Anna Mabo auf der "Hoch Kultur Festival"-Bühne

Osttiroler “Hoch Kultur Festival” als Alpen-Woodstock

Freitag, 11. August 2023 | 09:15 Uhr

“Today it feels like Woodstock – but even higher!” Die Wiener Liedermacherin Anna Mabo brachte es am Donnerstagnachmittag auf den Punkt. Die Bühne, auf der sie gestern als einer von zahlreichen musikalischen Geburtstagsgästen zum 30-Jahr-Jubiläum der Musicbanda Franui stand, befindet sich auf 1.673 Metern Seehöhe. Auf der Unterstalleralm im Osttiroler Innervillgraten wird in einer herrlichen alpinen Kulisse noch bis Samstag das “Hoch Kultur Festival” gefeiert.

Der seit Woodstock zu Outdoor-Musikfestivals dazugehörende Schlamm ist erst “am Werden”, wie eines der Lieder heißt, die Mabo, kürzlich noch als Co-Kuratorin für das Programm des Wiener Popfest im Einsatz, spielte. Keine Frage, das Gras der Almwiesen, deren Steilheit den Besuchern eine herrliche Naturtribüne bietet, wird in diesen drei Tagen gehörig beansprucht werden, doch nach einer Schlechtwetterwoche, die täglich Regen und Hagel ins Villgratental brachte, konnten für den Auftakt-Tag die nur Open-Air geltenden Schönwettertickets doch freigegeben werden.

Das 1.000 Menschen fassende Schlechtwetterzelt blieb unbespielt, doch just, als die deutsche Jazzpianistin Johanna Summer, die anschließend betörend über “Norsk” von Edward Grieg improvisierte, die Unterstalleralm zu “einem der schönsten Konzertsäle, in denen ich je gespielt habe”, erklärte, fielen die ersten Regentropfen vom Himmel. Sie blieben spärlich und die Overalls und Pelerinen, die wohl jeder Besucher im Rucksack hatte, mussten nicht ausgepackt werden.

An der Ausrüstung der meisten Festivalbesucher gab es nichts auszusetzen. Bergsteigerkluft war vorherrschend, denn von der Endstation der vom Ortszentrum startenden Shuttles ist noch eine rund einstündige Wanderung zum Festivalgelände zu absolvieren, bei der orange besprühte Steine als Markierungen den Weg weisen. Ein orangener Felsbrocken ist das Logo des Festivals. Es findet sich auch auf den Etiketten des Spezialbräus “Hoch Kultur Bier” der örtlichen Craftbeer-Brauerei.

Doch das “Hoch Kultur Festival” dürfte unter allen Musikfestivals auch den höchsten Anteil an per Mountainbike anreisenden Besucherinnen und Besuchern aufweisen. Überhaupt setzt man auf Nachhaltigkeit. Dass die Boxen der Öko-Klos, vor denen sich regelmäßig lange Schlangen bildeten, jedoch mitten im Festivalgelände – und direkt gegenüber den Verpflegungsständen – aufgestellt wurden, wäre wohl nicht unbedingt nötig gewesen.

Musikalisch bot der erste Festivaltag schon die ganze Bandbreite der Franui’schen Interessen. Den Auftakt lieferte ein literarisch-musikalisches Zusammenspiel mit Tobias Moretti, der sich mit Krücken und geschientem Bein auf die Bühne schwang, um Passendes u.a. von Eichendorff, Heine oder Rückert zu rezitieren: “Ich wandre bergauf, bergab…” Das erste Mal arbeitete die Osttiroler Musikgruppe dabei mit dem bekannten Tiroler Schauspieler zusammen.

Eineinhalb Jahrzehnte dauert hingegen bereits die Zusammenarbeit mit Kunstpfeifer, Regisseur und Puppenspieler Nikolaus Habjan. Vor wenigen Tagen erst begeisterten sie gemeinsam mit Bassbariton Florian Boesch (er bestreitet das Finale des letzten Festivaltages) mit einer hörens- und sehenswerte Version von Schuberts “Die schöne Müllerin” von Franz Schubert in Berlin, Hamburg und Bregenz, auf der Alm boten sie böse Lieder von Georg Kreisler, vorgetragen von Habjans zickiger Puppen-Diva Lady Bug, die sich über das tiefe Niveau auf der hohen Alm beklagte und kritisch anmerkte: “In meinem Vertrag steht ganz ausdrücklich: kein Alpenwind!”

Diesen Gefallen konnte man ihr am Donnerstagnachmittag (die Konzerte müssen bis 20 Uhr beendet sein, um dem Publikum einen Abstieg noch bei Tageslicht zu ermöglichen) nicht machen. Doch stürmisch war am ersten Festivaltag nur der Applaus – etwa im mittleren der drei gespielten Sets, das neben Mabo und Summer auch die vier Finnen von Sväng gemeinsam auf die Bühne brachte. Die Mundharmonika-Virtuosen spielten als Geburtstagsständchen für Franui u.a. einen Begräbnismarsch, der in Finnland angeblich zum traurigsten Lied der finnischen Musikgeschichte gewählt wurde. Deutlich dem Leben zugewandter dagegen Anna Mabo, die gemeinsam mit dem Cellisten Clemens Sainitzer mit “Hallo” und “Pyrenäentourist” auch zwei Songs spielte, die auf ihrer dritten CD enthalten sind, die sie am 27. August im Wiener Theater am Spittelberg präsentieren wird. Deren Titel könnte getrost als Resümee des ersten Festivaltags auf der Unterstalleralm verwendet werden: “Danke, gut!”

Für den heutigen zweiten Festivaltag sind u.a. das Fauré Quartett, die niederländische Cellistin Harriet Krijgh, der Schweizer Stimmkünstler Christian Zehnder und Die Strottern aufgeboten.

(S E R V I C E – www.franui.at; www.hochkulturfestival.at)

Von: apa