Wandel in Kirche und Gesellschaft gestalten

Bischof für mehr Dialog und weniger „digitale“ Konfrontation

Samstag, 21. September 2019 | 13:36 Uhr

Brixen – Bischof Ivo Muser hat heute zum Abschluss der Pastoraltagung 2019 die großen Projekte benannt, die in den kommenden Monaten in der Diözese Bozen-Brixen anstehen: Die Einführung des neuen Firmwegs über die Seelsorgeeinheiten, den Aufbau von Pastoralteams in den Pfarreien und das neue umfassende Weiterbildungsangebot für Ehrenamtliche. Deutlich hat sich Muser heute auch für eine „gute“ Kommunikation ausgesprochen, die mehr auf Dialog und weniger auf Konfrontation in den sozialen Netzwerken setzen müsse.

„Von der Community zur Gemeinschaft“ ist das Thema der Pastoraltagung 2019, die gestern und heute im Brixner Vinzentinum stattfindet. „Dalla community alle comunità“ ist auch die Botschaft, die Papst Franziskus in diesem Jahr für den Welttag der sozialen Kommunikation gewählt hat. Bischof Ivo Muser griff heute in seiner Grundsatzrede das Thema ebenfalls auf und wies auf die grundlegende Bedeutung des Austausches, verstanden als Dialog und Begegnung, hin. „Die Community darf nicht mit Gemeinschaft verwechselt werden“, stellte der Bischof klar. „In einer Gemeinschaft werden Inhalte miteinander geteilt und es wird gemeinsam am Gemeinwohl gearbeitet. Damit auch soziale Medien Gemeinschaft erzeugen können, muss die Kommunikation in den neuen Netzwerken auf Zuhören, Dialog und verantwortungsvollen Umgang mit Sprache beruhen“, ist Bischof Muser überzeugt.

Dialog statt Konfrontation

Facebook, Twitter, Youtube oder Instagram, sagte der Bischof weiter, seien als Gesprächsplattformen entwickelt worden, die es ermöglichen, mit Menschen in Kontakt zu bleiben. „Leider verwandeln sie sich heute immer mehr in die einzige Informationsquelle der Nutzer – mit dem Risiko, die Welt auf Slogans zu reduzieren. Statt des Dialogs geht es um Konfrontation – mit drei drastischen Folgen: Diskussionen werden im Keim erstickt, das Vulgäre siegt und Menschen, die sich nicht aufs Schreien verstehen, bleiben außen vor“, sagte der Bischof.

In die neuen Medien einzutauchen, vermittele ein Gefühl der Intensität. Worum es aber wirklich gehe, sei die Gemeinschaftserfahrung, unterstrich der Bischof: „Auch wenn wir in der Zeit der „likes“ leben, des „Gefällt mir“ oder des „Gefällt mir nicht“, sind für eine Gemeinschaft das Nachdenken und eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit Themen und Menschen notwendig. Nur sie helfen, neue Beziehungen und damit Gemeinschaft zu schaffen.“

Den Bischof überzeugt in diesem Zusammenhang das Jahresthema, das sich der KVW gegeben hat: „Ich baue am Wir“. Es brauche eine größere Verantwortung für das Wir, sagte Bischof Muser. „Das Ich ist in unserer Gesellschaft, auch in unserer Kirche, sehr fett geworden. Weniger Ich und mehr Wir. Weniger Individualismus und mehr Verantwortung für das Gemeinwohl“, unterstrich Bischof Muser.

„Eine gute Kommunikation, ganz gleich auf welcher Ebene, trägt zum Zusammenleben bei und dazu, dass aus einer Community eine Gemeinschaft wird. Ich wünsche mir, dass jeder und jede von uns Entscheidungen und Einstellungen kommuniziert, die mit dem Evangelium im Einklang stehen, und zwar nicht nur auf digitalen Plattformen. Dabei müssen sich die Inhalte unserer Kommunikation stets an drei Grundwerten ausrichten: am Respekt vor dem Menschen, was Hass, Intoleranz und Herabwürdigung ausschließt; am Dialog als ehrliche Suche nach der Wahrheit sowie an der Begegnung als Aufeinander-zu-gehen, das immer ein Geben und Nehmen ist“, sagte der Bischof.

Neuer Firmweg als Auftakt der Zusammenarbeit in Seelsorgeeinheiten

Bischof Muser ging dann auf die großen Neuerungen im neuen Arbeitsjahr der Diözese ein. Eine dieser Neuerungen ist die Einführung des neuen Firmweges und zwar auf der Ebene der Seelsorgeeinheiten. Das bedeutet zugleich, dass sich im kommenden Jahr alle geplanten Seelsorgeeinheiten auf den Weg machen. Wo die Seelsorgeeinheiten nach dem neuen Plan noch nicht errichtet sind, wird der neue Firmweg der Beginn der Zusammenarbeit sein. Der Leiter des Seelsorgeamtes, Reinhard Demetz, und der Leiter des Amtes für Schule und Katechese, Markus Felderer, werden noch in diesem Herbst alle zukünftigen Seelsorgeeinheiten besuchen und mit ihnen die nächsten Schritte planen. Bischof Muser sagte, dass die Seelsorgeeinheit ein Raum der Vernetzung und der Solidarität sei, wo Pfarreien einander unterstützen und helfen und gemeinsame Projekte angehen könnten. „Gerade im Hinblick auf den neuen Firmweg wäre es absurd, wenn nun jede Pfarrei für sich arbeiten würde. Wir brauchen hier die Synergien und die gemeinsamen Herangehensweisen“, ist Muser überzeugt.

