Festivalintendant Rolf C. Hemke

Kunstfest Weimar heuer mit Österreich-Schwerpunkt

Mittwoch, 09. August 2023 | 10:01 Uhr

Von: apa

Das Kunstfest Weimar (23. August bis 10. September) ist laut Eigenwerbung “das größte ostdeutsche Festival für zeitgenössische Künste”. 1990 gegründet, geht es heuer ins fünfte Jahr unter Leiter Rolf C. Hemke. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte ist im Programm ebenso präsent wie die der Wiedererstarkung des Rechtsextremismus und die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gegenwart Thüringens. Heuer gibt es zudem einen Österreich-Schwerpunkt mit drei Uraufführungen.

Nur die Ballung der diesbezüglichen Termine an den ersten drei Septembertagen sei Zufall, sagt Hemke im APA-Gespräch, alles andere Resultat langjähriger Zusammenarbeit. Mit dem österreichischen Dramatiker Thomas Köck arbeitet der gebürtige Kölner des Jahrgangs 1972, der als Dramaturg u.a. in Hamburg, Berlin, Mülheim und bei den Ruhrfestspielen engagiert war, bereits das vierte Mal in Folge. “Ich habe große Wertschätzung für seine Arbeit.” Erstmals hat Köck mit dem österreichischen Komponisten Johannes Maria Staud zusammengearbeitet. Sein Libretto für das Musiktheater “Missing in cantu – Eure Paläste sind leer” beschreibt ein Endzeitszenario nach dem Untergang des globalen Kapitalismus und der systematischen Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. Regie bei dieser Uraufführung im Deutschen Nationaltheater am 2. September führt die Weimarer Operndirektorin Andrea Moses.

Regisseurin Marie Bues hat beim Kunstfest Weimar bereits Uraufführungen von Texten von Sivan Ben Yishai (2020) und Thomas Köck (2021) inszeniert. Im E-Werk Weimar präsentiert sie am 1. September ihre erste Regiearbeit als Ko-Intendantin des Schauspielhaus Wien, die in der Folge ab 8. November im koproduzierenden Kosmos Theater Wien und ab 14. Februar 2024 am Schauspielhaus zu sehen sein wird. Gemeinsam mit Anouschka Trocker inszeniert sie Magdalena Schrefels Geschwistergeschichte “Die vielen Stimmen meines Bruders”, in die Aufnahmen aus dem parallel in Kooperation mit Deutschlandfunk Kultur und Ö1 produzierten Hörspiel eingearbeitet werden.

Und schließlich kommt auch Lydia Haiders “Kill Krieg” (Komposition und Regie: Marc Sinan) mit David Bennent und Jelena Kuljic als Koproduktion u.a. mit dem Volkstheater Wien am 3. September ins Deutsche Nationaltheater. Die Aufführung ist Teil der “Kriegsweihe”, einer “partizipativen Antikriegs-Performance” im Stadtraum von Weimar, die auf die erste große Bauhausausstellung von 1923 Bezug nimmt.

Rund 45 Projekte hat Hemke für heuer programmiert, von der deutschen Erstaufführung von Robert Wilsons “theatraler Aktion” “UBU” mit Figuren nach Entwürfen von Joan Miró über Amir Reza Koohestanis Büchner-Paraphrase “Dantons Tod Reloaded” mit dem Thalia Theater Hamburg und Theresia Walsers Liebeskomödie für einen Mann und einen Baum namens “Eschenliebe”, die von der Studiobühne des Nationaltheaters ausgehend an verschiedensten Gast- und Spielstätten gastiert, bis zu Günther Ueckers ephemerer Installation “Steinmal für Buchenwald” am Theaterplatz, an dem alle Festivalgäste mitbauen sollen. Im vergangenen Jahr konnte der Intendant das erste Mal nach Jahren der Coronabeschränkungen aus dem Vollen schöpfen, auch heuer werden rund 27.000 Besucher zu den 150 Veranstaltungen erwartet.

Laut einer Befragung von vor der Pandemie kommen rund 40 Prozent aus der Stadt, 35 Prozent aus der Region, in der rechtes Gedankengut immer mehr Terrain gewinnt. 2024 gibt es in Thüringen Landtagswahlen, “und im Moment hält die AfD in Umfragen bei 35 Prozent”. Wie lässt sich in diesem Umfeld als Kulturfestival agieren? “Wir versuchen natürlich Denkanstöße zu geben und an die Toleranz zu appellieren.” Zu Wortgefechten kam es erst ein einziges Mal, nämlich 2019 als rechtsradikale Demonstranten und Gegendemonstranten aneinander gerieten, aber man will es nicht darauf ankommen lassen: Man pflegt regelmäßig Kontakt zum Staatsschutz, für ein Diskursprojekt zum Thema Alltagsrassismus wird vorsorglich Security engagiert.

Seinen 5-Jahres-Vertrag hat Rolf C. Hemke auf eigenen Wunsch vorläufig nur um zwei Jahre bis 2025 verlängert. Die Subventionshöhe ist seit Jahren eingefroren – was angesichts der allgemeinen Teuerung einer gravierenden Kürzung gleichkommt. Es klingt so, als sei die Notwendigkeit einer Steigerung für ihn nicht verhandelbar. Der Leiter sagt: “Ich hänge sehr am Festival, aber so kann es nicht weitergehen.”

(S E R V I C E – www.kunstfest-weimar.de)