Gedenkgottesdiensten für den vor 15 Jahren ermordeten Luis Lintner

“Er war kein Träumer, sondern durch und durch Realist”

Samstag, 13. Mai 2017 | 18:58 Uhr

Bozen – Gemeinsam mit Jugendlichen der „Casa do Sol“ und mit der langjährigen Mitarbeiterin von Luis Lintner, Pina Rabbiosi, hat P. Martin Lintner heute Abend im Dom von Bozen einen dreisprachigen (deutsch, italienisch, portugiesisch) Gottesdienst gefeiert. Diese Feier war die erste von drei Gedenkgottesdiensten für den vor 15 Jahren ermordeten Luis Lintner.

Als Leitmotiv des Gedächtnisgottesdienstes wurde der Begriff „Traum“ gewählt und P. Martin Lintner, der Neffe von Luis Lintner, hat seine Predigt mit den Worten „Luis war kein Träumer“ begonnen. Luis Lintner hat sich Orte ausgesucht, um dort zu wirken und zu leben, die alles andere als traumhaft schön waren: für elf Jahre die karge Steppenlandschaft im Landesinneren von Bahia, in der die Kleinbauern bis heute von Hitze, Dürre und Armut bedroht sind, und für elf Jahre die Elendsviertel an den Peripherien von Salvador da Bahia.
Die Arbeit mit dem einfachen Volk und die Konfrontation mit der großen Armut dieser Leute formten seinen Glauben und seine Spiritualität und führten zu einem unermüdlichen, sozialen Einsatz. Unter dem Motto „Brot für jeden, ein Haus zum Wohnen, ein Land zum Bebauen, eine Kleidung zum Anziehen, eine Arbeit zum Lebensunterhalt, Fürsorge und Gesundheit!“ kämpfte Luis Lintner für ein menschenwürdiges Leben der Entrechteten in seinen Gemeinden. Dabei ging es ihm niemals nur um Almosen, sondern um eine gerechte Verteilung der Güter.

Am 16. Mai 2002, vor 15 Jahren, wurde Luis Lintner ermordet. „Er hat den Tod nicht gesucht, aber er hat sich bewusst denselben Gefahren ausgesetzt, denen die Menschen in den Favelas Tag für Tag und Nacht für Nacht ausgesetzt sind“, so P. Martin, der hinzufügte: „Luis war beseelt von einem Traum, dass nicht Gewalt und Tod, sondern Versöhnung und Frieden, nicht Ungerechtigkeit, sondern Gerechtigkeit das letzte Wort haben werden. In diesem Sinne war er ein zutiefst österlicher Mensch, erfüllt von der Hoffnung und vom festen Glauben an die Auferstehung, die mitten im Leben anbricht.“

Ein besonderer Moment der heutigen Feier war, als bei der Gabenbereitung verschiedene Symbole zum Altar gebracht wurden. Neben Brot und Wein, die Gaben für die Eucharistie, wurde das Taufkleid von Luis Lintner zum Altar gebracht. Es wurde betont, dass Luis Lintner nicht zu den „Taufscheinchristen“ gehörte, sondern sein Leben ganz bewusst in Jesus Christus verankert hatte. Das Geschenk des Glaubens, das er als Kind empfangen hatte, wollte er als Missionar weiterschenken und durch sein Leben bezeugen.

Das zweite Symbol war ein blauer Schurz, Symbol für die Arbeit, die Bodenständigkeit von Luis Lintner, seine Herkunft aus einer Bergbauernfamilie und seine Verbundenheit mit den arbeitenden Menschen. Dann brachte man ein T-Shirt der Casa do Sol zum Altar. T-Shirts haben in Brasilien eine besondere Bedeutung. Sie sind oft bedruckt mit einem Logo oder mit dem Foto einer Person und bringen zum Ausdruck, dass jene Person, die dieses T-Shirt trägt, zu einer Gruppe dazugehört, mit anderen eine Gemeinschaft bildet. Dieses T-Shirt der Casa do Sol sollte ein Zeichen dafür sein, dass das Gedenken an Luis Lintner in Brasilien auch heute noch viele Menschen miteinander verbindet. Die Casa do Sol will ein Ort des Friedens, des Lichtes, der Sicherheit sein, eben ein „Haus der Sonne“, so wie Luis es sich gewünscht hatte.

Der vierte Gegenstand war die Heilige Schrift, die im Leben von Luis Lintner eine ganz besondere Bedeutung hatte. Sein Wunsch war es, selber eine lebendige Bibel für die Menschen zu werden und er hatte gelernt, das Leben der ihm anvertrauten Menschen besser zu verstehen, indem er sie bewusst mit dem Blick Jesu angeschaut hatte.

Auch ein Symbol vom Haus der Solidarität wurde zum Altar gebracht, denn die damaligen Verantwortlichen dieser Einrichtung haben bei der Beerdigung von Luis Lintner im Mai 2002 spontan entschlossen, ihr Haus, das damals neu gegründet worden war, nach ihm zu benennen. Das Haus der Solidarität steht heute für gelebte Solidarität mit Menschen in schwierigen Lebenssituationen.

Am Ende des Gottesdienstes wurden Armbänder in den Farben der „Casa do Sol“ verteilt: Die rote Farbe steht dabei für den körperlich-emotionalen Bereich, das Wohlbefinden des ganzen Menschen, auf das in der „Casa do Sol“ großer Wert gelegt wird; die blaue Farbe verkörpert die Weisheit, die aus dem verinnerlichten und dem dazugelernten Wissen jedes Menschen besteht und aus der Kultur, der Geschichte und der Erfahrungen eines jeden zusammengesetzt ist; die gelbe Farbe ist die Farbe der Spiritualität, die die „Casa do Sol“ beleuchtet und erst zu all ihren Tätigkeiten fähig macht.

Von: luk

Bezirk: Bozen