Pastoralteams übernehmen Verantwortung in den Pfarreien

Um die Umsetzung der Synode weiterzubringen ist beschlossen worden, in allen Pfarreien der Diözese schrittweise Pastoralteams einzuführen. Bischof Muser erklärte die Zielsetzung dieser Entscheidung: „Damit schreiben wir die Entwicklung fort, die nach dem Konzil mit der Einführung der Pfarrgemeinderäte begonnen wurde. Wir schärfen den Auftrag der Pfarrgemeinderäte und übertragen innerhalb derselben einer Gruppe von Personen verstärkte Mitverantwortung in der Leitung der Pfarrei. Dass wir dies tun, hat selbstverständlich auch mit dem Priestermangel zu tun. Ich möchte aber davor warnen, den Zweck dieses Weges einseitig in der Entlastung der Priester zu sehen. Was es heute zu gestalten gilt, ist ein Epochenwandel, an dessen Ende kein Stein mehr auf dem anderen stehen wird. Ich ermutige also alle Pfarreien, den Weg der Pastoralteams zu gehen. Es ist eine Chance, den Wandel zu gestalten und aktiv in die Hand zu nehmen. Die Pastoralteams können das Gesicht unserer Diözese verändern und zu einem neuen Aufbruch führen.“

Diözesaner Bildungsweg

In Zusammenhang mit der Übertragung von Verantwortung sieht Bischof Muser auch die Bildungsoffensive der Diözese für die Ehrenamtlichen: „Wir wollen, dass in den Pfarreien Menschen in Pastoralteams mehr Verantwortung übernehmen. Wir wollen, dass die Pfarreien sich in den Seelsorgeeinheiten vernetzen. Wir wollen einen neuen Firmweg. Wir möchten eine Vielfalt von Diensten und Charismen wachsen sehen, auf deren Grundlage die Pfarreien sich erneuern können. Das alles geht nicht ohne Bildung. Bildung hilft, dass dieser Prozess nicht reine Organisation wird, sondern verbunden bleibt mit dem wesentlichen Auftrag der Kirche. Mit dem diözesanen Bildungsweg werden in diesem Jahr wichtige neue Akzente in der Bildung gesetzt. Der Diözesane Bildungsweg ist ein modulares Bildungsangebot, das die Ehrenamtlichen in den Pfarreien stärkt und ihnen die passenden Werkzeuge für ihren jeweiligen Dienst zur Hand gibt. Mindestens ein Tag im Jahr sollte der Bildung gehören. Wir wollen, dass die ehrenamtlichen Dienste in den Pfarreien mit Kompetenz und mit Freude erfüllt werden und dass sie für die Ehrenamtlichen eine Gelegenheit sind, als Menschen und als Christen zu wachsen.“

Wandel in Kirche und Gesellschaft gestalten: Soziale Angebote ausbauen

Abschließend ging der Bischof auf die immer stärker anwachsende religiöse „Indifferenz“ in unserer Gesellschaft ein. Die weltanschauliche Orientierung, die in Europas Gesellschaften am schnellsten wachse, so der Bischof, sei die religiöse Gleichgültigkeit: „Bei den wenigsten Menschen, die sich von der Kirche ‚verabschieden‘, liegt eine atheistische Überzeugung zugrunde; sie stehen dem Glauben und der Kirche vielmehr gleichgültig gegenüber.“ Auch die Südtiroler Gesellschaft befinde sich in einem tiefgreifenden Wandel – gesellschaftlich und kirchlich. „Die einschneidenden Veränderungen können wir weder aufhalten noch verhindern, weshalb wir uns fragen sollen, wie wir sie gestalten wollen. Will man künftig Menschen für die Kirche und über die Kirche für die Gottes- und Christusfrage interessieren, führt ein entscheidender Weg über soziale Angebote – denn die soziale Seite von Religion und Kirche wird auch von religiös Indifferenten und von kirchenkritischen Menschen immer noch geschätzt“, ist Bischof Muser überzeugt.

Barmherzige Schwestern, Johannes Noisternigg und Marco Graiff geehrt

Die Ehrungen für Verdienste in der Diözese bildeten heute den Abschluss der Pastoraltagung 2019. Bischof Ivo Muser und Generalvikar Eugen Runggaldier haben die Barmherzigen Schwestern im Jesuheim für die jahrzehntelange Führung des Heims in Girlan sowie die Barmherzigen Schwestern des Schwesternheims in Völs ausgezeichnet sowie Alt-Dekan Johannes Noisternigg für seine vielfältigen Seelsorgedienste sowie Marco Graiff für sein Engagement bei der Azione Cattolica geehrt.

