Von: pf
Brixen – “Im Notwendigen die Einheit, im Zweifel die Freiheit, in allem die Liebe.”
Hl. Augustinus
“Gottheit tief verborgen, betend nah ich dir. Unter diesem Zeichen bist du wahrhaft hier.”
Hl. Thomas von Aquin
Diese beiden Zitate stehen stellvertretend für Augustinus und Thomas von Aquin, für ihr Denken, ihre Theologie, ihren Glauben, ihr Lebenswerk. Zusammen mit diesen beiden herausragenden Gestalten unserer Glaubensgeschichte gratuliere ich Papst Benedikt herzlich und dankbar zu seinem hohen und runden Geburtstag.
Augustinus wollte das rechte Leben finden, nicht einfach dahinleben. Die leidenschaftliche
Suche nach Wahrheit ist der Motor seines bewegten Lebens, seines Fragens und Suchens, die große Unruhe seiner Persönlichkeit. Alles, was nicht der Wahrheit entsprach, war ihm immer ein Stück zu wenig. Erst im demütigen Glauben der Kirche findet er diese Wahrheit. Das Wort, der Logos, ist Fleisch geworden! Nur so berührt Gott, dieser letzte Sinn von allem, unsere persönliche Geschichte, uns, auch mich. Auf seinem Weg der Wahrheitssuche hat er die entscheidende Demut gelernt: Jesus Christus, das Wort und der Sinn in Person, ist nicht zu finden ohne die Gemeinschaft mit seinem Leib, der die Kirche ist.
Papst Benedikt XVI. verehrt Augustinus als den Theologen und geistlichen Schriftsteller, der ihn selber am meisten geprägt hat. Demut, der Mut zum Dienen: Das ist für mich der Schlüssel zur Persönlichkeit von Joseph Ratzinger, zu seinem Denken, zu seiner Theologie, zu seinem Amtsverständnis, zur Art und Weise, wie er unser Papst war. Nicht zuletzt auch sein freiwilliger und bewusster Rücktritt vom Petrusamt ist Ausdruck dieses Mutes zum Dienen. Es ist meine persönliche Überzeugung: Joseph Ratzinger/Papst Benedikt ist ein Kirchenlehrer unserer Zeit und weit über unsere Zeit hinaus.
Thomas von Aquin kreist in seinem ganzen Denken um die Synthese zwischen Vernunft und Glauben. Wenn der Glaube authentisch bleiben will, demütigt er die Freiheit und die Vernunft des Menschen nicht. Warum, so fragt er sich oft, sollten Glaube und Vernunft Angst voreinander haben, wenn sie sich dann am besten darstellen können, wenn sie miteinander einen Dialog beginnen und im ständigen Dialog bleiben? Der Glaube befreit die Vernunft zur Einsicht: „Der Verstand verstummt beklommen, nur das Herz begreift’s allein.“ Aber auch der Glaube braucht die Vernunft, wenn er wirklich dem Menschen gerecht werden will,
seinem Fragen, Suchen und Ringen.
Die Theologie und die Verkündigung von Joseph Ratzinger als Professor, Bischof und Papst sind Ausdruck dieser Synthese, die der Vernünftigkeit des christlichen Glaubens Ausdruck verleihen will. Und diese Synthese weiß darum, dass alles “Reden über Gott” einmünden muss in ein liebendes, vertrautes und staunendes “Reden zu Gott”.
Verehrter Papst Benedikt, herzliche Glück- und Segenswünsche zu Ihrem 90. Geburtstag! Sie waren und Sie sind ein Segen für unsere Kirche, für viele Menschen auf der Suche nach der Wahrheit, die sich verantworten kann vor dem Fragen und Ringen der eigenen Vernunft.
Von Herzen danke ich Ihnen für das Viele, das Sie unzähligen Menschen geschenkt haben – durch Ihr Sein, durch Ihre Theologie und Verkündigung, durch Ihren Petrusdienst. Sie dürfen Ihren 90. Geburtstag am Ostersonntag feiern, am Sonntag über allen Sonntagen, am Fest über allen unseren Festen. Der gekreuzigte und auferstandene Herr selber sei Ihre Freude, Ihr Halt, Ihre Vollendung!
In Dankbarkeit, auch für Ihre persönliche Beziehung zum Priesterseminar und zur Bischofsstadt Brixen, zu unserer Diözese Bozen-Brixen und zu unserem Land Südtirol, mit denen Sie – wie Sie selber bei Ihrem letzten Urlaub im Jahre 2008 sagten – “ein kostbarer Schatz der Erinnerungen” verbindet,
Ihr
Ivo Muser, Bischof von Bozen-Brixen