Von: mk
Bozen/Turin – Besucher des Ägyptischen Museums in Turin wundern sich in diesen Tagen über den 14 Meter langen LKW, der direkt vor dem Haupteingang des Museums steht. Zwei Wochen lang werden etwa hundert Mumien ihren Platz im Museum kurz verlassen. Ein internationales Forscherteam erwartet sie im Anhänger und untersucht sie mit Hilfe modernster Computertomographie (CT). Die Wissenschaftler von Eurac Research leiten die groß angelegten Studien in den kommenden Jahren, in denen sie die menschlichen Überreste genau datieren, mit mikrobiologischen und anthropologischen Methoden erforschen und den Konservierungszustand analysieren.
Das Ägyptische Museum in Turin ist neben dem Museum in Kairo das wichtigste Museum für diesen Zeitabschnitt der Weltgeschichte. Es beherbergt 114 Mumien, die zwischen 2.000 und 6.000 Jahren alt sind. Einige haben ihren Platz seit dem Einzug ins Museum noch nie verlassen.
Unter der Leitung von Eurac Research beurteilen die Forscher gemeinsam mit Experten des Museums, welche Mumien sie gefahrlos transportieren können und wie sie sie am besten für die CT-Aufnahmen positionieren sollen. Einige der Mumien lassen die Forscher für die Analysen in ihren Sarkophagen. Von gut erhaltenen Mumien entnehmen die Forscher Gewebeproben. „Es ist eine außergewöhnliche Arbeit, und wir freuen uns jetzt schon auf die nächste Phase, die sehr spannend sein wird“, erklärt Marco Samadelli von Eurac Research, Experte für die Konservierung von Mumien. „In den kommenden Monaten und Jahren analysieren wir die Proben und können viele Fragen beantworten, die die Archäologen bisher noch nicht vollständig klären konnten. Wir werden beispielsweise sagen können, was die Ägypter in den verschiedenen Epochen gegessen haben, woran sie erkrankt sind oder wie sie einbalsamiert wurden. “
„Wir sind sehr stolz darauf ein Teil dieses Projekts zu sein“, bekräftigt Christian Greco, der Direktor des Ägyptischen Museums. „Dies ist ein Paradebeispiel für multidisziplinäre Forschung, dank der wir die Mumien besser kennenlernen. Gleichzeitig schafft sie die Grundlage für neue spannende Forschungsfragen zur Geschichte des alten Ägypten.“
Mit Hilfe der Radiokarbonmethode ordnen die Forscher die Mumien zeitlich ein; auf den CT-Bildern erkennen sie Kalkablagerungen, Krebsgeschwüre oder Reste der Einbalsamierung. Aus den DNA-Analysen erwarten sich die Wissenschaftler Erkenntnisse über Krankheiten, die im antiken Ägypten verbreitet waren, körperliche Eigenheiten, über die Herkunft der Individuen und über Verwandtschaftsverhältnisse. Mikrobiologische Tests der Sporen und Pilze geben schlussendlich Aufschluss über den Konservierungszustand der Mumien.
Beteiligt am Forschungsprojekt, das unter dem wachsamen Auge der städtischen Aufsichtsbehörde für Archäologie, Kunst und Landschaft von Turin und der Museumsleitung steht, sind Mediziner der amerikanischen Gruppe Horus und Experten des Labors für Radiokarbonanalysen des Curt-Engelhorn-Zentrums Archäeometrie, Mannheim.