Es ist bereits zur Tradition geworden, dass am Ende der Pastoraltagung Bischof Ivo Muser gemeinsam mit dem Generalvikar verdienstvolle Persönlichkeiten auszeichnet. Der Pastoralrat, die katholischen Vereine und Verbände, die „Consulta dei laici“ sowie der Kurienrat können Menschen für die Ehrung vorschlagen, schließlich entscheidet der Bischof darüber, wer die Ehrung erhalten soll. Heuer ist die Entscheidung auf die Barmherzigen Schwestern der Ordensprovinz Bozen sowie der Ordensprovinz Meran, Alt-Dekan Johannes Noisternigg sowie Marco Graiff gefallen.

Barmherzige Schwestern: Jahrzehntelange Führung des Jesuheims in Girlan

Für den liebevollen und hingebungsvollen Dienst im Schwesternheim sowie für das christliche Zeugnis und den liebevollen Einsatz im Jesuheim hat sich Bischof Ivo Muser heute im Namen der Diözese stellvertretend für alle Schwestern bei der derzeitigen Oberin bedankt. Die Barmherzigen Schwestern aus Graz hatten schon 1906 das vom begüterten Diözesanpriester Alois Brigl gebaute Jesuheim in Girlan zur Führung übernommen. Viele Jahrzehnte war das Jesuheim die einzige Pflegeanstalt für Behinderte und Langzeitkranke im Lande. Die Kongregation der Barmherzigen Schwestern hat aufgrund der stark rückläufigen Berufungen beschlossen, die Führung des Pflegebetriebes einem neuen Träger zu übergeben. Seit 2013 hat die Stiftung St. Elisabeth die Trägerschaft übernommen. Im Heimrat des Jesuheims ist die Kongregation der Barmherzigen Schwestern aber weiterhin in beratender Funktion vertreten.

Schwesternheim in Völs: Ort der Erholung und des Lernens

Auch im Schwesternheim in Völs müssen die Barmherzigen Schwestern ihre Tätigkeit aus Altersgründen in nächster Zeit beenden. Vor 48 Jahren haben die Schwestern zunächst einen Erholungsort für die Schwestern der eigenen Gemeinschaft und für Schwestern der vinzentinischen Föderation geschaffen. Mit der Zeit wurden zwischen Oktober bis Anfang Mai Bibel- und Meditationskurse, Exerzitien, Klausurtagungen für Pfarrgemeinderäte, Besinnungstage für die Blinden, Exerzitien, Besinnungstage, Treffen der Legio Mariens, Einkehrtage für Mädchen und später auch monatliche Wochenendtagungen von „La Strada – Der Weg“ sowie Kurse des Katholischen Bildungswerks abgehalten. Die spirituellen Angebote, das Gebet und das Sein und Wirken der Schwestern prägten das Haus.

Johannes Noisternigg: Dekan, Vinzenz-Konferenz, Seniorenpastoral, Kolpingwerke, Ehrenkanonikus

Für die Verdienste in den verschiedensten Bereichen der Pastoral hat Bischof Ivo Muser Johannes Noisternigg ausgezeichnet. Noisternigg ist am 16. April 1935 in Meran geboren und wurde am Josefitag 1961 zum Priester geweiht. Nach den Kooperatorenjahren wurde er 1974 – ohne vorher Pfarrer gewesen zu sein – zum Dekan von Terlan sowie 1989 zum Dekan der Dompfarre Bozen ernannt und übernahm später zusätzlich auch die Pfarre von Karneid. Über mehrere Jahre hat er außerdem mit großer Freude Religionsunterricht erteilt.

Johannes Noisternigg war auch geistlicher Assistent der Vinzenz-Konferenzen Südtirol, Beauftragter der Diözese für die Seniorenpastoral, Zentralpräses des Kolpingwerkes, Kaplan der Delegation Südtirols des Souveränen Malteser Ritterordens und Ehrenkanonikus an der Kathedrale von Brixen.

Marco Graiff: Engagement in der „Azione Cattolica”

Für sein Engagement in der „Azione Cattolica“ hat Bischof Muser heute den Laien Marco Graiff geehrt. 1952 im Trentino geboren, kam Graiff schon 1958 nach Bozen. Sein Engagement in der Kirche begann bereits in den vor 40 Jahren mit der Wahl in den Diözesanrat der „Azione Cattolica“. 1983 bis 1989 und dann von 2001 bis 2009 war der Diözesanvorsitzender des Verbandes. Um auszudrücken, wie sehr sich Marco Graiff den Idealen der „Azione Cattolica“ verschrieben hat, zitierte Generalvikar Eugen Runggaldier die Aussage des Geehrten, als er über die Ehrung informiert worden war: “Diese Ehrung nehme ich gerne an, aber mir ist wichtig, dass die ,Azione Cattolica‘ – und nicht ich – im Mittelpunkt steht.“

Marco Graiff ist mit Rita Valduga verheiratet und hat zwei Söhne. Graiff unterstützte auch seine Frau in der Katholischen Frauenbewegung sowie seine beiden Söhne bei ihrem Engagement in der katholischen Jugendarbeit.​

Von: mk

Bezirk: Bozen, Eisacktal