Von: Reuters
Novak Djokovic hat auch im ablaufenden Jahr der Tennis-Welt seinen Stempel aufgedrückt. Ungeachtet seines voranschreitenden Alters und immerwährender Diskussionen um eine Wachablöse hat der 36-jährige Serbe die Verfolgerschar noch im Griff. Für das Olympiajahr hat sich der ehrgeizige, nunmehr 24-fache Major-Sieger schon das nächste, enorm große Ziel gesetzt: Der Gewinn des “Golden Slam” – also alle vier Grand-Slam-Turniere plus Olympia-Gold. Das hat noch kein Mann geschafft.
1988 war es die Deutsche Steffi Graf, die innerhalb eines Jahres alle vier Majors plus die Olympischen Spiele gewonnen hat. Nach wie vor ein Unikum im Tennis. Doch dem am 22. Mai 37 Jahre alt werdenden Djokovic darf man dies 2024 durchaus zutrauen. Immerhin hat er auch in diesem Jahr drei der vier Majors gewonnen und musste nur im Wimbledon-Finale nach fünf harten Sätzen dem Spanier Carlos Alcaraz den Vortritt lassen.
Wenn sein Körper weiter hält und er sich nicht selbst aus dem Turnier nimmt wie seinerzeit bei den US Open 2020 (Disqualifikation im Achtelfinale/späterer Sieger: Dominic Thiem) oder wegen seiner Weigerung, sich gegen Corona impfen zu lassen, dann führt ein Titel noch immer über ihn. “Der Antrieb ist noch da. Mein Körper hat mir gute Dienste geleistet und mir gut zugehört”, sagte Djokovic nach seinem Turin-Triumph.
Plus: den “Djoker” reizt der Vergleich mit den jungen Wilden wie Alcaraz, aber auch Jannik Sinner. “Die jungen Burschen, die sehr hungrig und inspiriert sind, gegen mich ihr bestes Tennis zu spielen, sind eine zusätzliche Motivation”, sagte Djokovic kürzlich in der CBS-Sendung “60 Minutes”. Sein nächster Satz klingt wie eine Kampfansage: “Ich glaube, sie wecken auf eine Art das Biest in mir.”
Gegen Alcaraz hat Djokovic, dem nur noch zwei Titel zum 100. Turniersieg fehlen, drei von vier Duellen in diesem Jahr gewonnen. Doch der 20-jährige Spanier wird sich wohl weiter steigern. “Er ist ein so kompletter Spieler, wie ich ihn seit Ewigkeiten nicht gesehen habe”, sagte Djokovic und fügte hinzu, dass er seine Niederlage im Wimbledon-Finale als Motivation für den US-Hartplatz-Swing genutzt habe, bei dem er in Cincinnati und Flushing Meadows gewann.
“Es ist eine großartige Gelegenheit für mich, mich neu zu erfinden und noch härter zu pushen als je zuvor.” Die erste Station auf der langen Reise zur weiteren Zementierung seines sportlichen Vermächtnisses sind die Australian Open (15. bis 28. Jänner). Holt er dort seinen elften Titel, kann er einen weiteren Meilenstein abhaken: Mit dem 25. Major-Titel wäre er endgültig ganz alleine in der Bestenliste. Margaret Court hat wie er 24 Titel gewonnen – allerdings teilweise in der Amateur-Ära. Zudem hat die Australierin elf ihrer Titel zu Hause geholt, während sich viele Profis sogar bis in die 1990er-Jahre den langen Trip nach “down under” erspart haben.
Bei Djokovic machen manche geltend, dass er von den “Big three” der Jüngste ist/war. Nach dem Rücktritt von Roger Federer (20 Major-Titel) kehrt nun noch einmal Rafael Nadal auf die Tour zurück. Dieser hatte noch 2022 in Melbourne und Paris triumphiert. Dieses Jahr musste er wegen einer Langzeitverletzung seit Jänner zuschauen, wie ihn Djokovic in dieser prestigeträchtigen Rekordjagd abgehängt hat.
“Er hat bessere Zahlen als es meine sind, das ist unbestritten”, hatte Nadal im Interview mit “AS” dazu gemeint. Die ewige Diskussion um den besten aller Zeiten sieht Nadal ohnehin entspannt. “Es ist Geschmackssache, ob man einen mehr als den anderen mag. In Bezug auf Titelgewinne ist Djokovic aber der Beste in der Geschichte und da gibt es nichts zu diskutieren.”
Seine Verletzung störe dies da nicht, immerhin habe auch Djokovic nicht alle Turniere gespielt. “Daher gratuliere ich ihm zu allem, was er erreicht hat und es frustriert mich nicht.”
Dem allein 14-fachen French-Open-Sieger Nadal wäre es aber zu wünschen, dass er sich würdig und sportlich auf dem Platz verabschieden kann. 2024 muss nicht sein letztes Jahr sein, aber mit 37 und seiner Verletzungsgeschichte ist es wahrscheinlich.
Noch ein großes Duell Nadal-Djokovic wünschen sich viele Tennis-Fans – wahrscheinlicher sind es aber wohl auch weitere u.a. mit dem Wien-Sieger und Davis-Cup-Champion Jannik Sinner. Der Südtiroler hatte Djokovic u.a. in der Gruppenphase der ATP Finals geschlagen und dann im Endspiel doch gegen den Serben verloren. Ein weiterer Beweis dafür, dass Djokovic in Endspielen eben immer noch eine Klasse stärker sein kann. Wenn es um alles geht.