bessone (Lega), aber jeder habe getan, was in der Zeit möglich war. Es sei auch schwierig, wenn man ständig an den Situationen in anderen Ländern gemessen werde. Man sei in dieser Zeit ständig im Austausch gewesen, zwischen den Ressorts, mit den Sozialpartnern und Interessenträgern, um zu hören, was es braucht und um schnell zu helfen.
In der Krise zeige sich der Charakter, meinte Andreas Leiter Reber (F). Man habe schnell handeln müssen und das Beste versucht. Es hätten sich aber auch Schwachstellen gezeigt. Niemand habe sich erwartet, dass die Epidemie mit solcher Wucht zuschlage. Man habe aber gesehen, dass auch unser hochgelobtes Gesundheitssystem an die Grenzen gelangt sei. Es müsse hier lückenlos aufgeklärt werden. Die Soforthilfen des Landes seien notwendig, aber sie erreichten nicht alle. Die Kommunikation der Landesregierung sei verwirrend, die Hilfen bürokratischer als in anderen Regionen. Man habe auch gesehen, das der Autonomie wesentliche Kompetenzen fehlten. Weder Staat noch Land könnten die Schäden wieder gutmachen, man müsse jetzt retten, was zu retten sei. Daher unterstütze er alle Maßnahmen, die uns aus dieser Krise führten.
Es liege noch vieles im Dunkeln, erklärte Thomas Widmann (SVP). Nach der derzeitigen Datenlage sei man momentan aber über den Berg. Vor zwei Monaten sei die Situation vollkommen anders gewesen, mit täglich 8, 9 neuen Intensivpatienten. Man habe die Bettenkapazität erweitern können, auch dank Partnern im Ausland. Ziel sei es gewesen, den Zusammenbruch des Gesundheitssystems zu vermeiden. Momentan führe Südtirol im Verhältnis mehr Tests durch als jede andere Region in Europa. In den nächsten Wochen werde man mehr wissen und Bilanz ziehen müssen. Knoll und Köllensperger hätten sich gestern friedlich gezeigt, aber in den letzten Wochen hätten sie mit Behauptungen und Anzeigen Unsicherheit gestreut. Das sei nach seinem Empfinden schändlich. Zu den Schutzausrüstungen bemerkte Widmann, dass die ganze Welt in derselben Situation gestanden sei. Hier sei der größte Feind die staatliche Bürokratie gewesen – alles müsse durch das INAIL. WHO und staatliches Gesundheitsinstitut hielten einfache chirurgische Schutzmasken für zulässig, das INAIL nicht. Dass sich gerade die größten Patrioten an den italienischen Staat wendeten, um gegen die Landesregierung in dieser Krisenzeit einzuschreiten, sei absolut nicht nachvollziehbar. Diese Vorgänge bestätigten, dass ein eigenständiger Weg Südtirols gut sei. Er befürworte eine rasche Öffnung, aber begleitet von Maßnahmen, die ein Wiederaufkommen sofort ersticken könnten. Wichtig seien dabei effiziente Überwachungssysteme. Ruhe werde man erst mit dem Impfstoff haben. Ein längerfristiger Stillstand wäre aber für die Wirtschaft nicht zu verkraften. Widmann appellierte an alle, den Bürgern verständlich zu machen, dass die Einhaltung der Sicherheitsregeln wesentlich sei, damit man nicht von der nächsten Welle überrollt werde.
Die Epidemie habe ganz Europa unvorbereitet getroffen, erklärte LH Arno Kompatscher und bat um die entsprechende Fairness in der Kritik. Zu Beginn hätten viele die Maßnahmen für überzogen gehalten. Als Südtirol das Ende der Skisaison angekündigt habe, hätten sich andere Regionen noch gewundert. Die größte Herausforderung und Aufgabe für alle Staaten und Regionen sei die Aufrechterhaltung des Gesundheitssystems gewesen. Dank der großartigen Arbeit aller Mitarbeiter im Gesundheitswesen habe man die Ziele der ersten Phase gut erreichen können. Man habe viele Todesfälle gehabt in dieser Zeit, dies werde man im Verhältnis zur Situation setzen müssen, um nicht vorschnelle Schlüsse zu ziehen. Die positive Entwicklung, über die man sich freuen könne, dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, das die Ansteckungsgefahr noch bestehe. Es gehe jetzt darum, Arbeitsplätze zu retten. Der Lockdown in Italien sei vollkommen richtig gewesen. Aber es sei der falsche Eindruck entstanden, der Staat könne die völlige Sicherheit garantieren. Daher müsse man nun einen neuen Weg einschlagen und die Verantwortung selbst übernehmen. Die einen würden mehr nach Norden, die anderen mehr nach Süden schauen, das sei ein Vorzug dieses Landes. Man dürfe aber diese Sichtweisen nicht gegeneinander ausspielen und damit die Gesellschaft spalten. Jetzt sei die Zeit, zusammenzustehen. Südtirol habe die Kraft, gestärkt aus dieser Krise zu gehen.
Sven Knoll (STF) wehrte sich gegen den Vorwurf, mit seiner Eingabe bei Gericht verantwortungslos gehandelt zu haben. Wenn er die Nachricht erhalte, dass jemand wegen mangelnder Sorgfalt im Krankenhaus angesteckt wurde, dann müsse er das melden. Rechtsstaatlichkeit gelte auch während einer Krise.
Paul Köllensperger (Team K) betonte, dass er keine Eingabe bei der Staatsanwaltschaft gemacht habe. Es gebe Fälle zu beanstanden, und diese werde der Untersuchungsausschuss prüfen.
Anschließen wurde zur Behandlung von Anträgen übergegangen.