Von: bba
Bozen – Am 4. Dezember feiert das Doku-Theater „Angst essen Seele auf“ der OEW-Organisation für Eine solidarische Welt im Bozner Theater am Hof Premiere und tourt anschließend durch ganz Südtirol. Das Stück handelt von der Liebe zwischen Emmi und „Ali“, die der rassistisch geprägten Moral der deutschen Nachkriegszeit zum Opfer fällt. Wie aktuell das Stück nach R. W. Fassbinder auch in Zeiten von Flüchtlings„krisen“ und rechtspopulistischer Gesinnung ist, vermag die Sterzinger Regisseurin Michaela Senn mithilfe einer interkulturellen Profi-Laienbesetzung geschickt zu vermitteln. In den Hauptrollen: die in Südtirol ansässige Schauspielerin Margot Mayrhofer und Gastschauspieler Olcayto Uslu aus Düsseldorf.
Es geht um die dunkelsten Abgründe menschlichen Seins, aber auch um die Visionen einer Gesellschaft, in der Liebe und Menschlichkeit neue Wege ebnen. Als sich Emmi und „Ali“, der aus Marokko stammt und um einige Jahre jünger ist als sie, ineinander verlieben, kommt es in ihrem Umfeld zum Eklat. Ihre Beziehung wird durch Rassismus und Neid durch ihre Familie, Nachbarn und Bekannte auf eine harte Probe gestellt. Die Folgen alltäglicher Rassismen bekommen die Zuschauer*innen des Theaterstücks hautnah zu spüren aber auch die Hoffnung dahinter, dass sich Gesinnungen ändern können.
Regisseurin Michaela Senn, die das Stück konzipierte, betont: „Fassbinder wirft in seinem Stück den Blick auf verschiedene marginalisierte Personengruppen in unsere Gesellschaft. Dies tut er ganz bewusst, in dem er Stereotype zur Diskussion stellt. Uns war es ein Anliegen, diesen vereinfachten Menschenbildern die Komplexität der Wirklichkeit gegenüberzustellen.“ Aus diesem Grund wurden zwei Profischauspieler*innen und vier Laienschauspieler*innen unterschiedlicher Herkunft, Muttersprache und ethnischer Zugehörigkeit für das Stück engagiert.
Um die Liebesgeschichte so realistisch wie möglich darzustellen, griffen die OEW und die erfolgreiche Regisseurin auf die Form des Dokumentartheaters zurück. Gemeinsam mit Jugendlichen machten sie sich im Zuge der Produktion auf Stimmenfang und befragten Menschen in Südtirol nach ihren Ängsten, Erfahrungen und Zukunftsvisionen. Das gesammelte Material integrierte die Regisseurin schließlich in Fassbinders Klassiker „Angst essen Seele auf“. Die O-Töne, die das gesellschaftliche Selbstverständnis Südtirols widerspiegeln, stellen eine direkte Verbindung zum Publikum her.
Regisseur und Filmemacher Rainer Werner Fassbinder schrieb das Drehbuch für „Angst essen Seele auf“ 1974. Darin prangerte er vor allem die anhaltende Propaganda der deutschen Nachkriegsgesellschaft an, in der die Menschenfeindlichkeit der NS-Zeit nachwirkt.
Adrian Luncke, Produktionsleiter und OEW-Mitarbeiter, erklärt: „Indem wir das Stück zeitgemäß interpretieren und an die lokalen Verhältnisse anpassen, wollen wir die Fragen aufwerfen, welche Rolle Rassismus auch heute noch in unserer Gesellschaft spielt.“ Ziel des Projekts sei es, darauf aufmerksam zu machen, dass die Südtiroler Gesellschaft vielfältig sei, ein respektvolles Miteinander durch Rassismus und Diskriminierungen aber oft verhindert werde.
OEW-Geschäftsführer Matthäus Kircher betont: „Leider verlieren wir immer wieder aus den Augen, welchen Gewinn Vielfalt darstellt. Kultur ist niemals statisch, sondern entwickelt sich dank unterschiedlicher Einflüsse fort.“
Das Doku-Theaterstück „Angst essen Seele auf“ feiert am 4.12. um 20.00 Uhr in Bozen Premiere, am 8. und 10.12. gibt es das Stück in der Dekadenz Brixen zu sehen, am 16.12. im UFO Bruneck und am 18.12. im Stadttheater Sterzing.
Außerordentliche Aufführungen für Berufs- und Oberschulen gibt es am 6.12. im Theater im Hof in Bozen, am 12.12. in Auer, am 17.12. im UFO in Bruneck, am 18.12. im Stadttheater Sterzing. Schulklassen können hier angemeldet werden: 0472 208 209.