Aribert Reimann (hier 2010) wurde 88 Jahre alt

Der kompositorische Einzelgänger: Aribert Reimann gestorben

Donnerstag, 14. März 2024 | 12:12 Uhr

Der Komponist Aribert Reimann ist tot. Der gebürtige Berliner, der zu den bedeutendsten Tonschöpfern der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zählte, ist am gestrigen Mittwoch im Alter von 88 Jahren verstorben, wie sein Musikverlag Schott mitteilte. Über 70 Werke schrieb Reimann im Laufe seines Lebens – von Liederzyklen über Instrumentalstücke, von Orchesterwerken bis hin zu neun Opern. Nicht zuletzt war Reimann damit auf österreichischen Bühnen ein gern gesehener Gast.

Seinen wohl größten Erfolg feierte der am 4. März 1936 in Berlin geborene Tonsetzer mit der 1978 in München uraufgeführten Oper “Lear”, die er dem Bariton Dietrich Fischer-Dieskau auf den Leib geschrieben hatte. Dutzende Neuinszenierungen weltweit schlossen sich an, darunter 2017 die umjubelte Inszenierung von Simon Stone bei den Salzburger Festspielen. An der Wiener Staatsoper wurde 2010 die Uraufführung seiner “Medea” gefeiert. Kompositorisch verstand sich Reimann dabei stets als Einzelgänger, der sich keiner Schule zuordnen wollte.

Komponieren sei nun mal eine einsame Angelegenheit, sagte Aribert Reimann einst der dpa. Man sei eben als Tonkünstler “der Welt abhanden gekommen”, zitiert Reimann aus einem Lied Gustav Mahlers. Zugleich war Reimann diese Existenz gleichsam in die Wiege gelegt, war seine Mutter doch Sängerin, der Vater Professor für Kirchenmusik und Leiter des Berliner Domchores.

Sein erstes Stück schrieb Aribert Reimann mit zehn Jahren. Geprägt hatte ihn ein Auftritt im Berlin Hebbel-Theater im Chor bei Bertolt Brechts und Kurt Weills Oper “Die Jasager”. Nach dem Abend war ihm klar, dass er entweder als Sänger oder als Komponist der Bühnenwelt verbunden bleiben wollte. So fand der junge Aribert früh in den Beruf und war doch jung genug, sich aus den erbitterten Kämpfen der dogmatischen Nachkriegsavantgarde herauszuhalten.

Nach der Matura ging Reimann 1955 als Korrepetitor an die heutige Deutsche Oper in Berlin und studierte zugleich an der Musikhochschule Komposition. Sein Ballett “Stoffreste” nach einem Libretto von Günter Grass wurde 1959 in Essen uraufgeführt. Aus Musiktheater und Lied entwickelte sich Reimanns Werk. Die Liebe zum Gesang prägte fortan Reimanns Schaffen. Mit 20 Jahren begleitete er Fischer-Dieskau am Flügel, trat als Liedbegleiter auch mit der Mezzosopranistin Brigitte Fassbaender auf. Auch sein Ziel, bis zum 30. Lebensjahr seine erste Oper zu veröffentlichen, ging in Erfüllung: “Ein Traumspiel” nach dem Theaterstück von August Strindberg wurde 1965 Reimanns erste abendfüllende Oper..

Er vertonte als einer der Ersten Texte von Paul Celan – ein Auftakt dazu, sich auch höchster literarischer Sprache auf musikalischer Augenhöhe zu nähern. Auch Texte von James Joyce oder Joseph von Eichendorff wurden von ihm vertont. Abseits dieser lyrischen Fokussierung engagierte sich der Komponist durchaus auch als politischer Kommentator, wie sich etwa an seinem 1974, zu Zeiten des Vietnamkrieges, veröffentlichtes Requiem “Wolkenloses Christfest” zeigt. Vor allem seine Opern jedoch machten Reimann in der Klassikwelt bekannt. “Melusine” (1970) oder “Bernarda Albas Haus” (1998/2000) brachten ebenso wie die “Medea” (2007/09) große Frauenfiguren auf die Bühne.

Dramatisch fiel auch “Das Schloss” nach Franz Kafka aus. “L’invisible”, die letzte veröffentliche Oper des Komponisten, umkreiste nach Maurice Maeterlinck das mysteriöse Verschwinden von Menschen in einer von Unterdrückung geprägten Welt. “Ich möchte die Menschen aufrütteln”, sagt Reimann. Dann sei es auch egal, ob die Vorlagen für die Operntexte aus der Gegenwart stammten oder mehrere Jahrhunderte oder gar Jahrtausende alt seien.

Ihm selbst war die Oper “Troades” nach Euripides ein besonderes Anliegen, die 1986 die Münchner Opernfestspiele eröffnete. Im Krieg war er mit Bombenangriffen aufgewachsen, hatte als Achtjähriger so seinen Bruder verloren und 1945 die “Nacht von Potsdam”, den Luftangriff auf die Stadt, erlebt. “Mein größter Wunsch war immer, eine Oper gegen den Krieg zu schreiben.”

Von: apa