Sinner machte einen Punkt mehr als Alcaraz

Alcaraz und Sinner heben ihre Rivalität auf ein neues Level

Montag, 09. Juni 2025 | 13:23 Uhr

Von: APA/dpa/sda/Reuters

Die neue Tennis-Generation der Männer hat endgültig das Zepter übernommen. Die am Sonntag zu Ende gegangenen French Open waren eine weitere Wachablöse, mit dem herausragenden Finale von Carlos Alcaraz gegen Jannik Sinner als Höhepunkt. Nach dem Fünfsatz-Triumph von Alcaraz hat nun jeder der beiden drei der vergangenen sechs Majors gewonnen. Die alte Generation scheint endgültig abgelöst, statt den “Big Three” oder “Big Four” gibt es einen “Fall für Zwei”.

Das Major in Roland Garros und vor allem das Endspiel machte deutlich, dass keiner an die beiden Finalprotagonisten derzeit herankommt. Für den im Viertelfinale Novak Djokovic unterlegenen Deutschen Alexander Zverev sieht es für sein Streben nach dem ersten Grand-Slam-Triumph nicht gut aus, ebenso für den Sinner im Halbfinale in drei Sätzen unterlegenen Serben für das Erreichen seines 25. War schon Serena Williams an der Einstellung der 24 Major-Titel von Margaret Court gescheitert, wartet der “Djoker” nun schon seit den US Open 2023 auf die alleinige Rekordmarke.

Die Zeit und das Alter spricht gegen den 38-Jährigen und für den 22-jährigen Alcaraz sowie den 23-jährigen Sinner. Die beiden stellten ihr erstes Major-Finalduell auf eine Stufe mit den ganz großen Endspielen der Grand-Slam-Historie. “Es gibt Schläge, bei denen ich nicht weiß, wie sie mir gelungen sind”, erklärte Alcaraz nach der Abwehr von drei Matchbällen und dem in fünf Sätzen in 5:29 Stunden fixierten Sieg. Auf Major-Finalebene spielten nur der siegreiche Djokovic und Nadal bei den Australian Open 2012 länger, und zwar 5:53 Stunden.

Alcaraz hält mit Nadal auf den Tag genau Schritt

Nadal hat in Alcaraz einen würdigen Nachfolger gefunden. Kurios, dass beide im Alter von 22 Jahren, einem Monat und drei Tagen ihren fünften Grand-Slam-Titel geholt haben. Bei Nadal war es am 6. Juli 2008 in Wimbledon der erste Major-Titel abseits von Roland Garros. Der in Grand-Slam-Finali unbesiegte Alcaraz ist aber in diesem Alter schon um einiges breiter aufgestellt. Neben seinen beiden Paris-Titeln im Vorjahr und heuer auf Sand gewann er 2022 auf Hartplatz die US Open sowie 2023 und 2024 auf Rasen in Wimbledon.

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Alcaraz stellt sich deswegen aber auf keinen Fall über den vor Turnierbeginn u.a. mit einem Fußabdruck am Court Philippe-Chartrier 14-fachen Paris-Sieger Nadal. “Ich muss erst einmal realisieren, was ich erreicht habe”, sagte er nach seinem Comeback-Sieg. “Der Zufall, dass ich meinen fünften Titel im selben Alter wie Rafael Nadal, mein Idol und meine Inspiration, gewonnen habe, ist wohl Schicksal. Es ist eine Ehre.” Schon in wenigen Wochen tritt er in Wimbledon wieder als Titelverteidiger an, Sinner strebt erneut die Entthronisierung an.

Der die Pokalübergabe vorgenommene US-Amerikaner Andre Agassi erwartet freilich Alcaraz auf Rasen sogar noch stärker als auf Sand. Mats Wilander wiederum stand im Banne der Finalimpressionen. “Das Level am Ende war absolut irrwitzig. Sie haben unseren Sport auf ein anderes Level gehoben”, meinte der Schwede. “Ich hätte niemals gedacht, dass ich das nach den ‘Big Three” sagen würde – aber sie spielen schneller denn je und auf einem Niveau, das kaum zu glauben ist. Ich habe Federer und Nadal in vielen guten Finali gesehen, aber nichts kommt an das heran.”

Sinner machte einen Punkt mehr als Alcaraz

An der Diskussion, ob das Match in die Reihe der großen Endspiele der Grand-Slam-Geschichte einzuordnen sei, wollte sich Alcaraz nicht beteiligen. “Ich weiß nicht, ob es auf dem gleichen Level war, denn diese Finali gehören in die Geschichte dieses Sports. Wenn es so war, ist es eine große Ehre für mich.” Der unterlegene Sinner hob diesen Punkt auch in der Niederlage hervor: “Es ist gut zu sehen, dass wir auch solches Tennis zeigen können. Das ist gut für die Zuschauer und unsere Sportart.” Mit 193:192 gelang ihm im Match-Verlauf sogar ein Punkt mehr als Sieger Alcaraz.

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Der Südtiroler hat sein Spiel im Frühjahr in seiner dreimonatigen Sperre weiter perfektioniert. Als Konterpart von Alcaraz ist er als introvertierter Sportler auch ein anderer Typus als der extrovertierte Spanier. Der wirkt auf dem Platz manchmal wie ein kleines Kind, dem der Spaß am Tennis gerade in den großen Matches anzusehen ist und der so variabel spielt wie derzeit kein anderer Profi auf der Tour. Die Gegensätze der beiden sind dem Sport förderlich. “Jedes Mal, wenn wir gegeneinander spielen, heben wir unser Spiel auf ein höheres Niveau”, sagte Alcaraz.

Das erkannte auch Nadal. “Was für ein unglaubliches Finale bei @rolandgarros! Glückwunsch an @carlosalcaraz”, schrieb er in der Online-Plattform X. Ob Alcaraz dessen 14 Paris-Titel einmal egalisieren wird, wird die Zukunft zeigen. Schwierig wird es allemal, da er das frühestens im Alter von 34 Jahren schaffen kann. Nadal war bei seinem letzten Paris-Triumph 36. Die von Djokovic und Court gehaltene Grand-Slam-Rekordmarke ist Alcaraz auf jeden Fall zuzutrauen, aber auch dem weiter bei drei Major-Titeln haltenden Sinner.

Bezirk: Pustertal

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