Philipp Genetti kritisiert die Kulturpolitik der Landestheater

Meraner Festspiel setzen Tradition der Uraufführungen fort

Dienstag, 12. August 2025 | 05:01 Uhr

Von: apa

Mit “Der große Aufbruch” zum Jubiläum der Bauernkriege 1525 hatten die Meraner Festspiele in Südtirol heuer ihre Linie von Uraufführungen fortgesetzt. Das Werk des Tirolers Luis Zagler behandelt Michael Gaismair und die Täuferbewegung. Festspielpräsident Philipp Genetti zeigte sich im APA-Gespräch mit dem Publikumsecho zufrieden, kritisierte aber fehlendes Interesse der Landestheater in Österreich: “Neue Bühnenwerke sollten bei Landestheatern eigentlich Interesse wecken.”

Dabei seien die Werke allesamt vom Theaterverlag Thomas Sessler in Wien aufgenommen und teils schon als Buchausgaben im Universitätsverlag Michael Wagner veröffentlicht worden. “Als Initiative für Ur- und Erstaufführungen versuchen wir, mit begrenzten Ressourcen den Kulturauftrag ernst zu nehmen, den hochsubventionierte Landestheater wahrscheinlich viel besser erfüllen könnten”, meinte der Kulturschaffende mit Blick auf die Förderung neuer authentischer Theaterliteratur im Süden des deutschen Kulturraums kritisch. Seit acht Jahren bringt Genetti jeden Sommer – mit Ausnahme des Coronajahres 2020 – eine neue Uraufführung auf die Festspielbühne. Das sei “im süddeutschen Sprachraum einzigartig” und zeuge vom “Pioniergeist der Initiative”, erklärte er.

Weiterentwicklung des Gedankens der Meraner Volksschauspiele

Mit den Meraner Festspielen wolle Genetti die Tradition der historischen Meraner Volksschauspiele – die Anfang des 20. Jahrhunderts vom österreichischen Theaterleiter Karl Wolf organisiert und unter anderem auch vom Kaiser und von Erzherzögen besucht worden waren – aufgreifen, weiterentwickeln und vor allem gesellschaftsrelevante Uraufführungen präsentieren. Dabei sei es recht spontan zu der Idee für die Festspiele gekommen.

Nachdem Zagler nach längerer “Schaffenspause” ein neues Stück (“Die Verfolgten”) geschrieben hatte und dieses 2017 bei einer Uraufführung auf Schloss Tirol überraschend großen Anklang fand, entschied sich Genetti zur Gründung der Festspiele in Meran. Seitdem habe man jährlich neue Werke Zaglers uraufgeführt. Damit solle “nicht bloß Tradition bewahrt”, sondern auch “aktuellen Fragen nachgegangen” werden, erklärte der Festspielleiter.

Mythos vom Bauernführer Gaismair

Auch in diesem Sommer wurde mit dem Theaterstück “Der große Aufbruch – Michael Gaismair, die Täufer und wir” zum achten Mal in Folge eine Uraufführung mit starken historischen Bezügen nach Tirol präsentiert. Der geschäftsführende Präsident Genetti, der 2024 von den drei Ländern der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino mit der gemeinsamen Verdiensturkunde für Glanzleistungen im jungen Ehrenamt ausgezeichnet wurde, sprach von einer “außergewöhnlichen Resonanz” – auch aus Nord- und Osttirol. Das zeitgeschichtliche Drama habe indes auf Originaltexte von Gaismair und gesellschaftliche Aktualität gesetzt sowie mit dem Bauernführer-Mythos aufgeräumt.

“Michael Gaismair war kein Rebell und auch nicht der Bauernführer, wie er in den meisten historischen Überlieferungen dargestellt wird, sondern ein hochintelligenter visionärer Beamter, der erst durch Betrug, Verrat und Verfolgung zum Bauernführer gemacht wurde”, betonte Genetti. Er sei so etwas wie die rechte Hand des damaligen Landeshauptmannes Leonhard von Völs gewesen, berichtete der Kulturschaffende. Gaismair hätte sich dann aber auf die Seite der Bauern gestellt, “weil er die Ungerechtigkeiten der damaligen Zeit erkannte und nicht mehr mittragen konnte”, schilderte Genetti. Mit der diesjährigen Uraufführung habe man jedenfalls versucht, dieses Thema so auf die Bühne zu bringen, dass es auch heute noch Relevanz hat. Das Stück über Gaismair und die Täuferbewegung sei indes das erste dramatische Werk, das den Originaltext seiner “Tiroler Landesordnung” zum zentralen Bühnenmoment mache, zeigte sich der Festspielleiter überzeugt.

Ehrenschutz durch Europaregion

Bereits ein Jahr nach der Gründung übernahm die Europaregion Tirol im Jahr 2018 die Schirmherrschaft über die Meraner Festspiele – seit drei Jahren stehen diese auch unter deren Ehrenschutz. Schauspieler und Regiepersonal kommen dabei vorwiegend aus Nord-, aber auch aus Ost- und Südtirol.

Für das kommende Jahr sei indes erneut eine Uraufführung geplant, ließ Genetti wissen. Er zeigte sich überzeugt, dass man auch 2026 ein gesellschaftlich relevantes Thema in dramatischer Form so auf die Bühne bringen werde, dass es ein breites überregionales Publikum begeistere.

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