Hutecek und Co. spielten eine denkwürdige EM

Handball-EM-Rausch endet für Österreich mit Endrang acht

Donnerstag, 25. Januar 2024 | 11:07 Uhr

Das Drama begleitete Österreichs Handballer bei der EM in Deutschland bis zu den letzten Minuten des finalen Kraftakts von Köln. Selbst eine beachtliche Willensleistung gegen Island blieb am Mittwoch aber unbelohnt, das Spiel um Platz fünf oder gar das Halbfinale schließlich nur ein Traum. Nach einer sensationellen EM-Kampagne wollte freilich keiner der Spieler Trübsal blasen. “Das waren einige der schönsten Wochen meines Lebens”, betonte Kreisläufer Tobias Wagner.

Auch wenn die letzten beiden Auftritte gegen Turniermitfavorit Frankreich und Island verloren wurden. Angesichts der Unentschieden gegen Kroatien, Spanien und Gastgeber Deutschland waren der ÖHB-Auswahl schon davor die Herzen der Sportnation zugeflogen. Prominente TV-Auftritte, DJ-Sessions auf Ö3 und Interviewanfragen, die das gewöhnliche Handballmaß bei weitem überschritten – die vergangenen zwei Wochen erlebte die ÖHB-Auswahl wie einen Rausch.

Schmerzen und Müdigkeit wurden erfolgreich ausgeblendet, “Duracell-Haserl” wie Kapitän Nikola Bilyk und Lukas Hutecek lieferten Spiel für Spiel beeindruckende Leistungen ab. Gegen Island stellte sich im siebenten Spiel dieser Endrunde dann aber doch ein Abfall ein, war der Kräfteverschleiß angesichts beschränkter Wechsel-Optionen nicht mehr ganz zu verhehlen. “Keine Frage, das ist nicht so einfach, ein so langes Turnier zu spielen. Einige waren bei uns die ganze Zeit am Limit”, meinte Bilyk.

Die Aufholjagd nach 8:14-Pausenrückstand gegen Island zeugte aber einmal mehr vom unbändigen Willen der Truppe von Teamchef Ales Pajovic. “Wir wollten das Turnier nicht so beenden wie die erste Hälfte. Es war unglaublich”, blickte Bilyk auf einen 7:0-Lauf zwischen der 31. und der 42. Minute zurück. “Leider hat uns am Ende für das große Wunder das nötige Glück und die nötige Energie gefehlt.”

Bei einem Sieg wäre zumindest das Spiel um Platz fünf und damit die beste Endrunden-Platzierung der Handball-Neuzeit fix gewesen. So stellte man als Achter immerhin die bisherige Bestmarke von der Heim-EM 2020 ein – nicht schlecht für ein Team, dem nur wenige den Aufstieg in die Hauptrunde zugetraut hatten. Auch wenn Rang acht die Leistungen etwas verzerrt widerspiegelt. “So knappe Partien gegen unglaublich starke Gegner – wenn man das mit der Heim-EM vergleicht: Da konnten wir die Mannschaften, gegen die wir hier gepunktet haben, nicht ärgern”, erinnerte Bilyk.

Der Blick in den Rückspiegel macht in der Tat sicher: 2020 setzte man sich in einer Vorrundengruppe gegen Tschechien, Ukraine und Nordmazedonien durch, allesamt nicht im Konzert der Großen dabei. Und die Topnationen Spanien, Kroatien und Deutschland konnte man in der Hauptrunde nie ernsthaft in Gefahr bringen. “Wir gehen mit einer so breiten Brust und mit dem Kopf so weit oben aus dieser Halle. Was wir hier geleistet haben, haben wir noch nie in einem Turnier so gespielt”, schwärmte ÖHB-Sportdirektor Patrick Fölser in den Katakomben der Kölner Lanxess Arena, die mit ihren ca. 20.000 Plätzen eine einmalige Kulisse geboten hatte.

Einer, der maßgeblichen Anteil am Erfolg hatte, war Constantin Möstl. Der Tormann, der vor seiner ersten Endrunde gerade einmal 18 Länderspiele absolviert hatte, brachte auch die Isländer mit 20 Paraden (44 Prozent Fangquote) zur Verzweiflung. Der Lohn war immerhin die neuerliche Wahl zum Man of the Match. “Das war über alldem, was ich mir erwarten konnte”, sagte Möstl über seine Auftritte. “Ich wollte einfach nur ein konstanter Rückhalt sein, dass die Mannschaft mir vertraut.” Jetzt vertraut sie ihm blind.

Der 23-jährige Wiener, der seinen in deutschen Medien bereits ventilierten Wechsel von Hard zum Hutecek-Club TBV Lemgo-Lippe in die deutsche Bundesliga nicht bestätigen wollte, gab bereits die Marschrichtung für die kommenden Monate und Jahre vor. “Wir können jetzt immer wieder die Großen ärgern oder auch gewinnen. Das muss jetzt in unsere Köpfe rein”, forderte Möstl. Auch Hutecek will das aufgebaute Selbstvertrauen nicht mehr hergeben: “Wir haben viel Euphorie ausgelöst, die müssen wir mitnehmen.”

Vielleicht kann man das neue Selbstverständnis schon von 14. bis 17. März bei der Olympia-Qualifikation unter Beweis stellen. Dort geht es in drei Vierergruppen um je zwei, insgesamt also sechs Tickets für Paris. Feststehen würde die ÖHB-Teilnahme aber erst am Samstag. Bedingung dafür ist ein Afrika-Cup-Triumph von Gastgeber Ägypten, der freilich erst das Halbfinale gegen Tunesien am (heutigen) Donnerstag überstehen muss.

Im Quali-Play-off für die kommende WM 2025 ist Österreich jedenfalls in Topf eins gesetzt und kann damit nicht auf einen der Großen treffen. Nach den Leistungen in Deutschland wird man sich wohl nicht mehr um den Favoritenstatus drücken können. Kein Problem für Wagner: “Das nehm ich.”

Von: apa