Von: apa
Österreicher nehmen das “österreichische Hochdeutsch” nicht nur als schöner und sympathischer wahr, sondern auch als gebildeter, korrekter und präziser. Das ist das überraschende Zwischenergebnis einer Studie von Stefan Dollinger von der University of British Columbia (Kanada). Bisher haben sich rund 41.000 Personen an der Onlineumfrage beteiligt, mit der der Sprachwissenschafter die Haltung zum österreichischen Hochdeutsch erforscht. Noch kann man sich daran beteiligen.
Seit Ende Mai erhebt der Anglist und Germanist in seiner Umfrage wie es um das Hochdeutsch österreichischer Prägung bestellt ist. Die beiden größten Gruppen unter den bisher mehr als 41.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern sind (nach Selbsteinschätzung) “Österreicher/innen” (rund 38.000), wobei alle Bundesländer vertreten sind, und “Deutsche” (rund 900), die in Österreich leben. Die Umfrage stelle damit “die bisher umfassendste Sprachstudie Österreichs dar”, erklärte Dollinger gegenüber der APA.
Deutsch als Sprache mit mehreren Standards
Unterschiede zwischen den beiden Gruppen zeigen sich bereits bei einer grundlegenden Frage der Studie, nämlich ob sie Deutsch als eine “Sprache mit Unterschieden im Hochdeutschen zwischen den einzelnen deutschsprachigen Ländern” betrachten (plurizentrische Sicht) oder als eine “Sprache mit einem einzigen Hochdeutsch”, das überall gilt (monozentrische Sicht). 94 Prozent der Österreicher nehmen Deutsch als Sprache mit mehr als einem Standard wahr, während dies bei den in Österreich lebenden Deutschen nur 81 Prozent tun.
Geht man danach, wo in Österreich die Befragten ihre Kindheit verbracht haben, gibt es nur geringe Unterschiede. Die Zustimmung zur “Sprache mit Unterschieden” ist in Wien und der Steiermark mit 95 Prozent am höchsten, in Vorarlberg mit 89 Prozent am geringsten. Nur geringe, aber signifikante Unterschiede gibt es in dieser Frage beim Bildungsgrad – die Zustimmung zur plurizentrischen Sicht reicht von 95 Prozent bei Akademikern bis zu 91 Prozent bei Befragten mit Pflichtschulabschluss oder Lehre.
Auch Jüngere schätzen Deutsch österreichischer Prägung
Auch in allen Altersgruppen gibt es eine hohe, über 90-prozentige Zustimmung zu dieser Sicht. “Die Daten zeigen nicht, dass die jüngere Generation im Vergleich zu den ältesten Altersgruppen ihre Wertschätzung des österreichischen Hochdeutsch verringerte”, so Dollinger.
Deutliche Unterschiede zwischen den Österreichern und den Deutschen in Österreich zeigen sich bei der Zustimmung bzw. Ablehnung der Ansicht, dass Hochdeutsch österreichischer Prägung hierzulande passender ist als deutsches Hochdeutsch. Nur 2,5 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher lehnen das ab, im Vergleich zu 14 Prozent der in Österreich lebenden Deutschen. Umgekehrt finden 94 Prozent der Österreicher diese Ansicht passender, bei den Deutschen in Österreich sind es 76 Prozent.
Deutsches Hochdeutsch für alle arroganter
Als “etwas überraschend, aber enorm solide” schätzt der Forscher die Ergebnisse auf die Frage ein, wie das Hochdeutsch österreichischer Prägung bzw. das deutsche Hochdeutsch auf sie wirkt: Die Österreicher halten das österreichische Hochdeutsch nicht nur für gebildeter, schöner und sympathischer als das deutsche Hochdeutsch, sondern auch für korrekter und präziser. Deutsches Hochdeutsch empfinden sie deutlich arroganter – eine Einschätzung, die sie mit den in Österreich lebenden Deutschen teilen. Die halten allerdings deutsches Hochdeutsch für gebildeter, korrekter und präziser, finden aber das Hochdeutsch österreichischer Prägung auch schöner und sympathischer.
Für Dollinger zeigen die Zwischenergebnisse, dass “entgegen der Lehrmeinung in der Germanistik keine Entnationalisierung des Deutschen feststellbar ist und die jüngere Generation keine wesentlich andere Sicht des österreichischen Hochdeutsch hat”. Das österreichische Standarddeutsch, nicht nur der Dialekt, “scheint wichtig für österreichische Identitätsbekundungen zu sein”.
Studienteilnahme noch möglich
Der Sprachwissenschafter und sein Team würden sich freuen, wenn noch mehr Personen an der Umfrage teilnehmen. Angestrebt wird ein Prozent der Gesamtbevölkerung als Stichprobe. Möglich ist dies noch bis Ende September. Die Beantwortung des Fragebogens nimmt laut Dollinger acht bis neun Minuten in Anspruch und steht allen, die in Österreich leben bzw. länger gelebt haben, offen.
(S E R V I C E – Link zum Fragebogen: http://www.tinyurl.com/OesterreichischesDeutsch)
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